Freitag, 27. Dezember 2013

Alles Neu?

Nun gut - nicht alles wird neu - aber ein paar gesetzliche Änderungen sollte der Mensch dann doch wissen. Insoweit eine Danke an Juris für die kurze Übersicht zu gesetzlichen Änderungen ab 01.01.2014.

Montag, 23. Dezember 2013

Treppensturz nach Kantinenessen - (k)ein Arbeitsunfall?

Eine an einer Schule angestellte Lehrerin hatte ihre Mittagsmahlzeit mangels eigener Schulkantine in der Kantine des benachbarten Bankinstituts eingenommen und befand sich auf dem Rückweg an ihren Arbeitsplatz, als sie noch im Treppenhaus des Sparkassengebäudes stürzte und sich erhebliche Knieverletzungen zuzog.

Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab.

Zwar stünden Wege zur Aufnahme des Mittagessens grundsätzlich unter Versicherungsschutz, jedoch beginne und ende dieser mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem sich die Kantine befinde.

Das SG Karlsruhe hatte diese Einschätzung geteilt, ebenso das LSG Stuttgart.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts sei die durch die Rechtsprechung bestätigte Beschränkung der Unfallversicherung für sog. "Wegeunfälle" auf den durch die Außentüren von Gebäuden begrenzten öffentlichen Verkehrsraum zeitgemäß, was die Lehrerin im Prozess in Abrede gestellt hatte.

Die Außentür des jeweiligen Gebäudes biete gerade bei der in Einkaufszentren inzwischen verbreiteten offenen Bauweise für Gaststätten oder Kantinen ein einleuchtendes, einfach zu handhabendes und ebenso eindeutiges wie objektives Abgrenzungskriterium. Nicht entscheidend sei, wer der Gebäudeinhaber sei, ob dieses zu öffentlich-rechtlichen Zwecken oder privatwirtschaftlich betrieben werde, und ob die klagende Lehrerin überhaupt berechtigt gewesen sei, das Gebäude zu betreten.

Freitag, 13. Dezember 2013

Kündigung einer schwanger gewesenen Arbeitnehmerin als Diskriminierung

Eine schwangere Arbeitnehmerin in einem Kleinbetrieb unterlag nicht dem Kündigungsschutzgesetz, jedoch bestand der besondere Kündigungsschutz des § 9 MuSchG. 

Anfang Juli 2011 wurde aus medizinischen Gründen ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG für die schwangere Frau ausgesprochen. Dem Ansinnen der Arbeitgeberin, dieses Beschäftigungsverbot nicht zu beachten, widersetzte sich die Frau. 

Am 14.07.2011 wurde festgestellt, dass ihre Leibesfrucht abgestorben war. Für den damit notwendig gewordenen Eingriff wurde die Frau auf den 15.07.2011 ins Krankenhaus einbestellt. Sie unterrichtete noch am selben Tag die Arbeitgeberin hierüber und fügte hinzu, dass sie nach der Genesung einem Beschäftigungsverbot nicht mehr unterliegen werde. 

Die Arbeitgeberin sprach umgehend eine fristgemäße Kündigung aus und warf diese noch am 14.07.2011 in den Briefkasten der Frau. Dort entnahm sie die Frau nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus am 16.07.2011.

Die Frau erhob Klage wegen unzulässiger Diskriminierung und erhoelt letztlich eine Entschädigung von 3.000,00 €.
 
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes wurde die Frau wegen ihrer Schwangerschaft  ungünstiger behandelt und daher wegen ihres Geschlechtes benachteiligt, § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG i.V.m. § 1 AGG. Dies ergebe sich schon aus dem Verstoß der Arbeitgeberin gegen das Mutterschutzgesetz.

Da Mutter und totes Kind noch nicht getrennt waren, bestand noch die Schwangerschaft im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Auch der Versuch, die Frau zum Ignorieren des Beschäftigungsverbotes zu bewegen und der Ausspruch der Kündigung noch vor der künstlich einzuleitenden Fehlgeburt indizieren die ungünstigere Behandlung der Frau wegen ihrer Schwangerschaft. Der besondere, durch § 3 Abs. 1 AGG betonte Schutz der schwangeren Frau vor Benachteiligungen führe jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden auch zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Dies sei unabhängig von der Frage zu sehen, ob und inwieweit Kündigungen auch nach den Bestimmungen des AGG zum Schutz vor Diskriminierungen zu beurteilen sind.

Donnerstag, 12. Dezember 2013

dauerhafter Leiharbeitereinsatz - Anspruch auf Festanstellung?

Eine Krankenhausgesellschaft betrieb Krankenhäuser in einem Landkreis. Eine Tochtergesellschaft verfügte über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und stellte 2008 einen IT-Sachbearbeiter ein. Dieser wurde als Leiharbeitnehmer ausschließlich in Einrichtungen der Krankenhausgesellschaft eingesetzt.

Der IT-Sachbearbeiter hat die Feststellung begehrt, dass zwischen ihm und der Krankenhausgesellschaft ein Arbeitsverhältnis besteht. Er hat gemeint, er sei dieser nicht nur vorübergehend überlassen worden mit der Folge, dass zwischen der Krankenhausgesellschaft und ihm ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr, soweit für die Revision von Interesse, stattgegeben.

Die Revision hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg.

Besitzt ein Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, komme zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiere das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers.

Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke.

Der Gesetzgeber habe bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet.

Das Unionsrecht gebe kein anderes Ergebnis vor. Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) sehe keine bestimmte Sanktion bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz des Leiharbeitnehmers vor. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Leiharbeitsrichtlinie überlasse die Festlegung wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen bei Verstößen gegen Vorschriften des AÜG den Mitgliedstaaten. Angesichts der Vielzahl möglicher Sanktionen obliege deren Auswahl dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten für Arbeitssachen.

Streit um Lohn berechtigt nicht zur Arbeitsverweigerung

Ein Bodenleger hatte mit seinem Arbeitgeber im Arbeitsvertrag für bestimmte Bodenverlegearbeiten ein Akkordsatz, im Übrigen jedoch einen Stundenlohn von 12,00 Euro vereinbart.

Als er in 40 nahezu identischen Häusern im Akkord Bodenbelag verlegen sollte, kam er nach eigenen Berechnungen auf einen durchschnittlichen Stundenlohn von 7,86 Euro brutto.

Daraufhin forderte er von seinem Arbeitgeber einen adäquaten Stundenlohn für diese Baustellen, oder aber einen anderen Einsatzort. Beides wurde abgelehnt. In mehreren Gesprächen forderte der Arbeitgeber den Bodenleger auf, die zugewiesene Arbeit auszuführen. Zuletzt drohte er ihm die Kündigung an. Als der Mann sich weiterhin weigerte, die Arbeiten auszuführen, folgte die fristlose Kündigung.

Gegen dies Kündigung erhob der Bodenleger Kündigungsschutzklage.

Nachdem das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage des Bodenlegers zunächst stattgegeben hatte, bestätigte das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (Urt. v. 17.10.2013, Az. 5 Sa 111/13) die Kündigung.

Zur Begründung führte das Gericht an, dass auch eine möglicherweise unzureichende Vergütung für den Bodenleger kein Zurückbehaltungsrecht im Zusammenhang mit seiner vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung begründe. Er hätte vielmehr die ihm zugewiesene Arbeit zunächst verrichten müssen und später, nach Erhalt der Abrechnung, gegebenenfalls einen Vergütungsstreit führen können. Wegen der Beharrlichkeit der Weigerung sei die fristlose Kündigung vorliegend gerechtfertigt gewesen .

Dienstag, 10. Dezember 2013

Soldat entwendet Patronen - Entlassung?

Ein Stabsunteroffizier in der Bundeswehr (als Soldat auf Zeit eingetreten), wurde mit Bescheid vom 27.09.2011 aus der Bundeswehr entlassen, da er Rekruten schikaniert, wegen ihrer hohen Sprengwirkung in Deutschland nicht zugelassene ausländische Böller auf dem Kasernengelände gezündet, unwahre Angaben gegenüber Vorgesetzten gemacht und sich insgesamt sieben scharfe Gefechtspatronen sowie eine Übungshandgranate aus den Beständen der Bundeswehr rechtswidrig angeeignet haben soll.

Gegen die Entlassung legte der Soldat Beschwerde ein. Er bestritt insbesondere die ihm vorgeworfenen Verfehlungen als Ausbilder und machte geltend, er habe sich wegen psychischer Probleme in Behandlung befunden und in diesem Zusammenhang ein Medikament erhalten, aufgrund dessen Nebenwirkungen er zeitweilig schuldunfähig gewesen sei.

Seine Stammdienststelle wies die Beschwerde zurück. Die daraufhin erhobene Klage blieb ebenfalls erfolglos vor dem VG Koblenz.

Der Soldat hat seine Dienstpflichten verletzt. So habe er sieben Patronen für seine Waffe aus einem Depot der Bundeswehr entwendet und in seinem Spind in der Kaserne aufbewahrt. Wegen dieses Vorfalls sei er auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden. Diese Dienstpflichtverletzung habe der Unteroffizier schuldhaft begangen. Die von dem Gericht durchgeführte Beweisaufnahme, insbesondere das eingeholte fachärztliche Gutachten, habe ergeben, dass er bei dieser Tat trotz eingenommener Medikamente nicht schuldunfähig gewesen sei. Von daher greife seine Einwendung, durch die Einnahme eines ärztlicherseits verordneten Medikaments habe sich seine Depression verschlimmert und es seien Suizidgedanken aufgetreten, nicht durch. Die Bundeswehr sei zudem in Bezug auf Munition und Sprengstoff in hohem Maß auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten angewiesen. Dieser Anforderung sei der entlassene Soldat nicht gerecht geworden. Von daher habe er die militärische Ordnung so nachhaltig gestört, dass er als Soldat nicht mehr tragbar sei.

Montag, 9. Dezember 2013

Opfer, Opfer und nochmal Opfer

Einer Lehrerin an einer 5 Klasse  einer christlichen Privatschule wurde ihr Mobiltelefon entwendet. Sie ist Opfer eines Diebstahls geworden.

Vom gestohlenen Mobiltelefon wurden anzügliche Bilder (Nacktfotos) auf eine Internetseite hochgeladen - natürlich ohne das Wissen der Lehrerin bzw. deren Einverständnis. Sie wurde Opfer der Verletzung ihrer Privat- und Intimsphäre.

Doch das reicht noch nicht. Die Schule sah sich veranlasst, wegen dieser im Internet abrufbaren Bilder die Lehrerin zu kündigen, wie auf stern.de gemeldet. Nun verlor sie auch noch ihren Arbeitsplatz und wurde zum dritten Mal Opfer.

Polizist über jeden Verdacht erhaben?

Am Anfang steht wohl ein Abmahnschreiben - wie so oft in Filesharingfällen. Doch dieses Schreiben ging an eine Kreispolizeibehörde und verwies darauf, dass von Dienstrechnern aus ein  Musikalbum einer bekannten deutschen Musikband illegal heruntergeladen wurde.

Die Polizei tut, was sie tun muss. Sie ermittelt. Die Kreispolizeibehörde stellte fest, dass sich auf einem Desktoprechner, welcher überwiegend von einem Informationstechniker, der für die komplette Funk- und Telefontechnik aller Polizeidienststellen im Hochsauerlandkreis zuständig ist, genutzt wurde, urheberrechtlich geschützte Werke befanden, auch von der betreffenden Musikband. Außerdem befanden sich auf dem Rechner Filesharing-Programme und Spezialsoftware zum unwiederbringlichen Löschen von Dateien.

Im Laufe der Ermittlungen ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass über den Desktoprechner zu bestimmten Zeitpunkten Filme heruntergeladen wurden; zur Hälfte der maßgeblichen Zeitpunkte war der Informationstechniker allerdings nicht im Dienst oder außerhalb des Dienstgebäudes tätig.

Ins Visier der Ermittlungen geriet auch ein weiterer IT-Mitarbeiter der Kreispolizeibehörde, auf dessen Computer ebenfalls Anhaltspunkte für das Herunterladen von Filmen gefunden wurden.

Gegen beide Mitarbeiter ist ein Strafverfahren eingeleitet worden, das nach Durchführung der Hauptverhandlung Anfang November 2012 gegen Zahlung eines Geldbetrages von jeweils 500 Euro eingestellt wurde. Im November und Dezember 2012 sprach das Land Nordrhein-Westfalen als Arbeitgeber gegenüber den beiden Angestellten fristlose Kündigungen aus.

Während der andere IT-Mitarbeiter sich mit der Kreispolizeibehörde darauf verständigte, dass das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist gegen Zahlung einer Abfindung endet, führte der Informationstechniker ein Kündigungsschutzverfahren vor dem ArbG Arnsberg.

Das Land Nordrhein-Westfalen begründete vor dem Arbeitsgericht die Kündigung damit, dass der Informationstechniker illegal Daten aus dem Internet heruntergeladen habe. Dabei habe er die Software "Azureus" genutzt, die mit einem automatischen Einwahlverfahren arbeite. Er sei so in der Lage gewesen, Downloads auch in seiner Abwesenheit vorzunehmen.

Das ArbG Arnsberg hielt die Kündigung für unwirksam. Es lasse sich, so hat das Arbeitsgericht ausgeführt, nicht feststellen, dass der Informationstechniker tatsächlich illegale Downloads vorgenommen habe. Sein Rechner habe auch von anderen Mitarbeitern genutzt werden können, zumal die Anmeldung am System aufgrund eines speziellen Profils ohne Kennworteingabe möglich gewesen sei.

Die fristlose Kündigung sei auch als Verdachtskündigung unwirksam. Eine ordentliche Kündigung komme nicht in Betracht, da der Informationstechniker als ehemaliges Personalratsmitglied Sonderkündigungsschutz genieße. Das Land Nordrhein-Westfalen hat gegen das arbeitsgerichtliche Urteil Berufung eingelegt. Das LArbG Hamm (13 Sa 596/13) hat die Berufung des Landes Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind die fristlosen Kündigungen unwirksam. Ausschlaggebend für die Entscheidung sei, dass sich keine Feststellungen dazu treffen ließen, dass gerade der gekündigte Informationstechniker für das illegale Herunterladen verantwortlich war. Auch ein dringender Verdacht bestehe im Hinblick auf die unklare Verantwortlichkeit für die Download-Vorgänge nicht. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde unter anderem auch erörtert, dass die Arbeitgeberin nicht eine zügige Sicherstellung der "verdächtigen" Rechner veranlasst hatte, so dass sich im Nachhinein nicht habe klären lassen, welche Personen später Dateien gelöscht hatten.