Mittwoch, 27. Februar 2013

ohne Abfindung geht es auch

In den meisten Erstaufnahmegesprächen bei einem Anwalt nach Erhalt einer Kündigung fragen Arbeitnehmer, ob sie eine Abfindung erhalten.

Nach einigen Erläuterungen zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Abfindung und Prüfung, ob diese vorliegen, ergibt sich oft der Hinweis, dass ein Anspruch - derzeit - nicht besteht, aber sich im Rahmen einer Verhandlung mit dem Arbeitgeber (aussergerichtlich oder auch vor Gericht) eine Abfindung im Vergleich regeln lassen kann.

Ein Beispiel aus meiner Praxis zeigt, dass eine Kündigungsschutzklage sich auch ohne Abfindung lohnen kann.

Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer erhält eine betriebsbedingte Kündigung mit einer Kündigungsfrist von 1 Monat. Er wehrt sich hiergegen. Es wird im Gerichtsverfahren u.a. darauf hingewiesen, dass eine Änderungskündigung vorzugswürdig gewesen sei. Das Arbeitsgericht Chemnitz schließt sich unserer Auffassung an und stellt fest, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Der Arbeitgeber ist damit nicht einverstanden und legt Berufung ein. Der Arbeitnehmer erhält aber weiterhin seinen Lohn, obwohl er nicht auf seiner Arbeitsstelle mehr erscheint (welche es nach Arbeitgebersicht vor Ort nicht mehr gibt). Vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht wird dann ein Vergleich geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund der angegriffenen Kündigung erst 10 Monate später endet, als eigentlich mit der Kündigung vorgesehen.

Der Arbeitnehmer erhielt also für 10 Monate Arbeitslohn ohne zu arbeiten. Das entspricht dem 5-fachen (fünffachen) eines Abfindungsanspruches nach § 1 a KSchG - kein schlechter Schnitt, wie ich meine.

Freitag, 22. Februar 2013

Absage des Bundestages ist keine Benachteiligung

Eine schwerbehinderte Büro- und Schreibkraft im Bundespräsidialamt erkrankte für einige Zeit. Im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements im Dezember 2009 wurde festgelegt, dass sie nach Möglichkeit die Beschäftigungsdienststelle wechseln solle. Das Bundespräsidialamt wandte sich daraufhin auch an den Deutschen Bundestag, ob diese - nicht namentlich bezeichnete - Arbeitnehmerin dort eingesetzt werden könne.

Im Juni 2010 schrieb der Deutsche Bundestag eine Stelle als Zweitsekretärin/Zweitsekretär für das Büro der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages aus. Auf diese Stelle bewarb sich die Arbeitnehmerin, die über die verlangte berufliche Ausbildung verfügt, unter Hinweis auf ihre Schwerbehinderung.

Am 20. August 2010 fand ein Vorstellungsgespräch mit ihr statt, an dem vonseiten des Deutschen Bundestages über zehn Personen teilnahmen, u. a. die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten.

Ohne Angabe von Gründen wurde der Klägerin am 1. September 2010 eine Absage erteilt.

Nach der Ankündigung, Schadensersatzansprüche wegen Diskriminierung geltend zu machen, teilte der Deutsche Bundestag am 10. Dezember 2010 mit, dass die Ablehnung in keinem Zusammenhang mit der Schwerbehinderung gestanden habe. Vielmehr habe sie im Rahmen des Vorstellungsgesprächs keinen überzeugenden Eindruck hinterlassen.

Die Arbeitnehmerin begehrte Schadensersatz nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und scheiterte in allen Instanzen, zuletzt vor dem Bundesarbeitsgericht (PM 13/13).

Ein Beschäftigter, der eine Entschädigung nach § 15 II AGG beansprucht, weil er sich wegen eines durch das AGG geschützten Merkmals benachteiligt sieht, muss Indizien dafür vortragen, dass seine weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt oder dies zumindest zu vermuten ist. Hieran fehlte es.

Donnerstag, 21. Februar 2013

Zeugniskinder

Ab und zu liest man als Fachanwalt für Arbeitsrecht mit kritischem Blick Arbeitszeugnisse. Jeder Punkt und jedes Komma wird kontrolliert und einer Prüfung unterzogen, ob es mehr aussagt, als auf den ersten Blick zu sehen ist.

Doch ab und zu lockt manche Formulierung auch zu einem Schmunzeln, so wie diese:

"Weiterhin übernahm sie zeitweise die Betreuung der je nach Betriebsaufwand anfallenden  Kleinkinder."

PS: es handelt sich nicht um Zeugnis über eine Tätigkeit, welche auf regelmäßigen Umgang mit Kindern schliessen lässt

Einvernehmen geht vor Gericht

Eine Arbeitnehmerin ist in Vollzeit beschäftigt. Sie brachte am 5. Juni 2008 ein Kind zur Welt und nahm zunächst für die Dauer von zwei Jahren bis zum 4. Juni 2010 Elternzeit in Anspruch.

Am 3. Dezember 2008 vereinbarten Arbeitnehmerin und Arbeitgeber die Verringerung der Arbeitszeit für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2009 auf wöchentlich 15 Stunden und für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis zum Ende der Elternzeit am 4. Juni 2010 auf wöchentlich 20 Stunden.

Mit Schreiben vom 7. April 2010 nahm die Arbeitnehmerin ab dem 5. Juni 2010 bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes erneut Elternzeit in Anspruch und beantragte gleichzeitig, wie bisher 20 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Der Arbeitgeber lehnte dies ab - zu Recht?

Das von der Arbeutnehmerin angerufene Arbeitsgericht meint nein. Der Arbeitgeber muss das Angebot der Arbeitnehmerin auf entsprechende Vertragsänderung annehmen. Das Landesarbeitsgericht hingegen gab auf die Berufung des Arbeuutgebers diesem Recht.

Nun lag der Fall beim Bundesarbeitsgericht.

Dieses entschied (PM 12/13), dass dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - die Vereinbarung der Parteien vom 3. Dezember 2008 nicht entgegen steht. Einvernehmliche Elternteilzeitregelungen sind nicht auf den Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit nach § 15 BEEG anzurechnen.

Kurz zusammengefasst: Wenn ein Arbeitgeber einvernehmlich dem Angebot eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin in Elternzeit auf Arbeitszeitverringerung zustimmt, setzt er sich (dennoch) dem Risiko aus, dass er später ein oder zwei weitere Arbeitszeitverringerungangebote annehmen muss!

Mittwoch, 13. Februar 2013

ist das Verzögerungstaktik oder Unvermögen?

Eine Arbeitnehmerin der Leverkusener Lebenshilfe hat in der Nacht zum 25. Dezember 2012 Dienst in einer der Wohnstätten des Arbeitgebers. In diesen gab es schon in den Wochen und Monaten zuvor Unregelmäßigkeiten. Unter anderem sei die Mitarbeiterin von Kollegen dabei beobachtet worden, wie sie Plastiktüten – angeblich mit Müll – zu ihrem Auto brachte. Am Morgen des ersten Weihnachtstags wäre festgestellt wurden, dass wieder verschiedene Lebensmittel wie Kaffee und Süßigkeiten fehlten, woraufhin die Polizei gerufen worden sei. Die verdächtige Arbeitnehmerin habe den Beamten den Diebstahl gestanden und sie zu ihrem Pkw geführt, in dem zwei Einkaufstüten mit der Beute sichergestellt worden seien. Seitdem läuft auch ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen die Frau.

Sie erhielt wegen des Diebstahls auch eine Kündigung. Gegen diese lies sie durch einen Anwalt Kündigungsschutzklage erheben. Nach dem Hinweis des Richters, dass es kein „Vertrauenskapital“, gebe, wonach dieses durch kleinere Diebstähle nach und nach aufgezehrt werden könne, bevor eine Kündigung drohe und dem Vortrag des Arbeitgebers, verwies der Vertreter der Arbeitnehmerin lediglich auf deren lange Beriebszugehörigkeit.

Ob dies reicht?

Zumindest ist das Verfahren noch nicht beendet und die Klägerin hat drei Wochen Zeit, etwaige Gründe für eine Unwirksamkeit der Kündigung vorzutragen, wie auf den Seiten des Leverkuseners Anzeigers mitgeteilt wird.


Donnerstag, 7. Februar 2013

Liebesspiel auf der Terrasse nebst Fotos

Die Mieterin einer Wohnung ging ihrem Bedürfnis nach Austausch von freizügigen Zärtlichkeiten mit einem Mann nach. Nicht im Bett oder im Zimmer, sondern auf der Terrasse ihrer Wohnung. 

Die Nachbarn fühlten sich pikiert. Eine Person aus der Nachbarschaft ergriff ihren Fotoapparat und schoß 4 Bilder vom Liebesspiel. Begründung - es muss doch zur Beweissicherung dokumentiert werden. Unter Vorlage der offenbar gelungenen Fotos beschwerte sich die Nachbarin zunächst beim Vermieter, welcher der liebestollen Mieterin eine Abahnung erteilte.

Die Mieterin wehrte sich gegen die Abmahnung und verlangte die Fotos heraus? Zu Recht?

Hier geht es zur Antwort.

Dienstag, 5. Februar 2013

Die Bürgermeistergattin

Die Gattin eines Bürgermeisters streitet sich vor dem Arbeitsgericht mit der Kommune, in der ihr Ehegatte Bürgermeister ist. Worum geht es?

Es geht um die Antwort auf die Frage, welche Stelle die Bürgermeistersgattin vor ihrem Mutterschutz und Elternzeit in der Kommune Bisingen innehatte. War sie Sachgebietsleiterin oder doch Amtsleiterin des Amtes Nr. 4 für Eltern, Familie und Kind. Im Rahmen der Elternzeit möchte sie bis zu 30 h in der Woche vertragsgerecht eingesetzt werden - nach ihrer Ansicht als Amtsleiterin.

Der stellvertretende Bürgermeister blieb in der Sache unnachgiebig und bietet lediglich die Beschäftigung als Sachgebietsleiterin an. Nach der Meldung der südwestpresse (swp.de) führt er aus, dass es ein Amt 4 nie gegeben habe und auch eine Einsetzung der Bürgermeistergattin als Amtsleiterin nie wirksam erfolgt sei. Zumindest hätte der Bürgermeister seine Gattin nicht ohne Einverständnis des Gemeiderates eine solche Stellung verschafffen können.

Schlußendlich wolle man den Anschein von Mauscheleien vermeiden.

Der Richter des Arbeitsgerichtes blieb mit seiner Frage nach einer Vergleichsmöglichkeit - evtl. Abfindung - erfolglos. So wird wohl fröhlich weiter im Südwesten der Republik prozessiert mit Bestimmung des Kammertermins (Pressmitteilung des ArbG Reutlingen)

Urlaubsabgeltung nun doch auch für Beamte

Im Arbeitsrecht wird seit Jahren heftig um die Problematik der Urlaubsabgeltung gestritten und gerungen. Das Beamtenrecht hat es nun auch getroffen. Beamte können nach den Maßgaben der Rechtsprechung des EuGH einen Anspruch auf Abgeltung des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs haben, den sie krankheitsbedingt bis zum Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen konnten.

Ein Polizeibeamter ist Mitte 2008 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten. Vorher war er ca. ein Jahr lang dienstunfähig erkrankt.

Aufgrund der Nachrichten zum Urlaubsabgeltungsanspruch wollte er einen solchen auch durchsetzen. Er verlangte finanzielle Abgeltung des Erholungsurlaubs, des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 SGB IX und des Arbeitszeitverkürzungstags für die Jahre 2007 und 2008.

Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht Koblenz sprachen ihm keinen Anspruch zu, weil es an einer nationalen Rechtssetzung für Beamte diesbezüglich fehle. Erst auf seine Revision hin hat der Beamte teilweise Erfolg.

Das BVerwG geht in seiner Entscheidungvom 31.01.2013 (2 C 10.12) im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH von einem unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch wegen krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs aus.

Dieser Anspruch ergibt sich aus Art. 7 Abs. 2 der sog. Arbeitszeitrichtlinie. Der Anspruch ist beschränkt auf den Mindesturlaub von vier Wochen pro Jahr, erfasse also weder einen über 20 Tage im Jahr hinaus reichenden Erholungsurlaub noch Arbeitszeitverkürzungstage oder einen Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 SGB IX. Soweit ein Beamter diesen Mindesturlaub wegen Krankheit und anschließenden Ausscheidens aus dem aktiven Dienst nicht nehmen kann, habe er einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, also auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub.

Allerdings sei der Mindesturlaubsanspruch auch dann erfüllt, wenn der Beamte im fraglichen Jahr zwar seinen ihm für dieses Jahr zustehenden Urlaub nicht hat nehmen können, wohl aber "alten", nämlich aus dem Vorjahr übertragenen Urlaub. Für das Jahr, in dem der Beamte aus dem aktiven Dienst ausscheidet, stünden ihm der Mindesturlaubsanspruch und der hieran anknüpfende Urlaubsabgeltungsanspruch anteilig für die Zeit bis zum Ausscheiden zu. Urlaubsansprüche aus vorangegangenen Jahren seien nur abzugelten, wenn sie nicht verfallen sind. Ein solcher Verfall trete jedenfalls 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein; der Normgeber könne eine kürzere Frist bestimmen, die aber nach der Rechtsprechung des EuGH deutlich länger sein muss als das Urlaubsjahr. Die Höhe der Abgeltung bemesse sich nach dem Durchschnitt der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand, umgerechnet auf die Zahl der nicht genommenen Urlaubstage. Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch unterliege keinem Antragserfordernis und verjähre in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Beamte in den Ruhestand tritt.

Beamte sollten also prüfen, ob Ihnen Urlaubsabgeltungsansprüche zustehen und ob diese durchsetzbar sind.

Montag, 4. Februar 2013

Ein Violinelehrer und die Saxophon-Schüler

Musikschulen sind von kommunalen Sparorgien oft und gern betroffen. Seite Jahren versuchen deshalb Musikschulen, die ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel zur Kosteneinsparung zu nutzen. Die Begründung von befristeten Verträgen mit Musikschullehrern ist dabei Tagesordnung. Doch schnell wird hierbei der Überblick verloren.

Eine Befristung bedarf oftmals eines Sachgrundes. Dieser liegt häufig in der Vertretung von ausgefalllenen (z.B. Sonderurlaub) bzw. erkrankten anderen Arbeitnehmern. Ein Saxophonlehrer an der Musikschule Hamm verfügte ebenfalls über einen befristeten Arbeitsvertrag. Als dieser nicht verlängert wurde, entschloss er sich zu einer Entfristungsklage.

Er behauptete, dass die Befristung unwirksam war (und deshalb ein unbefristeter Arbeitsvertrag bestehe), weil ein Sachgrund fehlt.

Die Stadt als Arbeitgeber meinte hingegen, dass der Sachgrund in der Vertretung des Violinlehreres lag und dieser eben aus dem Sonderurlaub zurückkehre.

Die Richterin am Arbeitsgericht war findig. Auf deren Nachfrage räumte die Stadt ein, zwei Vertretungslehrer für den Violinlehrer eingestellt zu haben. Die hätten sogar mehr Unterrichtsstunden gegeben als die zu vertretende Lehrkraft.

Die nächste Frage der Richterin: Könne der aus dem Sonderurlaub zurückkehrende Violinelehrer die Stunden vom klagenden Saxophonmusikschullehrer übernehmen?

Nicht verlegen anwortete der Vertreter der Stadt sinngemäß: Beide leisteten Musikschulunterricht.

Nun die Richterin bohrender: „Kann der Violinlehrer die Schüler des Saxophonlehrers übernehmen? Nach einer angemessenen Einarbeitungszeit?“

Nun kam keine Antwort von der Beklagtenpartei mehr, nach dem Artikel auf den Seiten WA.de.

Folgerichtig stellte das Arbeitsgericht fest, dass die Befristung im Vertrag unwirksam ist.