Freitag, 30. Dezember 2011

Neues für 2012

Eine Übersicht über neue Regelungen in 2012 findes sich auf http://sozialrecht-chemnitz.blogspot.com/

1 % - Regel nicht ausnahmslos anwendbar

Einem Rechtsanwalt, der auch nichtselbständig als Bankmitarbeiter tätig war und dem eine Firmengruppe über deren Steuerberater einen PKW unentgeltlich zur Nutzung überlassen hatte, wurden die Leasingraten als Betriebseinnahme angerechnet. Der Anwalt vertrat dagegen die Auffassung, dass die Betriebseinnahme lediglich auf der Grundlage der sog. 1%-Regelung anzusetzen sei.

Das Hessische Finanzgericht (10 K 939/08) folgte der Auffassung des Anwaltes nicht. Es stellte dabei darauf ab, dass auch Sachleistungen und Nutzungsvorteile, wie z.B. die Kraftfahrzeuggestellung, Betriebseinnahmen seien. Zudem hat der Anwalt den gestellten PKW ausschließlich zu privaten Zwecken und nicht im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit genutzt, weshalb die Anwendung der sog. 1%-Regelung nicht in Betracht kommt. Vielmehr seien die Leasingraten in voller Höhe als sog. geldwerter Vorteil Betriebseinnahmen.

Kann ich dem Arbeitnehmer den Arzt im Vertrag vorschreiben

Eine Rechtsanwaltsgehilfin fand in ihrem Arbeitsvertrag einen Passus, wonach sie sich im Falle einer Arbeitsunfähigkeit vertraglich zur Untersuchung bei einem bestimmten Arzt verpflichtet. Darüber hinaus sollte sie automatisch zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht verpflichtet werden. Sollte sie sich später hieran nicht halten, würde der Lohn während der Krankschreibung nicht weitergezahlt.

Grundsätzlich (Ausnahmen bestätigen die Regel) besteht im Fall einer Arbeitsunfähigkeit ein Entgeltfortzahlungsanspruch (§ 3 EntgFG) gegenüber dem Arbeitgeber. Die Rechtsanwälte hatten nun wohl aus ihrer Erfahrung heraus den Verdacht, dass einige Arbeitnehmer diese Regelung zu ihrem Vorteil und zum Schaden des Arbeitgebers ausnutzen. Dem sollte mit der vertraglichen Regelung ein Riegel vorgeschoben werden.

Doch es half nichts. Dem Arbeitsgericht Frankfurt/Main (7 Ca 1549/11) ging diese vertragliche Regelung nach einer Meldung auf stern.de zu weit, so dass diese unwirksam war.

Dienstag, 27. Dezember 2011

"Krankenkassenwahl" - Wettbewerbsrecht im Arbeitsrecht

Auch wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten können das Gebiet des Arbeitsrechts nicht nur berühren, sondern auch direkt betreffen.

Dabei klang es so naheliegend. Ein Krankenhaus verlangte von Bewerbern, dass diese die Krankenkasse "wählen", welche das größte Bettenkontigent im Krankenhaus hat.

Hiervon erfuhr ein Wettbewerbsverband, der eine solche vorgegebene "Wahl" wettbewerbswidrig erachtet. Das Krankenhaus sah es nicht so, weshalb der Sachverhalt vor das OLG Brandenburg kam. Dieses bestätigte, dass Arbeitgeber die "richtige Krankenkasse" nicht zu einer Einstellungsvoraussetzung machen dürfen und dies wettbewerbswidrig sei.

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Wenn Anwälte diskriminieren

Wenn Anwälten Fehler unterlaufen in der Mandatsbearbeitung kann das teuer für Mandanten werden.

Doch es gibt auch die weitverbreitete Ansicht, dass Anwälte in eigenen Angelegenheiten wesentlich nachlässiger sind. Ein Beispiel für letzteres zeigte mir die Lektüre des aktuellen Blattes der Kammer aktuell der Sächsischen Rechtsanwaltskammer.

Darin finden sich zwei Anzeigen, welche auf meine Bedenken stoßen - darunter auch von Fachanwälten für Arbeitsrecht.

Da gibt es eine Anzeige der Rechtsanwaltskanzlei Arnscheid & Kollegen, welche "eine engagierte RA-Fachangestellte" suchen und eine Anzeige der Kanzlei Arnold aus Dresden, welche "eine Refa" suchen.

Mittlerweile dürfte es sich doch herumgesprochen haben, dass Anzeigen regelmäßig nicht nach Geschlecht differenzieren sollen. Doch ein Blick in die Internet-Stellenbörse der Kammer zeigt noch einige weitere "bedenkliche Stellenzeigen", können diese doch für Arbeitgeber unter Berücksichtigung des AGG teuer werden.

Aber vielleicht hat ja auch nur die Kammer die Anzeige nicht richtig übertragen.

Mittwoch, 21. Dezember 2011

24 Unterstützer

Eine Verkäuferin einer Karstadtfiliale (31 Jahre Betriebszugehörigkeit) wehrt sich gegen eine fristlose Kündigung wegen Diebstahls von 2 Socken. Angeblich wurden nur deren Abrechnung vergessen.

Im Verfahren um die Kündigungsschutzklage gab es dann im Gütetermin eine Überraschung - und damit ist nicht ein Vergleichsschluss gemeint (den es auch nicht gab) - 24 Mitarbeiter wollten die Arbeitnehmerin unterstützen. Die Saalbestuhlung war nicht ausreichend groß. Sogar Geld gesammelt haben die Kollegen, damit sich die Arbeitnehmerin einen Anwalt leisten kann - so der Bericht aus dem Flensburger Tageblatt.

Wenn Sie so bedürtig ist, hätte es aber auch Prozesskostenhilfe gegeben.

Prozesskostenhilfe und Gerichtskosten

Ab und zu kommt es vor, dass Empfänger von Prozesskostenhilfe in einem Vergleich die gesamten oder teilweisen Verfahrenskosten übernimmt. Dann stellt sich die Frage, ob dies auch für die Gerichtskosten gilt, also das Gericht die Gerichtsgebühren auch vom demjenigen zur Zahlung verlangen kann, welche Prozesskostenhilfe gewährt bekommen hat.

Diesem Ansinnen steht die Entscheidung des OLG Frankfurt/Main (3 U 298/10) entgegen. Hiernach darf bei Gewährung der Prozeßkostenhilfe der Betroffene darauf vertrauen, nicht für Gerichtskosten aufkommen zu müssen (wenn sein Einkommen und Vermögen sich nicht geändert haben).

eingeschränkter Rechtsschutz für Pfarrer und Offiziere der Heilsarmee

Für Angestellte in kirchlichen Diensten besteht ein besonderes Kirchenrecht. Problematisch ist, ob Betroffene sich auch vor den staatlichen Gerichten gegen Maßnahmen wehren können, welche sie für unrechtmäßig erachten.

Die Pfarrer Andreas Baudler, Roland Reuter sowie die (entlassene) Offiziere der Heilsarmee Hanna und Peter Müller, wehrten sich zunächst erfolglos vor den innerkirchlichen Gremien gegen sie betreffende Maßnahmen. Danach wandten sie sich an staatliche Gerichte und suchten dort um ihr Recht. Dieses war jedoch ebenso erfolglos (auch vor dem BVerfG), da die Gerichte auf das Recht der Kirchen verwiesen, ihre innerkirchlichen Angelegenheiten nach eigenen Bestimmungen zu regeln (Artikel 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung).

Auch deren Beschwerden vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte blieb erfolglos (Pressemitteilung vom 20.12.2011).

Damit bestätigt der EGMR, dass Kirchen das Recht haben, Beschäftigungsverhältnisse ohne staatliche Eingriffe zu regeln.

Zeitpunkt der Abfindungszahlung und damit verbundene Risiken

Ein Arbeitnehmer hat am 1. Oktober 2007 einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Hiernach sollte das Arbeitsverhältnis enden zum 31.12.2008 und eine Abfindung von über 100.000 € sollte mit der Vergütung für Dezember 2008 gezahlt werden.

Am 5. Dezember 2008 beantragte dder Arbeitgeber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Insolvenzgericht bestellte mit Beschluss vom 8. Dezember 2008 einen Insolvenzverwalter und ordnete zugleich an, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Insolvenzverwalters wirksam sind.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2008 forderte der Arbeitnehmerin die fristgerechte Zahlung der Abfindung. Nachdem die Zahlung nicht erfolgte, wurde der Rücktritt vom Aufhebungsvertrag erklärt. Am 1. März 2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Arbeitnehmer klagte nun auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis fortbesteht aufgrund des Rücktritts vom Aufhebungsvertrag.

Das Bundesarbeitsgericht (Pressemitteilung Nr. 85/11) teilte nicht die Auffassung des LAG Düsseldorf und wies den Anspruch des Arbeitnehmers zurück.

Ein Aufhebungsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag. Der Arbeitnehmer kann deshalb nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich vom Aufhebungsvertrag zurücktreten, wenn der Arbeitgeber die Abfindung nicht zahlt, das Rücktrittsrecht nicht ausdrücklich oder konkludent abbedungen ist und dem Arbeitgeber ohne Erfolg eine angemessene Frist zur Zahlung der Abfindung gesetzt wurde. Das Rücktrittsrecht aus § 323 Abs. 1 BGB setzt allerdings die Durchsetzbarkeit der Forderung voraus. Daran fehlt es, wenn der Schuldner nicht leisten muss oder nicht leisten darf.

Der Abfindungsanspruch war für den Arbeitnehmer nicht durchsetzbar. Der Arbeitgeber durfte die Abfindungssumme aufgrund der Anordnung des Insolvenzgerichts nicht ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters auszahlen. Darüber hinaus stand der Durchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs die „dolo-petit-Einrede“ entgegen. Der Arbeitnehmer forderte mit der Abfindung eine Leistung, die er alsbald nach § 143 Abs. 1 InsO wegen Anfechtbarkeit der Abfindungszahlung zur Insolvenzmasse hätte zurückgewähren müssen.

Vertrag vor Gesetz? - 274 Urlaubstage

Dauerbrenner Urlaubsabgeltung - doch diesmal in einer völlig anderen Konstellation.

Im Anstellungsvertrag wird folgendes geregelt:

"(Der Angestellte) hat Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub von dreißig Arbeitstagen, der in Abstimmung mit den übrigen Geschäftsführern der indischen Gesellschaften und dem für die Gesellschaften zuständigen Vorstandsmitglied der ... zeitlich so festzulegen ist, dass die Belange der genannten Gesellschaft nicht beeinträchtigt werden.

Eine Übertragung von Resturlaub auf Folgejahre ist möglich. Falls am Tage der Beendigung des Vertrages noch Resturlaub vorhanden ist, wird dieser mit 50 % vergütet.“


Später endete das Anstellungsverhältnis und der Angestellte verlangt die Abgeltung von 244 der insgesamt (über mehrere Jahre) angesammelten 274 Urlaubstage gemäß den vertraglichen Regelungen, immerhin 129.686,00 Euro brutto.

Der Rechtsstreit zieht sich bis zum Bundesarbeitsgericht. Immer hat die Firma verloren, auch vor dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 18.10.2011, 9 AZR 303/10).

Dieses meint, dass die verragliche Abrede zwar vom Gesetz abweicht, aber nicht in dem Maße, dass es zur Unwirksamkeit führt, sondern die gesetzliche Regelungen ergänzt werden durch die Vertragsbestimmungen. Und es gilt dann immer noch der Grundsatz: Verträge werden gehalten (pacta sund servanda)

Dienstag, 20. Dezember 2011

"Die blöde Kuh"

... oder war der Tierarzt selbst daran schuld, dass er bei einem Impftermin von einer Kuh so sehr verletzt wurde, dass er immerhin 26.000 € Schmerzensgeld verlangte.

Das LG Tübingen (2 O 244/11) geht jedenfalls von letzterem aus - einem erheblichen Verschulden des Tierarztes - wie spiegel-online verrät.

Neue Mindestlöhne ab 2012

für Zeitarbeitnehmer
vom 01.01.2012 bis zum 31.10.2012
a) in den neuen Ländern: 7,01 Euro,
b) in den übrigen Bundesländern: 7,89 Euro

vom 01.11.2012 bis zum 31.10.2013
a) in den neuen Ländern: 7,50 Euro,
b) in den übrigen Bundesländern: 8,19 Euro.

Dachdecker
a) Im Jahr 2012 bundesweit einheitlich: 11 Euro
b) Im Jahr 2013 bundesweit einheitlich: 11,20 Euro

Gebäudereiniger
a) Im Jahr 2012:
in Westdeutschland einschließlich Berlin: 8,82 Euro (Lohngruppe 1) und 11,33 Euro (Lohngruppe 6),
in den neuen Ländern: 7,33 Euro (Lohngruppe 1) und 8,88 Euro (Lohngruppe 6).
b) Im Jahr 2013:
In Westdeutschland einschließlich Berlin: 9,00 Euro (Lohngruppe 1) und 11,33 Euro (Lohngruppe 6),
in den neuen Ländern: 7,56 Euro (Lohngruppe 1) und 9,00 Euro (Lohngruppe 6).

Eine Übersicht der Mindestlöhne gibt es auf den Seiten des BMAS.

Montag, 19. Dezember 2011

Zugang einer Kündigung

... mittels Übergabe-Einschreiben birgt Gefahren.

Eine Arbeitgeberin übersandte eine fristlose Kündigung (Datum 03.08.2010) an die Arbeitnehmerin mittels Übergabe-Einschreibens. Der Postbote traf die Arbeitnehmerin jedoch nicht an. Deshalb hinterließ er einen Benachrichtigungsschein. Die Arbeitnehmerin holte das Schreiben jedoch nicht ab.

Weil Sie anderweitig von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfuhr, erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage.

Im Gütetermin vom 21.10.2010 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine außerordentliche Kündigung zu Protokoll, die er auf den Vorwurf stützt, die Klägerin habe den Zugang der Kündigung vom 03.08.2010 vereitelt.

Nach Auffassung des LAG Mainz (10 Sa 156/11) ist die Kündigung vom 03.08.2010 nicht wirksam.

Der Einwurf eines Benachrichtigungsscheins ersetzt nicht den Zugang einer schriftlichen Kündigung. Die Richter ließen auch den Einwand nicht gelten, die Arbeitnehmerin habe den Zugang der Kündigung treuwidrig vereitelt. Denn der Arbeitgeber habe nicht bewiesen, dass die Frau mit ihrer fristlosen Kündigung rechnen und damit wissen musste, was in dem hinterlegten Einschreiben stand.

Vertrauen in das alte Recht

Eine Arbeitnehmerin hat 1992 einen formularmäßigen Arbeitsvertrag unterzeichnet. Nach diesem Arbeitsvertrag sollte sich die Vergütung nach einer bestimmten Tarifgruppe des damals geltenden Tarifvertrages für den Einzelhandel Brandenburg richten. Im übrigen sollte sich das Arbeitsverhältnis „nach den jeweils geltenden Tarifverträgen der infrage kommenden Sparte“ richten.

Die Arbeitgeberin trat 1997 aus dem Arbeitgeberverband aus.

Im März 2008 begehrte die Arbeitnehmerin die Zahlung von Vergütung entsprechend des aktuellen Tarifvertrages des Einzelhandels Brandenburg. Die Arbeitgeberin verweigerte dies, weshalb die Arbeitnehmerin mit ihrer Klage Vergütungsdifferenzen zwischen dem aktuellen Tarifentgelt und der an sie tatsächlich gezahlten Vergütung geltend macht.

Vor dem Bundesarbeitsgericht (Pressemeldung 94/11) hat sie keinen Erfolg. Die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag ist - nach altem Rechtsverständnis des Bundesarbeitsgerichtes - als Gleichstellungsabrede auszulegen. Zwar gilt seit 18.04.2007 die neuere Rechtsauffassung des Bundesarbeutsgerichtes zur Bezugnahmeklauseln, jedoch gewährt das BAG für Vereinbarungen vor 01.01.2002 Vertrauensschutz.

Die Klägerin kann deshalb keine Vergütung nach dem aktuellen Tarifstand verlangen.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Fahrtkosten, Leiharbeit und die Steuer

Na das ist doch einmal ein Weihnachtsgeschenk für Leiharbeitnehmer. Es geht um die Frage, welche Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle von der Steuer abgesetzt werden können.

Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind Werbungskosten. Das Gesetz gewährt hierfür lediglich einen begrenzten Abzug in Form der sogenannten Entfernungspauschale, d.h. in Höhe von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) zwischen der Wohnung und der regelmäßigen Arbeitsstelle.

Doch was ist die regelmäßige Arbeitsstätte? Nach einer Entscheidung des FG Münster (13 K 456/10) ist eine "regelmäßige Arbeitsstätte": "jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder aufsucht. Dies ist in der Regel der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb, nicht aber eine betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers. Regelmäßige Arbeitsstätten sind dadurch gekennzeichnet, dass sich der Arbeitnehmer auf einen immer gleichen Weg einstellen und so die Fahrtkosten mindern kann, z.B. durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Wahl seines Wohnsitzes."

Der Leiharbeiter war nun aber nicht am Sitz des Verleihers tätig, sondern im Betrieb des Entleihers. Da dieser Einsatzort für Leiharbeiter typischerweise wechseln kann, liegt kein "regelmäßiger Arbeitsort" vor, so das FG Münster.

Dies hat zur Folge, dass nun nicht nur 0,30 € pro Entfernungskilometer anzusetzen sind, sondern der tatsächliche Kostenbetrag pro tatsächlich gefahrenem Kilometer (im Sachverhalt des FG Münster war dies genau 0,30 €/km).

Aber es gibt einen Haken. Das FG Münster hat die Revision zugelassen, so dass noch keine Rechtskraft besteht. Betroffene sollten also darauf achten, dass diesbezüglich die Steuerbescheide nur vorläufig ergehen oder aber Einspruch einlegen mit Bitte um Ruhen bis zur rechtskräftigen Entscheidung.

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Einchecken, blaumachen, auschecken

Genau das soll ein Mitarbeiter der Stadt Recklinghausen getan haben.

Er fuhr früh zur Arbeit, checkte an der Stechuhr ein und ... fuhr wieder nach Hause oder ins Cafe oder zum Friseur und ... kam an Abend wieder zur Arbeitsstelle, zum Auschecken an der Stechuhr.

Die Stadt ist ihm durch eine Überwachung durch Detektive auf die Schliche gekommen und hat die fristlose Kündigung ausgesprochen. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage. Im Gütetermin erschien er wiederum nicht. Aber da hat er auch nichts verpasst, da das Verfahren nach der Meldung der Recklinghäuser Zeitung fortgesetzt wird.

Streikbrecher und die Mitbestimmung des Betriebsrates

Ein Lebensmittelgroßhandel unterhält an einem Ort zwei Betriebe - die Zentrale und ein Logistikzentrum. Während eines Arbeitskampfes (Streik) im Logistikzentrum versetzte das Unternehmen arbeitswillige Arbeitnehmer der Zentrale vorübergehend zur Streikabwehr in das Logistikzentrum. Der Betriebsrat der Zentrale wurde hieran nicht beteiligt - trotz der Bestimmung in § 99 BetrVG.

Das Unternehmen meint in dem von ihr gegen den Betriebsrat (Zentrale) eingeleiteten Beschlussverfahren, Versetzungen zur Streikabwehr unterfielen nicht der Zustimmung des abgebenden Betriebsrats. Streikabwehrmaßnahmen seien von Art. 9 Abs. 3 GG geschützt und der Grundrechtsschutz habe gegenüber dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 99 BetrVG Vorrang.

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Unternehmen Recht (Pressemeldung 93/11) und führt aus:

"Eine Versetzung arbeitswilliger Arbeitnehmer von einem Betrieb des Arbeitgebers in einen ihm gehörenden bestreikten Betrieb zur Verrichtung von Streikbrucharbeit unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs. Die mit dem gesetzlichen Zustimmungserfordernis und dem darauf bezogenen Anhörungsverfahren verbundenen Erschwernisse sind geeignet, die Kampfparität zu Lasten des Arbeitgebers ernsthaft zu beeinträchtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Streik auf den Abschluss eines Verbands- oder eines betriebsbezogenen Haustarifvertrags gerichtet ist. Der Arbeitgeber ist jedoch nach § 80 II Satz 1 BetrVG verpflichtet, dem Betriebsrat rechtzeitig vor Durchführung der personellen Maßnahme mitzuteilen, welche Arbeitnehmer er vorübergehend zur Streikabwehr einsetzen will."

Dienstag, 13. Dezember 2011

Kein Vergütungsanspruch für Leiharbeiter vor 2010 - ein weiterer Trick in der Leiharbeitsbranche?

Es existieren bereits unzählige Entscheidungen der Arbeitsgerichte zur CGZP und den Folgen der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der CGZP. Gelten Ausschlussfristen und wenn ja, ab wann? Wann beginnt Verjährung? Sind Verfahren auszusetzen?

Ein weiteres Argument betroffener Leiharbeitsfirmen, welches einen Ausweg aufzeigt, wurde nun durch das LAG Düsseldorf (Pressemitteilung 78/11) abgesegnet.

Ein bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigter Zeitarbeitnehmer wurde als Ableser im
Kundenaußendienst eines großen Energieunternehmens eingesetzt. Im Arbeitsvertrag wurde auf die tariflichen Regelungen der AMP mit der
Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und
Personalservicagenturen (CGZP) verwiesen. Bereits am 26.04.2010 hatten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen, wonach auf das Arbeitsverhältnis die zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und den Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) geltenden Tarifverträge Anwendung finden sollen.

Nach der BAG - Entscheidung vom 14.12.2010 machte der Arbeitnehmer Ansprüche auf Differenzvergütung für den Zeitraum von 2007 bis Februar 2011 geltend. Nachdem das Arbeitsgericht Düsseldorf die Klage abwies, hatte er auch vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Nach Aufassung der Richter waren die Ansprüche des Leiharbeiters Ende 2009
wegen der wirksamen Ausschlussfrist des durch die Zusatzvereinbarung vom 26.04.2010 in Bezug genommenen Manteltarifvertrags zwischen der AMP und den
Einzelgewerkschaften des CGB (MTV) - welche tariffähig ist - verfallen.

Die Ausschlussfrist habe zudem nicht erst ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 zu laufen begonnen. Ab dem Jahre 2010 bestehe ein mit den Einzelgewerkschaften der CGB wirksam vereinbarter Zeitarbeitstarifvertrag.

Montag, 12. Dezember 2011

Formalien einer Kündigung

Welche Formalien sind bei einer Kündigung zu beachten? Obwohl es bekannt sein dürfte, bedarf eine Kündigung der Schriftform (Unterschrift) und des Zugangs beim Empfänger. Nunmehr hatte wieder einmal das Bundesarbeitsgericht über Formalien zu entscheiden - hinsichtlich der Kündigung eines minderjährigen Auszubildenden in der Probezeit.

Ein minderjähriger Azubi schloss - vertreten durch seine Eltern - mit dem Ausbildungsbetrieb einen Vertrag über eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik für die Zeit ab 1. August 2008. Der Ausbildungsvertrag enthielt eine dreimonatige Probezeit. Der Ausbildende erklärte mit Schreiben vom 31. Oktober 2008, dem letzten Tag der Probezeit, die Kündigung. Das Schreiben war gerichtet an den Azubi, gesetzlich vertreten durch die Eltern, und wurde durch Boten am selben Tag in den gemeinsamen Hausbriefkasten des Azubis und seiner an diesem Tag verreisten Eltern eingeworfen. Die Mutter erhielt vom Kündigungsschreiben nach ihrer Rückkehr am 3. oder 4. November 2008 tatsächlich Kenntnis. Erstmals mit einem Schreiben, welches beim Ausbildenden am 13. November 2008 einging, wies der Azubi die Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB zurück, weil der Kündigung keine Vollmachtsurkunde beigefügt war.

Mit seiner Kündigungsschutzklage begehrt der Azubi die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Ausbildungsverhältnisses.

Vor dem Bundesarbeitsgericht scheiterte der Azubi. In der Presserklärung (Nr. 91/11) bemerkt das Bundesarbeitsgericht, dass die Kündigung zu Recht gegenüber den Eltern des minderjährigen Azubis als dessen gesetzlichen Vertretern erklärt wurde und mit dem Einwurf in den gemeinsamen Briefkasten der Familie der Zugang der Kündigung bewirkt war. Die Ortsabwesenheit der Eltern stand dem Zugang nicht entgegen. Für den Zugang reichte es aus, dass das Schreiben in den Herrschaftsbereich der Eltern gelangt war und sie es unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen konnten.

Die Kündigung scheiterte auch nicht an der fehlenden Vollmachtsurkunde. Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls nicht mehr unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB.

Donnerstag, 8. Dezember 2011

fristlose Kündigung während Freistellung

Ist ein Arbeitnehmer nach einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung für die Zeit des Bestandes des Arbeitsverhältnisses von der Erbringung seiner Arbeitspflichten unter Gewährung der Vergütung freigestellt, könnte dies einer weiteren fristlosen Kündigung entgegenstehen. Eine fristlose Kündigung (§ 626 BGB) setzt u.a. voraus, dass eine künftige Tätigkeit - bis zum "normalen" Ende des Arbeitsverhältnisses - den Parteien nicht zumutbar sei. Bei einer Freistellung, bei der ein Arbeitnehmer nicht mehr auf Arbeit erscheint, scheint dies kaum der Fall.

Und doch ist nach einer Entscheidung des LAG Frankfurt/Main (Pressemeldung 14/11) eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund während der Freistellungsphase möglich. Was war geschehen?

Ein bei einer Bank beschäftigter Firmenkundenbetreuer war seit April 2009 mit Prokura tätig. Am 16. Juni 2010 vereinbarten die Parteien die Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2010 und die Freistellung des Klägers ab 1. Juli 2010 bis 31. Dezember 2010 bei Fortzahlung der Bezüge.

Am 29./30. Juni 2010 übermittelte der Firmenkundenbetreuer insgesamt 94 E-mails mit ca. 622 MB in 1660 Dateianhängen an sein privates E-Mail Postfach bei einem anderen Internetanbieter. Dabei handelte es sich überwiegend um Daten, die dem Bankgeheimnis unterliegen, darunter Daten der vom Arbeitnehmer betreuten Kunden; Dokumente, in denen die einem Unternehmen eingeräumten Kreditlinien und in Anspruch genommenen Kredite aufgelistet werden; Risikoanalysen für diverse Unternehmen, Kreditverträge u.ä..

Der Arbeitnehmer hatte - nach seiner Einlassung - nicht die Absicht, die Daten an Dritte weitergeben zu wollen. Vielmehr wollte er die Daten während der Zeit der Freistellung nur zu Trainingszwecken verwenden (es muss doch gar ein rechter Schelm sein, der seinen fleissigen Arbeitnehmern etwas unlauteres bei einem solchen Vorgang unterstellen will - Achtung Ironie).

Die Bank erfuhr erst am 7. Juli 2010 durch ihre Datenschutzkommission von diesem Vorfall, mithin während der Freistellungsphase. Am 20. Juli 2010 kündigte die Bank das Arbeitsverhältnis fristlos.

Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage und hatte zunächst vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat das Urteil jedoch abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Richter waren der Ansicht, dass der Arbeitnehmer eine schwerwiegende Vertragsverletzung begangen habe, die die fristlose Kündigung auch in einem tatsächlich nicht mehr vollzogen Arbeitsverhältnis rechtfertige. Zwar komme es zur Begründung einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig auf die Prognose zukünftigen Verhaltens an. Hier stehe die fehlende Wiederholungsgefahr aber nicht entgegen. Der Arbeitnehmer habe das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Arbeitgeberin durch die Mitnahme geheim zu haltender Bankdaten so schwer erschüttert, dass ihr das Festhalten an dem Arbeitsverhältnis und die Fortzahlung der Bezüge bis Dezember 2010 nicht mehr zumutbar sei. Das Fehlverhalten des Arbeitnehmers habe ein nahezu gleich großes Gewicht wie eine strafbare Handlung zulasten des Arbeitgebers.

Fazit 1: Eine fristlose Kündigung während der Freistellung ist möglich.

Fazit 2: Bei Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sollte möglichst mit sofortiger Wirkung eine Freistellung erfolgen.

Fazit 3: Gegen die Wirksamkeit der Kündigung könnte neben der Prognose auch sprechen, dass noch kein Geheimnisverrat oder ein Wettbewerbsverstoß vorlag. Doch die Pflichtverletzung wird darin gelegen haben, die Daten in einen Bereich zu transferienen, der nicht der Obhut der Bank uterliegt.

Montag, 5. Dezember 2011

Eisgenuss sorgt für Verdruss

Nach getaner Arbeit auf dem Nachhauseweg ein Eis sich munden lassen - eine schöne Vorstellung.

Doch wenn es mal schnell gehen muss und es dann im Krankenhaus endet mit Verdacht auf einen Herzinfarkt, bleibt einem das Eis im Halse stecken.

Interessant ist dann die Frage, ob es sich hierbei um einen Arbeitsunfall handelt? Die Antwort findet sich auf sozialrecht-chemnitz.blogspot.com

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Sportlehrer in Gefahr

Was ist die Aufgabe eines Sportlehrers? Gehört dazu auch die Hilfestellung bei besonderen Übungen? Wohin die Antwort auf diese Fragen führen kann, zeigt ein Fall aus dem Arbeitsgerichtsleben, über welches der Kölner Stadtanzeiger heute berichtet.

Ein 58-jähriger verbeamtete Sportlehrer eines Erzbistums geriet "ins Gerede", weil er Schülerinnen bei Hilfestellungen zu sportlichen Übungen an den Oberschenkeln berührt haben soll.

Daraufhin erhielt er zunächst eine Abmahnung. Der Sportlehrer antworte mit einer Gegendarstellung, die zur Personalakte genommen wurde.

Später erhielt der Sportlehrer eine fristlose Kündigung, gegen welche er sich mit einer Kündigungsschutzklage wehrte.

Im Verfahren begründete das Erzbistum die Kündigung damit, dass der Sportlehrer in seiner Gegendarstellung jegliche Einsicht in das ihm vorgeworfene Fehlverhalten vermissen lasse und zudem der Sportlehtrer später mit seinen Schülerinnen über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gesprochen habe.

Allerdings lies sich das Erzbistum Zeit mit der Kündigung - zu lange, denn die Zweiwochenfrist des § 626 II Satz 1 BGB war bereits verstrichen.

Nachdem das Arbeitsgericht auf die für das Erzbistum missliche Rechtslage nebst fehlenden Tatsachennachweisen oder Indizien für den Vorfall hinwies, einigten sich die Parteien. Der Sportlehrer wird bis zum Ende des laufenden Schuljahrs bei vollen Bezügen vom Dienst freigestellt.

Mittwoch, 30. November 2011

KdU- Richtlinie in Mittelsachsen unwirksam?

Die Kosten einer Wohnung, welche von Sozialbehörden erstattet werden im Rahmen der Kosten der Unterkunft (= KdU) geben oft Anlass für Auseinandersetzungen - so auch in Mittelsachsen.

Auf eine - noch nicht rechtskräftige - Entscheidung des SG Chemnitz hin ist derzeit von einer Unwirksamkeit der Richtlinie auszugehen, da diese nicht den höchstrichterlichen Ansprüchen genügt und zudem vom Landkreis nicht konsequent umgesetzt wurde.

Mehr hierzu auf http://sozialrecht-chemnitz.blogspot.com

Dienstag, 29. November 2011

Schönheitsreparaturen und Jobcenter

Manchmal vertritt auch das Jobcenter die Auffassung, dass die in Mietverträgen weit verbreiteten Klauseln zur Abwälzung der Schönheitsreparaturen unwirksam seien und den Mieter nicht zur Vornahme verpflichten. Verlangt der leistungsberechtigte Mieter gleichwohl eine Übernahme der Kosten muss das Jobcenter besonderen Anforderungen genügen, om später eine Zahlungsverpflichtung verneinen zu können - mehr dazu auf http://sozialrecht-chemnitz.blogspot.com

Welcher Freibetrag gilt?

Eine nicht erwerbsfähige Bezieherin von ALG 2-Leistungen hat Einkommen erzielt. Die Sozialbehörde will den Freibetrag von 100,00 € nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II absetzen. Die Leistungsbezieherin will mehr Freibeträge anerkannt haben.

Das Bundessozialgericht entschied - zu Gunsten der Leistungsbezieherin.

Montag, 28. November 2011

Verbrennung ist kein gewöhnlicher Arbeitsunfall - zumindest wenn es Mord ist

Ein Koch, der von seiner Ehefrau in den 2 von ihr geführten Pizzerien beschäftigt war (54 Stunden wöchentlich bei einem Monatslohn von 360 EUR brutto), wurde 2009 auf der Rückfahrt vom Steuerberater mit Benzin übergossen und angezündet - vom gemeinsamen Sohn. Der Sohn stellte sich der Polizei und wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Witwe des getöteten Kochs verlangte vom Unfallversicherungsträger eine Witwenrente, weil sich doch das tödliche Geschehen auf der Rückfahrt vom Steuerberater zugetragen habe - also im Rahmen einer Tätigkeit, die unter Unfallversicherungsschutz stehe.

Die Richter des Landessozialgerichts (LSG) Stuttgart (Beschl. v. 22.11.2011, Az. L 2 U 5633/10) teilten diese Aufassung nicht. Dass der Sohn gerade die Fahrt zum Steuerberater dazu genutzt habe, seinen Vater umzubringen, sei reiner Zufall gewesen (Gelegenheitsursache). Zudem war die Witwe wohl nur Strohfrau für ihren Mann, der aufgrund Insovenz nicht selbst die Erlaubnis zum Betrieb der Pizzerien erhielt. Insoweit bestehen erhebliche Zweifel, dass der Koch tatsächlich unter dem gesetzlichen Versicherungsschutz gestanden habe.

Donnerstag, 24. November 2011

Überstunden für "Dienste höherer Art"

Überstunden und deren Vergütung tauchen als Probleme im Arbeitsleben immer wieder auf (wohl auch bei Anwälten), so dass auch die Rechtsprechung sich damit auseinandersetzen muss. Aus zwei Entscheidungen zum ein und denselben Sachverhalt ergeben sich interessante Rückschlüsse.

Sachverhalt:
Ein angestellter Anwalt hat über mehrere Jahre mehr Stunden gearbeitet, als vertraglich vereinbart war. Nachdem seine Hoffnung auf Partnerschaft enttäuscht wurde, endete das Arbeitsverhältnis und der Anwalt verlangte für 900 Überstunden Vergütung.

1. Entscheidung LAG Berlin (- 03.06.2010 - 15 Sa 166/10)
Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Klausel: "Durch die zu zahlende Bruttovergütung ist eine etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit abgegolten" ist unwirksam.

Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. Die Anordnung von Überstunden kann (auch) stillschweigend erfolgen nach folgenden drei Möglichkeiten:

- Zuweisung von Arbeit, welche in der regelmäßigen Arbeitszeit nicht erledigt werden kann oder
- der Arbeitgeber kennt die vom Arbeitnehmer geleistete Überstundenarbeit und ist damit einverstanden oder
- der Arbeitgeber duldet ihre Leistung.

Ein Duldung von Überstunden liegt vor, wenn der Arbeitgeber Arbeitsleistungen, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, entgegennimmt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Erbringung von Überstunden über mehrere Wochen erfolgt und der Arbeitgeber keinerlei ernstgemeinte organisatorischen Vorkehrungen trifft, um eine freiwillige Ableistung von Überstunden zu unterbinden. Eine Überschreitung der werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden nach § 16 Abs. 2 ArbZG ist aufzeichnungspflichtig, wobei diese Aufzeichnungen zwei Jahre aufzubewahren sind.

Damit hat das LAG Berlin dem Anwalt im wesentlichen eine Vergütung von Überstunden zugesprochen. Hiergegen ging die Arbeitgeberseite in Revision.

2. Entscheidung Bundesarbeitsgericht (- 17.8.2011 - 5 AZR 406/10)
Die Klausel im Arbeitsvertrag ist unwirksam (s.o.). Da somit keine wirksame Regelung zur Vergütung von Überstunden besteht, kann sich ein solcher Anspruch nur aus § 612 BGB ergeben. Hiernach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung wird zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es jedoch gerade bei Diensten höherer Art nicht.

Damit schmetterte das Bundesarbeitsgericht das Vergütungsbegehren des klagenden Anwaltes ab.

Fazit: Angestellte Anwälte können sich bezüglich Überstundenvergütung nicht auf die "übliche Vergütung" berufen, da sie Dienste "höherer Art" leisten. Für die meisten Arbeitnehmer gelten jedoch die Ausführungen des LAG Berlin.

Dienstag, 22. November 2011

Neues zur Urlaubsabgeltung vom EUGH

Der EuGH (22.11.2011 - C‑214/10) hat entschieden, dass durch eine nationale Regelung die Möglichkeit der Ansammlung von nicht genommenem Jahresurlaub, der während der Arbeitsunfähigkeit erworben wurde, zeitlich begrenzt werden kann. Die zugehörige Pressemitteilung findet sich hier.

Damit wird die Vorlagefrage des LAG Hamm vom 15.04.2010 (16 Sa 1176/09) beantwortet.

Der Arbeitnehmer war seit 2002 arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Aufhebungsvertrag zum 31.08.2008. Am 18.03.2009 erhob der Kläger Klage und verlangte Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006 bis 2008.

Sein Arbeitgeber vertrat u.a. die Auffassung, dass die Urlaubsabgeltungsansprüche aufgrund Ausgleichsklausel im Aufhebungsvertrag oder zumindest nach den Regelungen im Tarifvertrag ("Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde oder dass Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte. Konnte der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden, erlischt der Urlaubsanspruch 12 Monate nach Ablauf des Zeitraums nach Abs. 2.") erloschen seien.

Das LAG Hamm ging davon aus, dass weder der Aufhebungsvertrag noch die Tarifregelungen den Urlaubsabgeltungszeitraum wirksam zeitlich begrenzten, sondern das die europarechtlichen Regelungen der Richtlinie 2003/88/EG unter Berücksichtigung des Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation durch Auslegung eine Zeitgrenze von 18 Monaten vorsehe.

Der EUGH nun kommt in seiner Entscheidung zu der Auffassung, dass bereits der Tarifvertrag mit seinen Bestimmungen zum Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruches führte und zwar bereits nach (3 + 12) 15 Monaten. Wichtig ist allein, dass ein

"Übertragungszeitraum ... die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten"

(Rz. 38) muss, mithin länger als 1 Jahr sein muss.

Daraus ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass eine Regelung zum Verfall eines Mindesturlaubsanspruch von 4 Kalenderwochen im Kalenderjahr zumindest eine Frist von (deutlich) mehr als 12 Monaten vorsehen muss, um wirksam die Ansprüche der Arbeitnehmer zu begrenzen.

Auf der Flucht ...

... hat der Flüchtende oft Geldsorgen. Das gilt auch im Arbeitsrecht.

Ein Kranführer entzog sich der vom Arbeitgeber angeordneten betriebsärztlichen Untersuchung und meinte, dass er kerngesund sei. Daraufhin stellte der Arbeitgeber den Kranführer von der Erbringung seiner Arbeitsleistung frei und behielt dessen Vergütung ein.

Der Kranfahrer wandte sich hiergegen und klagte vor dem ArbG Frankfurt/Main. Dieses entschied (7 Ca 1552/11) zu Gunsten des Arbeitgebers.

Arbeitnehmer mit verantwortungsvollen Tätigkeiten müssen sich auf Anordnung der Firma regelmäßigen ärztlichen Kontrollen unterziehen. Es gehe bei den Untersuchungen nicht nur um sichtbare Krankheiten, sondern auch um versteckte Beschwerden wie Diabetes, die schwerwiegende Auswirkungen auf die Arbeitsleistung haben könnten. Verweigere ein Mitarbeiter derartige Untersuchungen, dürfe ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer daher freistellen und das Gehalt sperren.

Montag, 21. November 2011

Der Weg zur Arbeitstelle ist nicht versichert

... insbesondere dann nicht, wenn es sich um den Rückweg von einem in der Arbeitspause angeschautem Fussballspiel geht.

Dabei kann das Spiel auch im Fernsehen oder Internet nachträglich angeschaut werden, hoffentlich ohne Unfall.

die Geschäftsverteilungspläne der sächsischen Arbeitsgerichte

Wer möchte nicht schon vor einem Termin wissen, auf welche Richterpersönlichkeit sich die Parteien einstellen wollen/sollen/müssen. Einen ersten Überblick zu den Berufsrichtern geben die Geschäftsverteilungspläne der Arbeitsgerichte. Wir haben nachstehend die Seiten für Sachsen zusammengefasst, auf den sich die Geschäftsverteilungspläne der Sächsischen Arbeitsgerichtsbarkeit abrufen lassen.

Arbeitsgericht Chemnitz,
Arbeitsgericht Zwickau,
Arbeitsgericht Dresden,
Arbeitsgericht Leipzig,
Arbeitsgericht Bautzen,
Sächsisches LAG (Chemnitz)

Freitag, 18. November 2011

freiwillig Krankenversicherte leiden trotz Unwirksamkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze

Derzeit wird vor den Sozialgerichten ein Streit um die Wirksamkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze der gesetzlichen Krankenkassen für freiwillig Versicherte ausgetragen. Ein Punkt ist dabei die Wirksamkeit und Anwendbarkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze.

Krankenversicherte bezweifeln dies und berufen sich auf eine Entscheidung des SG München. Sie begehren eine Zahlung der Mindestbeiträge und nicht der Höchstbeträge

Nun meint auch das Sächsische LSG, dass die Beitragsverfahrensgrundsätze unwirksam sind. Aber dies führt nicht zu dem vom Krankenversicherten gewünschten Ergebnis. Vielmehr geht das LSG davon aus, dass die Höchstsätze anzusetzen sind, da den Krankenversicherten der Nachweis niedrigerer Einnahmen abgeschnitten sei. So heißt es auszugsweise in der Entscheidung vom 07.11.2011 (L 1 KR 173/10 B ER):

"Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind, soweit sie im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen, mithin soweit darin die Bemessung der Beiträge freiwilliger Mitglieder geregelt wird, zu Unrecht durch den Vorstand des GKV-Spitzenverbandes und nicht durch dessen Verwaltungsrat erlassen worden. ... Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Ermächtigung des GKV-Spitzenverbandes zur Regelung der Bemessungsgrundlagen teilt der Senat nicht. ... Die Unwirksamkeit der Regelungen über die Bemessungsgrundlagen hat nicht zur Folge, dass freiwillige Mitglieder keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung zu zahlen haben. ... Ist das freiwillige Mitglied hauptberuflich selbständig erwerbstätig, gilt von Gesetzes wegen als beitragspflichtige Einnahmen sogar kalendertäglich 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Variante 1 SGB V). Niedrigere als die sich hieraus ergebenden Höchstbeiträge schuldet ein hauptberuflich selbständiges freiwilliges Mitglied nur dann, wenn es niedrigere Einnahmen nachweisen kann (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Variante 2 und 3, Satz 3 und 4 SGB V). Dieser Nachweis setzt allerdings eine wirksame Regelung über die Bemessungsgrundlagen durch den dazu vom Gesetzgeber in § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V ermächtigten GKV-Spitzenverband voraus. Denn nur wenn wirksam geregelt ist, welche Einnahmen beitragspflichtig sind, kann festgestellt werden, über welche beitragspflichtigen Einnahmen das Mitglied verfügt. Fehlt eine solche Regelung ist freiwilligen Mitgliedern, die – wie der Antragsteller – hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, der Nachweis niedrigerer Einnahmen abgeschnitten und es bleibt dabei, dass bei ihnen beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen sind. ..."


Damit sind hauptberuflich Selbständige mit freiwilliger Krankenversicherung bestraft, weil sie nach dieser Entscheidung die Höchstsätze zahlen müssten, und das nur, weil die GKV keine wirksamen Beitragsverfahrensgrundsätze verabschiedet hat.

Irgendwie will nicht in meinen Kopf, dass das rechtens sein soll.

Studenten sind anders

... und können deshalb anders behandelt werden.

Ein Student und Mitglied der Gerwerkschaft ver.di war seit Jahren auf einem Großflughafen auf der Grundlage eines Aushilfsarbeitsvertrages tätig. Die konkreten Arbeitszeiten richteten sich nach dem Bedarf. Der Flughafenbetreiber als Arbeitgeber ist im kommunalen Arbeitgeberverband organisiert, so dass er an die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst im Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD) tarifgebunden ist.

Dennoch wurde der TVöD nicht auf das mit dem Studenten bestehende Arbeitsverhältnis angewandt. Der Student begehrte dies aber, gab es doch dadurch mehr Geld und weitere Vergünstigungen. Der Arbeitgeber lehnte dies ab mit dem Hinweis auf einen abweichenden Haustarifvertrag für studentische aushilfsweise Beschäftigte, der abweichende Arbeitsbedingungen vorsah.

Zunächst wandte sich der Student gegen den Abschluss des Haustarifvertrages innerhalb der Gewerkschaft mittels Beschwerde - erfolgreich.

Der Student klagte sodann auf Feststellung, dass auf seine Tätigkeit der TVöD-F Anwendung finde. Die Klage blieb erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 16. November 2011 - 4 AZR 856/09) entschied, dass der Haustarifvertrag gelte. Die Formalien seien eingehalten (Unterschrift eines zum Tareiabschluss Vertretungsbefugten liegt vor). Mögliche Mängel bei der innerverbandlichen Willensbildung in der Gewerkschaft führen nicht zur Unwirksamkeit des Vereinbarten. Der Haustarifvertrag verdrängt deshalb den TVöD-F.

Nicht entschieden wurde, ob in einzelnen Bestimmungen des Haustarifvertrages gegen Gleichbehandlungsgebote oder Diskriminierungsverbote verstoßen wird und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergäben.

Fazit: Studenten sind nicht andere Menschen, aber andere Arbeitnehmer.

Donnerstag, 17. November 2011

Masturbation im Klassenzimmer führt zur Entlassung

Ja, sie haben richtig gelesen - Masturbation im Klassenzimmer. Und es kommt noch besser, es geschah während des Algebra-Unterrichts.

Ein Schüler entdeckte den 75 - jährigen Lehrer dabei. Die Schule entließ ihn.

Nach dem Artikel auf spiegel-online.de habe der umtriebige Lehrer gestanden, bereits mehrfach während des Unterrichts masturbiert zu haben. Allerdings besteht nach Aussage des Anwaltes daran ein erheblicher Zweifel, da der doch ältere Lehrer wohl verwirrt und dement sei.

Fazit: Nicht zur Nachahmung empfohlen!

Eine wirksame Unterrichtung zum Betriebsübergang - (un)möglich?

Nach § 613 a BGB bestehen weitreichende Schutzrechte für Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang, so unter anderem das Recht auf Information zum Betriebsübergang und dessen Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis in einem sogenannten Unterichtungsschreiben. Genügt dieses Unterrichtungsschreiben den gesetzlichen Anforderungen, setzt der Zugang den Lauf der Frist für ein Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers in Gang.

Unter Rechtsanwälten ist oft die Auffassung zu hören, dass ein solches Unterrichtungsschreiben - welches den Anforderungen des Gesetzes und der Rechtsprechung genüge - schier unmöglich sei.

Nun, das Bundesarbeitsgericht widerspricht dieser Auffassung mit seiner Entscheidung vom 10. November 2011 (8 AZR 277/10) und erkannte das dort streitgegenständliche Unterrichtungsschreiben als ausreichend an.

Es geht also doch!

Pflegezeit gibt es nur einmal und kann nicht aufgeteilt werden

Ein Arbeitnehmer dachte bei sich, dass er zur Pflege seiner Mutter bei seinem Arbeitgeber für ein paar Tage Pfegezeit beantragen könne und spätere weitere Pflegetage verlangen könne bis zur Höchstdauer von insgesamt 6 Monaten. Weil der Arbeitgeber ihm zwar die erste Pflegezeit gewährte, jedoch die zweite verwehrte, musste letztlich das Bundesarbeitsgericht darüber entscheiden.

Das BAG führte in seiner Pressemitteilung 87/11 aus:

"§ 3 Abs. 1 PflegeZG gibt dem Arbeitnehmer ein einmaliges Gestaltungsrecht, das er durch die Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber, Pflegezeit zu nehmen, ausübt. Mit der erstmaligen Inanspruchnahme von Pflegezeit ist dieses Recht erloschen. Dies gilt selbst dann, wenn die genommene Pflegezeit die Höchstdauer von sechs Monaten unterschreitet."

Der Gesamteindruck zählt

Im Arbeitsrecht besteht bei Arbeitszeugnissen viel Unsicherheit - auf allen Seiten. Was ist eine gute und was eine nur gut klingende Formulierung - daran scheiden sich oft die Geister. Nun durfte wieder einmal das Bundesarbeitsgericht über eine Zeugnisformlierung entscheiden. Die im Streit stehende Formulierung lautete:

„Wir haben den Kläger als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Der Kläger war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“

Der Arbeitnehmer meinte, dass die Verwendung von "kennen gelernt" das Gegenteil des zuvor Ausgeführten meine.

Das BAG (15. November 2011 - 9 AZR 386/10) schloss sich dieser Auslegung nicht an. Nach dem Gesamteindruck könne ein "objektiver Empfänger" die verwendete Formulierung nicht aus Ausdruck der Verkehrung auffassen.

Leben Gerichtsvollzieher gefährlich?

Es ist sicherlich vorstellbar, dass Gerichtsvollzieher in heikle Situationen geraten können in Ausübung ihres Auftrages, schließlich ist nicht jeder Schuldner über diesen meist ungebetenen Besuch erfreut. Ein Gerichtsvollzieher aus dem "friedlichen" (?) Bundesland Baden-Württemberg wollte sich in solch heiklen Situationen gewappnet sehen und begehrte die Erteilung der Erlaubnis zum Führen einer Waffe. Nachdem die Behörde dies ablehnte klagte er vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Dieses führte in seiner Entscheidung vom 20.09.2011 (5 K 521/10) aus, dass Gerichtsvollzieher keinem höheren Risiko als die Allgemeinheit unterliegen und es deshalb kein Bedürfnis für das Führen einer Waffe bestünde.

Interessant ist natürlich auch der Gedanke des Gerichtes, dass der Gerichtsvollzieher das Führen einer Waffe auch dazu nutzen könnte, den Schuldner zur Leistung zu "nötigen".

Mittwoch, 9. November 2011

Auf auf zum Bundesarbeitsgericht - Urlaubsabgeltungsansprüche verzichtbar?

Wir berichteten schon in verschiedenen Artikeln über die Frage, ob auf Urlaubsabgeltungsansprüche wirksam verzichtet werden kann, z.B. hier.

Gegen das klagestattgebende Berufungsurteil des Sächsischen LAG wurde Beschwerde auf Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt. Nun liegt der Beschluss in der Sache 9 AZN 1015/11 vor.

Die Revision wird zugelassen. Damit wird das Bundesarbeitsgericht über folgende Frage zu entscheiden haben:

"Ist ein nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossener Vertrag zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer wirksam, durch den der Arbeitnehmer auf die Abgeltung seines Anspruchs verzichtet?"

Doch jetzt muss erst einmal die Arbeitgeberseite die Revision begründen und hat dafür 2 Monate Zeit.

Dienstag, 8. November 2011

das Wort "entspricht" und dessen Bedeutung - Zeugnis und Vollstreckung

Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf ein Zeugnis nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 109 GewO). Einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Rahmen eines Vergleiches auf ein Zeugnis, stellt sich die Frage, wie dieses zwangsweise durchgesetzt werden kann. Nun war auch das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 9.9.2011, 3 AZB 35/11) mit einem solchen Sachverhalt befasst.

In einem Verfahren zu einer Kündigungsschutzklage einigten sich die Parteien und vereinbarten hinsichtlich eines Zeugnisses folgendes:

„Die Beklagte erstellt zugunsten des Klägers ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der dortigen Beschäftigung des Klägers seit dem Jahre 1987 entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf, der innerhalb eines angemessenen Zeitraumes von zwei Wochen ab Überlassung des Entwurfes auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 04.05.2010 ausgefertigt, von dem Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet und als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht wird."

Daraufhin übersendet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein Zeugnisentwurf. Der Arbeitgeber erteilt ein Zeugnis, das jedoch in der Tätigkeitsbeschreibung sowie in der Bewertung von Leistung und Verhalten vom Entwurf des Arbeitnehmers zu dessen Unzufriedenheit abweicht.

Der Arbeitnehmer betrieb nun die Zwangsvollstreckung (§ 888 ZPO), mit der Androhung eines Zwangsgeldes von bis zu 25.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu sechs Monaten. Der Arbeitgeber hingegen vertrat die Auffassung, dass der Zeugnisentwurf nicht der Wahrheit entsprach und lehnte weiterhin eine Änderung seines Zeugnisses ab.

Das BAG stellte fest, dass der vorstehende Vergleichstext bestimmt genug ist und einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist. Weiter führt das Bundesarbeitsgericht aus:

"Mit der Wendung „entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf“ haben die Parteien jedoch eine wesentliche Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zum Zeugnisanspruch nach § 109 GewO vereinbart. Die Parteien haben damit die Formulierungshoheit der Beklagten als vormaliger Arbeitgeberin maßgeblich eingeschränkt, indem sie die Formulierungshoheit auf den Kläger übertragen haben. Es liegt damit beim Kläger darüber zu entscheiden, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will. Allerdings muss auch die vom Kläger vorzuschlagende Formulierung des Zeugnisses die Grenze der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit berücksichtigen (vgl. BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 20 ff., BAGE 127, 232), wie es die Parteien im Vergleich auch vereinbart haben."

Darüber hinaus ergebe sich aus dem Vergleichstext nicht, dass der Arbeitgeber den Vorschlag des Arbeitnehmers ungeprüft und ohne jede Änderung zu übernehmen habe, vielmehr hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob der vorgelegte Zeugnisentwurf den in § 109 GewO bestimmten Grundsätzen entspricht. Die Verpflichtung zur Erstellung eines dem Entwurf „entsprechenden“ Zeugnisses ermöglicht es dem Arbeitgeber, den Entwurf anzupassen.

Das Wort "entspricht" erfordert nicht, dass der Zeugnisentwurf Wort für Wort zu übernehmen ist. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Grammatik-, Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler zu übernehmen.

Im übrigen stellt das BAG fest, dass das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht dazu führen kann, dass der Arbeitgeber ein Zeugnis erteilen muss, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt. Ob das vom Arbeitnehmer begehrte Zeugnis dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspricht, kann nicht im Vollstreckungsverfahren geklärt werden, sondern nur im Wege eines neuen Gerichtsverfahrens nach Klageerhebung.

Montag, 7. November 2011

Rechtsberatung bei Rechtsantragsstelle an Arbeitsgerichten?

Viele Arbeitnehmer scheuen den Weg zu Anwälten und sind auch nicht Mitglied von Gewerkschaften. Vor den Arbeitsgerichten 1. Instanz besteht auch kein Anwaltszwang. Doch bevor ein Arbeitnehmer sich selber über Stunden bei der Erstellung einer Klageschrift quält, wenden sich einige an die Rechtsantragsstelle bei Gericht (in Chemnitz, Zwickau, Dresden, Leipzig, Bautzen und Görlitz). Oft erwarten Sie dort - irrtümlich - auch Rechtsberatung.

Das selbst Rechtspfleger und Richter meinen, Arbeitnehmer zur Wahrnehmung ihrer Rechte an die Rechtsantragsstelle verweisen zu können und dabei Prozesskostenhilfe verweigern, ist schon neu und glücklicherweise unzulässig, wie das LAG Köln am 05.09.2011 (Az.: 7 Ta 200/11) feststellte.

Ein Arbeitnehmer verlangte Lohnzahlung. Arbeitgeber lehnte dies ab mit der Begründung, aufgrund Erkrankung bekomme er keinen Lohn sondern Krankengeld. Dies war zu diesem Zeitpunkt falsch, weshalb der Arbeitnehmer Prozesskostenhilfe mit Beiordnung eines Anwaltes beantragte. Das Gericht lehnte die Gewährung von Prozesskostenhilfe ab und verwies den Arbeitnehmer auf die Rechtsantragsstelle. Auf Beschwerde hin stellte das LAG Köln klar:

"Wie schon aus dem Namen Rechtsantragsstelle hervorgeht, besteht die Aufgabe der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts darin, einer Partei, die ihr Recht mit Hilfe des Arbeitsgerichts durchsetzen will, Hinweise zur richtigen Antragstellung zu geben sowie bei Antragstellung und Antragsbegründung Formulierungshilfe zu leisten. Dagegen liegt es weder in der Zuständigkeit noch in der Kompetenz der Rechtsantragsstelle, Rechtsberatung im eigentlichen Sinne zu leisten."

Donnerstag, 3. November 2011

heimliche Filmaufnahmen auf Damentoilette

Ein Arbeitnehmer eines Krefelder Elektro-Großhandelsbetrieb wurde fristlos gekündigt wegen heimlicher Filmaufnahmen auf der Damentoilette. Vor Gericht kam es zu einem Vergleich, wonach die fristlose Kündigung obsolet wurde. Was war passiert?

Im Dezember 2010 fanden Mitarbeiterinnen beim Aufsuchen der Damentoilette im Betrieb eine Minikamera vor, die unter dem links vor der Toilettenschüssel angebrachten Waschbecken mit Klebeband befestigt und auf den Toilettensitz ausgerichtet war. Die Kamera wurde für einen kurzen Zeitraum abgenommen und in Augenschein genommen. Danach wurde sie wieder an dem Waschbecken angebracht und eine Mitarbeiterin beauftragt, den Eingangsbereich der Damentoilette im Auge zu behalten, um gegebenenfalls den Täter überführen zu können. Kurze Zeit später wurde jedoch festgestellt, dass die Kamera von dem Waschbecken entfernt worden war, ohne dass ein Täter hierbei beobachtet worden wäre.

Aufgrund einer Strafanzeige der Beklagten nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Diese führten zur Beschuldigung des - später gekündigten - Arbeitnehmers.

Im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen wurde festgestellt, dass der Kläger über Ebay insgesamt 6 Minikameras erworben hatte unter Nutzung eines Pseudonyms mit eindeutiger sexueller Ausrichtung. Im Rahmen einer Hausdurchsuchung wurde zudem eine bereits gelöschte Videoaufzeichnung rekonstruiert, die eine Szene auf der Gästetoilette des Arbeitnehmers wiedergab. Videoaufzeichnungen von der Damentoilette des Betriebes der Beklagten konnten allerdings nicht sichergestellt oder rekonstruiert werden.

Nachdem der Anwalt des Arbeitgebers Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft genommen hatte, der Arbeitnehmer am 21.06.2011 zu dem Verdacht angehört worden war und eine Stellungnahme abgelehnt hatte, erfolgte noch am selben Tag die fristlose Kündigung.

Der Kläger bestreitet, zu irgendeinem Zeitpunkt eine Kamera in einer Damentoilette installiert zu haben. Der Sachverhalt sei dubios und es seien keine hinreichenden Verdachtsmomente für einen dringenden Tatverdacht gegen den Kläger vorhanden. Weder sei eine Kamera letztlich sichergestellt worden, noch existierten Bilddateien, die den Kläger belasten könnten. Zudem sei keine ordnungsgemäße Anhörung des Klägers vor Ausspruch der Kündigung erfolgt.

In dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren habe schließlich auch das Amtsgericht Krefeld zwischenzeitlich den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung eines Hauptverfahrens abgelehnt.

Soweit zunächst die ausführliche Pressemitteilung des Krefelder Arbeitsgerichtes.

In der Verhandlung selbst soll das Arbeitsgericht Zweifel an einer ordnungsgemäß durchgeführten Anhörung geäussert haben, welche bei einer Verdachtskündigung erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Vergleichsabschluß, der wohl beiden Seiten lieber ist als eine weitere - medial begleitete - Verhandlung.

Ach ja, nach dem Vergleich bekommt der Arbeitnehmer auch ein Zeugnis mit der Bewertung "gut".

Dienstag, 1. November 2011

Aufhebungsvertrag ohne päpstlichen Segen führt zu Sperrzeit

Unter einem Pseudonym - welches kein Gutes war - veröfftlichte eine Arbeitnehmer eines in kirchlicher Trägerschaft stehenden Krankenhauses Äusserungen über den Papst. Während der Arbeitgeber, welcher herausbekam, wer hinter dem Pseudonym stand, eine unwürdige Verunglimpfung des Papstes in den Äusserungen sah, behauptete der Arbeitnehmer, dass es sich um Satire gehandelt habe.

In jedem Fall war eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich und um einer fristlosen Kündigung zuvor zu kommen, schloss der Arbeitnehmer einer Aufhebungsvertrag.

Auf der Agentur für Arbeit erhielt er eine Sperrzeit von 12 Wochen. Damit war er nicht zufrieden und meinte, dass ihm ein wichtiger Grund zur Seite stünde, der eine Sperrzeit entfallen lasse.

Das LSG Baden-Württemberg sah dies jedoch nicht so und wies mit Urteil vom 21. Oktober 2011, Az. L 12 AL 2879/09, die Klage zurück. In der Pressemitteilung hierzu heißt es:

"Der Kläger habe sich wegen seiner Tätigkeit in einer kirchlichen Einrichtung auch außerdienstlich so zu verhalten, dass kein Widerspruch zu der Grundsätzen des Beschäftigungsbetriebs entstehe. Durch polemische und auf niedrigem Niveau angesiedelte Äußerungen gegen den Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche habe der Kläger die katholische Kirche selbst angegriffen und seine Loyalitätsobliegenheiten nachhaltig verletzt. Die Veröffentlichung unter einem Pseudonym ändere daran nichts, da der Kläger als Autor identifizierbar gewesen sei. Einer vorherigen Abmahnung durch den Arbeitgeber habe es nicht bedurft, da das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und dem Arbeitgeber durch sein gravierendes Fehlverhalten dauerhaft zerstört war."

Montag, 31. Oktober 2011

Wenn dem Mieter nicht warm ums Herz wird ...

... und dies auf eine defekte oder veraltete Heizung zurückzuführen ist, sollte der Mieter - statt zu frieren - sich um seine Rechte kümmern und deren Durchsetzung. Erste Infos gibt es z.B. auf mietrechtchemnitz.blogspot.com

Freitag, 28. Oktober 2011

Erbschein in 24 Stunden

Nach einem Todesfall sich mit Formalitäten rumzuschlagen ist anstrengend und mühselig. Eine Vereinfachung bietet nun das Angebot des Amtsgerichtes Landstuhl. Hier wird kurz und knapp dargestellt, welche Unterlagen für die Erteilung eines Erbscheines benötigt werden und zugesagt, dass bei Vorlage aller dieser Unterlagen der Erbschein innerhalb 24 Stunden ausgehändigt wird.

Ob sich das bei allen Gerichten durchsetzen wird? Sinnvoll wäre dies sicherlich auch bei Arbeitsgerichten für die Fälle, in denen Arbeitnehmer ihre Klagen an der Rechtsantragsstelle selbst vortragen und aufnehmen lassen.

Donnerstag, 27. Oktober 2011

richten über Richter und deren Beurteilung

Am Anfang eine Frage: Welche Beurteilung ist besser: "sehr gut geeignet" oder "besonders geeignet"?*

Genau diese Abstufungen in Beurteilungen eines Richters am BGH, der sich um eine Stelle als vorsitzender Richter bewarb, veranlasste das VG Karlsruhe (24.10.2011,
Az: 4 K 2146/11)
im Rahmen eines Konkurrentenstreitverfahrens mittels einstweiliger Verfügung zu einer Untersagung der Stellenbesetzung, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist.

Das VG Karlsruhe meinte, dass eine Verschlechterung der Beurteilung begründet werden muss und da dies nicht erfolgt sei, ist eben die endgültige Entscheidung über das Bewerbungsverfahren abzuwarten.

*"sehr gut geeignet" ist schlechter als "besonders geeignet"

Änderung der betrieblichen Altersvorsorge durch Betriebsvereinbarung

In vielen Unternehmen wurde die betriebliche Altersvorsorge durch Betriebsvereinbarungen geregelt. Im Laufe der Jahre ergeben sich dann und wann Änderungswünsche, welche durch nachträgliche Betriebsvereinbarungen in bestehende Altersvorsorgeregelungen eingreifen.

Das hierfür bestimmte Voraussetzungen einzuhalten sind dürfte selbstverständlich sein. Insbesondere sind die Grundsätze von Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz zu wahren. Das Arbeitsgericht Stuttgart (6. Oktober 2011, Az.: 17 Ca 2535/11) hat in einem Urteil die nachträgliche Betriebsvereinbarung und den damit verbundenen Eingriff in die Altersvorsorge für unwirksam erachtet und dem klagenden Ruhegeldempfänger mehr Betriebsrente zugesprochen.

Vor diesem Hintergrund ist klar, weshalb auch nach dem Ende des aktiven Arbeitslebens Anwälte maches Mal gebraucht werden, um Ansprüche aus dem früheren Arbeitsleben durchzusetzen.

Mittwoch, 26. Oktober 2011

weniger Beitrag für freiwillig Krankenversichterte

Viele scheuen den Gang zur privaten Krankenversicherung und sind bei der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert auf Basis des § 240 SGB V. Die Beiträge zur Krankenversicherung werden meist auf Basis der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" berechnet.

Oftmals gibt es Streit um die Höhe des Beitrages. Vor diesem Hintergrund sind zwei Entscheidungen beachtlich, welche die Verfahrensgrundsätze für nicht anwendbar halten und damit oft den Versicherten Recht geben. Es handelt sich dabei um Entscheidungen des SG München (Urteil vom 2.3.2010, Az. S 19 KR 873/09) und des Hessischen Landessozialgericht (21.02.2011, Az. L 1 KR 327/10 B ER)

Vor diesem Hintergrund sollten Zweifel bei der Beitragsberechnung mit einem Anwalt besprochen werden. Hilfreich können hierbei auch Musterbriefe sein.

Wenn Merkblätter der Agentur für Arbeit nicht weiterhelfen

Ein Arbeitsloser trug sich mit dem Gedanken, sich selbstständig zu machen und die Möglichkeit des Existenzgründungszuschusses und wandte sich hinsichtlich einer Beratung an die Agentur für Arbeit (AA). Der Mitarbeiter der AA wies den Arbeitslosen darauf hin, dass: "... der Antrag vor Ablauf der 90 Tage abgegeben werden müsse, nur noch ein Anspruchszeitraum von 100 + x Tagen vorhanden sei und sie schnellstmöglich den Antrag auf Gewährung eines Existenzgründungszuschusses stellen solle. Der Vermerk auf Anlage B 1 letzte Zeile bedeute, dass er die Kl. darauf hingewiesen habe, dass der Kunde nur gefördert werden könne, wenn vor Ablauf der 90 Tage noch alle Unterlagen vorgelegt werden."

Dieser Hinweis war jedoch falsch und entsprach nicht § 57 II SGB 3. Der Arbeitslose beantragte aus Sicht der AA zu spät den Existenzgründerzuschuss, weshalb die Gewährung abgelehnt wurde. Der Arbeitslose begehrte vor den Gerichten Schadensersatz wegen Falschberatung. Die AA meinte, dass die Informationen in den Merkblättern zutreffend waren und es deshalb auf die falsche Auskunft des Mitarbeiters nicht ankommt, weshalb dem Arbeitslosen kein Schadensersatzanspruch zustünde.

Das OLG München (Urt. v. 21. 4. 2011 − 1 U 133/11) gab dem Arbeitslosen Recht und führte in seinem Urteil aus:

"Die Bekl. bzw. ihre Mitarbeiter haben schuldhaft gegen ihre Verpflichtung, einem Ratsuchenden gesetzeskonforme Auskünfte zu geben, verstoßen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Kl. die Merkblätter ausgehändigt bekommen hat. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, stand die Darstellung in den Merkblättern im Widerspruch zu der von dem Zeugen R gegebenen Auskunft. Es ist nachvollziehbar, dass die Kl. sich nach der mündlichen Auskunft gerichtet hat. Es ist nicht Aufgabe eines Ratsuchenden, den Sachbearbeiter auf Widersprüche zwischen seinen Ausführungen und dem Inhalt der Merkblätter aufmerksam zu machen."

Aufhebungsvertrag und Sperrzeit

Viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer meinen, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu einer Sperrzeit bei dem Bezug von Arbeitslosengeld (ALG I) führe. Dies trifft jedoch nur unter besonderen Umständen zu.

Kurz ausgeführt bedürfte es für eine Kürzung der Sperrzeit:
- einer Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses
- einer Verkürzung der Kündigungsfrist
- einer Abfindung von mehr als 1/2 Bruttomonatsentgelte pro Beschäftigungsjahr

Eine Sperrzeit kommt auch dann nicht in Betracht, wenn ein wichtiger Grund für den Arbeitnehmer zur Auflösung bestand.

Das LAG Baden Würtemberg (Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 5078/10) musste einen solchen Sperrzeit-Streit entscheiden und kam zu folgenden Feststellungen.

1. Wenn im Aufhebungsvertrag keine Bezugnahme auf eine etwaige vorherige Kündigung erfolgt, gehen Parteien davon aus, dass die Kündigung gegenstandslos sein soll. Dann hat der Arbeitnehmer aber auch an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mitgewirkt (siehe oben Nr. 1).

2. Eine Sperrzeit kommt dennoch nicht in Betracht, weil ein wichtiger Grund (siehe oben Nr. 3) bestand, nämlich eine Kündigung nict nur drohte, sondern bereits vorlag

Fazit: Arbeitnehmer sollten in aller Regel Vorsicht walten lassen bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages und rechtzeitigen anwaltlichen Rat einholen.

Abfallbehälter im Zug als Toilette - ich fahre nicht auf Linie 9 in 1. Klasse

Neu eingesetzte Züge im Bahnverkehr sind modern und mit allem Schnickschnack ausgestattet - so auch die S-Bahn auf der Linie 9 zwischen Wuppertal und Haltern. Es fehlte nur - nun ja - eine Toilette.

Ein Fahrgast wandte sich in seiner dringenden (Bedürfnis-)Not an einen Bahnmitarbeiter, welcher auf den nächsten Halt verwies. Auf die freundliche Erwiderung des unter Druck stehenden Fahrgastes, dass er dem Druck so lange nicht mehr stand halten könne, verwies der Bahnmitarbeiter den Reisenden auf eine Entleerungsmöglichkeit in der 1. Klasse Abteilung. Der Reisende folgte dem Rat und erledigte sein Geschäft in der 1. Klasse in einem Abfallbehälter. Just in diesem Moment kommt ein anderer Bahnmitarbeiter und stellt den Reisenden zur Rede. Dieser entschuldigt sich damit, dass er nur den Rat des Bahnmitarbeiters folgte.

Nun erhielt der raterteilende Bahnmitarbeiter von seiner Arbeitgeberin ein Bußgeld von 100 € aufgebrummt. Das sah dieser nicht ein, immerhin habe es zu diesen Problemen keine Dienstanweisung gegeben und er konnte somit auch gegen keine Dienstanweisung verstoßen. Er erhob Einspruch.

Nun muss das VG Wuppertal entscheiden (wie die lto.de berichtet) und ich weiss, dass ich gaaaaanz bestimmt nie auf der Linie 9 von Wuppertal nach Haltern in der 1. Klasse-Abteilung fahren werde.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Krankengeld nach Ende des Arbeitsverhältnisses

... gibt es auch dann, wenn das Krankenversicherungsverhältnis mit dem letzten Arbeitstag endet und der Arbeitnehmer an diesem letzten Tag erkrankt.

Eigentlich meinen Krankenversicherungen, dass nach der gesetzlichen Regelung ein Anspruch auf Krankengeld erst nach dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit entstehe und eine Versicherung mit Krankengeldanspruch nur während der versicherungspflichtigen Beschäftigung bestehe. Hiernach könnte eine erst am letzten Tag der Beschäftigung festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht zu einem Krankengeldanspruch führen.

Das sieht das LSG NRW anders und begründet dies in seiner Entscheidung (Urteil vom 14.7.2011 – Aktenzeichen L 16 KR 73/10) damit, dass es ausreichend ist, wenn die Arbeitsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt festgestellt worden ist, an dem noch die Versicherung mit Krankengeldanspruch bestanden hat und sich dann der Krankengeldanspruch nahtlos an das beendete Arbeitsverhältnis anschließt.

Darüber hinaus hat das LSG NRW entschieden, dass die Krankenkasse den Versicherten darauf hinweisen muss, dass er bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Tag des Zeitraums, für den der Arzt Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hat, die weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit durch den Arzt feststellen lassen muss. Versäumt die Kasse diesen Hinweis, ist es unschädlich, wenn der Versicherte erst einen Tag später den Arzt aufsucht und deshalb kein lückenloser Krankengeldanspruch besteht.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wurde die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Die Revision ist auch eingelegt worden (Aktenzeichen des Bundessozialgerichts B 1 KR 19/11 R), das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.

Montag, 24. Oktober 2011

Weihnachtsgeld und Freiwilligkeit

Ein Arbeitgeber hatte viele Jahre lang Weihnachtsgeld an seine Arbeitnehmer gezahlt, im November 2005 aber erstmals darauf hingewiesen, dass die Zahlung freiwillig erfolge, so dass er sie jederzeit einstellen könne. Ab 2009 zahlte der Arbeitgeber dann tatsächlich kein Weihnachtsgeld mehr und begründete dies mit der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens.

Ein Arbeitnehmer klagte auf Zahlung des Weihnachtsgeldes und erhielt vor dem LAG Rheinland-Pfalz Recht.

Wenn Arbeitnehmer jahrelang Weihnachtsgeld ohne Vorbehalt bekommen haben, besteht ein Zahlungsanspruch fort, auch wenn bei den letzten Zahlungen darauf hingewiesen wurde, dass die Auszahlung freiwillig erfolgt.

Mit der mehrmaligen Auszahlung ohne jeden Vorbehalt ist eine so genannte betriebliche Übung entstanden, die der Arbeitgeber nicht einseitig, sondern nur mit Zustimmung des Mitarbeiters wieder einkassieren kann (Urt. v. 07.04.2011, Az. 5 Sa 604/10).

Ein Anspruch auf betriebliche Übung besteht bereits bei dreimaliger vorbehaltloser Zahlung des Weihnachtsgelds.

Freitag, 21. Oktober 2011

Wenn Kinder krank sind ...

... fragen sich Eltern mitunter, welche Rechte Ihne zustehen im Arbeitsverhältnis. Eine lesenswerte Übersicht zu den Rechten und Pflichten im Arbeitsverhältnis, wenn Eltern kranke Kinder pflegen, findet sich auf einem Artikel von handelsblatt.com vom 20.10.2011

Taktikspielchen mit Prozeßkostenhilfe

Anwälte haben immer das Interesse der Mandanten von Ihren Augen, doch manches Mal ist die Sicht durch eigene finanzielle Interessen getrübt.

Eine Arbeitnehmerin verfolgt zusammen mit Ihrem Anwalt im Rahmen gewährter Prozesskostenhilfe Zahlungsansprüche (Vergütung) aus einem Arbeitsverhältnis. Zunächst ging es um die Monate Oktober 2009 bis April 2010. Am 2. Juni 2010 ging ihr die fristlose Kündigung vom 28.05.2010 zu. Mit Schriftsätzen vom 10. Juni bzw. 5. Juli 2010 erweiterte sie die Zahlungsklage um die Monate Mai und Juni 2010.

Am 10.06.2010 erhob die Arbeitnehmerin - seperat - Kündigungsschutzklage und begehrte hierfür Prozesskostenhilfe. Die Prozesskostenhilfe wurde abgelehnt.

Die Gründe hierfür finden sich in den Entscheidungsgründen des BAG (Beschluss vom 8.9.2011, 3 AZB 46/10)
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"Die Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin war mutwillig iSv. § 114 Satz 1 ZPO, da sie ihre Kündigungsschutzklage in einem gesonderten Verfahren erhoben und nicht die bereits anhängige Zahlungsklage erweitert hat. ... Während die hinreichende Aussicht auf Erfolg die materielle Begründetheit des Anspruchs betrifft, wird von der Frage der Mutwilligkeit in erster Linie die verfahrensmäßige Geltendmachung des Anspruchs erfasst. ... Mutwillig ist in der Regel eine Rechtsverfolgung, wenn eine wirtschaftlich leistungsfähige, also nicht bedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage von ihr Abstand nehmen oder ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde, weil ihr ein kostengünstigerer Weg offensteht und dieser Weg ebenso erfolgversprechend ist. Eine Mutwilligkeit in diesem Sinne liegt deshalb regelmäßig vor, wenn eine Partei keine nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorbringt, warum sie ihre Ansprüche nicht in einer Klage, sondern im Wege die Kosten der Rechtsverfolgung erhöhender Teilklagen geltend macht oder nicht plausibel erklärt, aus welchen Gründen sie einen neuen Prozess anstrengt, obwohl sie das gleiche Klageziel wegen der degressiven Kosten- und Gebührentabellen kostengünstiger im Wege der Erweiterung einer bereits anhängigen Klage hätte erreichen können (vgl. BAG 17. Februar 2011 - 6 AZB 3/11 - Rn. 9 mwN, NZA 2011, 422). ...

Hätte ... eine bemittelte Partei, die vernünftig abwägt und die möglichen Kostenfolgen berücksichtigt, begründeten Anlass gehabt, ein gesondertes Verfahren anhängig zu machen statt eine bereits anhängige Klage zu erweitern, ist diese Möglichkeit auch der unbemittelten Partei zu eröffnen. Dabei können sich insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Rechtsverfolgung sachliche Gründe ergeben, eine gesonderte Klage zu erheben statt eine bereits anhängige Klage zu erweitern. In der Regel wird die Vermeidung der Überfrachtung eines Verfahrens durch eine Vielzahl inhaltlich nicht miteinander zusammenhängender Streitgegenstände berechtigten Anlass geben, eine gesonderte Klage zu erheben. Die Gefahr einer sonstigen Überlastung des Rechtsstreits kann ebenfalls dafür sprechen, mehrere Rechtsstreitigkeiten anhängig zu machen. So wird es oft liegen, wenn die Entscheidung über verschiedene Streitgegenstände zwar voneinander abhängt, sich aber hinsichtlich der nachrangigen Streitgegenstände besondere Probleme stellen. Auch eine Prozesspartei, die die Kosten selbst zu tragen hat, wird vernünftigerweise ein neues Verfahren anhängig machen, wenn durch die Klageerweiterung eine unangemessene Verzögerung der Entscheidung über den ursprünglich geltend gemachten Streitgegenstand zu besorgen ist, weil nicht sicher mit einem Teilurteil (§ 301 ZPO) gerechnet werden kann. Bei Bestandsstreitigkeiten, für die nach §§ 61a, 64 Abs. 8 ArbGG eine besondere Prozessförderungspflicht besteht, wird eine gesonderte Klageerhebung zumeist angebracht erscheinen. In jedem Fall hat der Antragsteller die Gründe darzulegen, die ihn zur Erhebung einer gesonderten Klage veranlasst haben. ...

Danach war es mutwillig, dass die Antragstellerin, statt die bereits anhängige Zahlungsklage um die Kündigungsschutzklage zu erweitern, eine neue Klage erhoben hat. Die Antragstellerin hatte ihre Zahlungsklage um Entgeltforderungen für Juni 2010 erweitert. Diese Entgeltforderungen waren vom Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängig. Demnach war nach der von der Antragstellerin selbst vorgenommenen Einschätzung der bereits anhängige Rechtsstreit über ihre Zahlungsansprüche geeignet, auch mit der Kündigungsschutzklage im Zusammenhang stehende Fragen zu klären. Es sind deshalb keine Gründe dafür ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen, warum diese Einschätzung sich nicht auch auf die von ihr erhobene Kündigungsschutzklage erstrecken sollte."


Mithin beisste sich vorliegend die Erweiterung der Zahlungsklage um Monate mit der separat erhobenen Kündigungsschutzklage, da beide Klagen die Frage des Bestandes einen Arbeitsverhältnisses betreffen und mithin in einem Verfahren entschieden hätten werden können.

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Heizkosten für Wohnungen gestiegen

Die Heizkosten sind gestiegen. Diese Feststellung wurde nun mit Zahlen unterlegt mit dem neuen Heizkostenspiegel. Das ist Anlass für Mieter, ihre Heizkostenabrechnungen genau zu prüfen und für Vermieter, ihre Nebenkostenabrechnungen sorgfältig zu erstellen.

Vereinbarkeit von Pflege und Beruf

Der Bundestag debattiert am 20.10.2011 in 3. Lesung über den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Hierzu gab die Ministerin Schröder am Morgen (20.10.2011- 6.49 Uhr) ein Interview im Deutschlandfunk.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Elternzeitverlängerung nur bei Zustimmung des Arbeitgebers, aber ...

Eine Arbeitnehmerin ist seit 2005 bei eine Unternehmen als Arbeiterin in Vollzeit beschäftigt. Am 3. Januar 2008 gebar sie ihr fünftes Kind und nahm deshalb bis 2. Januar 2009 Elternzeit in Anspruch. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2008 bat sie den Arbeitgeber erfolglos, der Verlängerung ihrer Elternzeit um ein weiteres Jahr zuzustimmen. Sie berief sich auf ihren Gesundheitszustand.

Nachdem die Arbeitnehmerin ab dem 5. Januar 2009 ihre Arbeit nicht wieder aufnahm, erhielt sie eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens. Hiergegen erhob die Arbeitnehmerin Klage.

Das in III. Instanz angerufene Bundesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit nicht endgültig entschieden, sondern dem Landesarbeitsgericht einige Hinweise auf den Weg gegeben.

Nach der Entscheidung des BAG (Urteil vom 18. Oktober 2011 - 9 AZR 315/10 -) muss ein Arbeitgeber nach billigem Ermessen entsprechend § 315 Abs. 3 BGB darüber entscheiden, ob er der Verlängerung der Elternzeit zustimmt. Hierzu hat - aus Sicht des BAG - das Landesarbeitsgericht noch tatsächliche Feststellungen zu treffen. Es wird dann erneut darüber zu entscheiden haben, ob die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen ist.

Leiharbeiter zählen mit - schön, wenn es um eine Abfindung geht

Ein Arbeitgeber betreibt ein Unternehmen, das sich mit dem Verkauf und dem Verlegen von Bodenbelägen befasst. In der Vergangenheit beschäftigte der Arbeitgeber regelmäßig 20 eigene Arbeitnehmer sowie seit Anfang November 2008 eine Leiharbeitnehmerin. Ende Mai 2009 kündigte der Arbeitgeber die Arbeitsverhältnisse aller elf gewerblichen Arbeitnehmer. Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich wurden vom Arbeitgeber abgelehnt.

Der infolge dieser Betriebsänderung entlassene Arbeitnehmer verlangte deswegen einen Nachteilsausgleich. Das Landesarbeitsgericht hat - anders als das Arbeitsgericht - die Klage abgewiesen.

Die Revision vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 18. Oktober 2011 - 1 AZR 335/10 -) war erfolgreich.

Ein Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern gemäß § 111 Satz 1 BetrVG hat im Falle einer Betriebsänderung mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich zu beraten. Unterlässt der Arbeitgeber die gebotene Beratung mit dem Betriebsrat, haben Arbeitnehmer, die infolge der Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren, einen Anspruch auf eine Abfindung als Nachteilsausgleich (§ 113 Abs. 3 BetrVG).

Das BAG stellte fest, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Betriebsänderung Ende Mai 2009 in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigte, denn die länger als ein halbes Jahr im Unternehmen eingesetzte Leiharbeitnehmerin war bei der Feststellung des Schwellenwerts zu berücksichtigen.

Wegen der unterbliebenen Beteiligung des Betriebsrats steht dem Arbeitnehmer eine Abfindung als Nachteilsausgleich zu.

Dienstag, 18. Oktober 2011

Mehr Regelleistung ab 2012

Ab 2012 erhöht sich die Regelleistung für Leistungsberechtigte nach dem SGB II. Eine Übersicht findet sich auf http://sozialrecht-chemnitz.blogspot.com/

Aussetzung von CGZP-Verfahren - eine weitere Rechtsbeschwerde

Nachdem nach dem LAG Rheinland-Pfalz und dem LAG Baden-Württemberg auch das Sächsische LAG Verfahren auf equal pay-Zahlungsansprüche aussetzt, ist auch gegen dieses eine Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht anhängig. Gespannt wird nun auf die Entscheidung des BAG geharrt.

LAG Rheinland Pfalz - BAG Az.: 1 AZB 37/11
LAG Baden-Würtemberg - BAG Az.: 1 AZB 40/11
Sächsisches LAG - BAG Az.: 1 AZB 53/11