Mittwoch, 29. Februar 2012

höhere Altersgrenzen für Beamte

In den Bundesländern gibt es verschiedene Altersgrenzen für eine Berufung in das Beamtenverhältnis. Für Lehrer in NRW galt früher, dass diese nicht älter als 35 Jahre sein durften. Diese Altersgrenze wurde 2009 auf 40 Jahre angehoben und ein Hinausschieben der Grenze um bis zu sechs Jahre vorgesehen, wenn sich die Lehrerausbildung wegen der Erfüllung einer öffentlichen Dienstpflicht oder wegen der Betreuung von Kindern und nahen Angehörigen verzögert hat. Weitere Ausnahmen sind vorgesehen, um Lehrermangel zu begegnen und außergewöhnlichen Härtefällen Rechnung zu tragen.

Auf Klage von Lehrkräften hin musste das Bundesverwaltungsgericht hierüber entscheiden (Pressemitteilung Nr. 17/2012).

Zwar beeinträchtigen beamtenrechtliche Einstellungsaltersgrenzen den verfassungs-rechtlichen Grundsatz, dass öffentliche Ämter nur nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vergeben werden dürfen und stellen eine Ungleichbehandlung wegen des Alters dar. Jedoch dienen sie dem legitimen Ziel, im Hinblick auf den Anspruch der Ruhestandsbeamten auf lebenslange Versorgung ein angemessenes zeitliches Verhältnis zwischen aktiver Dienstzeit und Ruhestand herzustellen. Die Festsetzung der Altersgrenze auf 40 Jahre stellt zusammen mit den vorgesehenen Ausnahmen einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Belange dar.

eine fristlose Kündigung und die damit verbundene Frist

Zwar wird volkstümlich die ausserordentliche Kündigung nach § 626 BGB auch fristlose Kündigung genannt, dennoch ist hiermit eine zu beachtende Frist verbunden. Dies wird oft verkannt.

Der Fall
Mitarbeiter einer städtischen Grünpflegekolonne - einer von ihnen als Vorarbeiter - sollen innerhalb des Dienstes unlautere Geschäfte getätigt haben. Im Frühjahr 2009 wandte sich eine Bürgerin der Stadt direkt an die Grünpflegekolonne und wünschte die Herabsetzung von vier störenden Birken, wofür sie der Kolonne insgesamt 300 Euro zahlten. Die Bäume seien daraufhin aber nur teilweise geschnitten und gefällt worden und Reste seien stehen geblieben. Der Vorarbeiter habe zwar versprochen, die Arbeiten später auszuführen, sich später jedoch geweigert, die Arbeiten zu Ende zu führen.

Im November 2011 beschwerte sich die Bürgerin bei der Stadt hierüber.

Im Dezember 2011 hat die Stadt als Arbeitgeberin wegen dieses Vorfalls zwei Mitarbeitern gegenüber jeweils die fristlose Kündigung erklärt.

Die Arbeitnehmer räumten ein, tatsächlich während der Arbeitszeit ohne dienstlichen Auftrag Bäume herabgesetzt und hierfür Geld erhalten zu haben, welches sie jedoch der Kaffeekasse zugeführt hätten.

Das Urteil
Das ArbG Mönchengladbach ( 3 Ca 3495/11, 3 Ca 3566/11) hat den gegen die fristlosen Kündigungen erhobenen Kündigungsschutzklagen stattgegeben.

Zwar stellt das Herabsetzen von Bäumen während der Arbeitszeit ohne dienstlichen Auftrag gegen Annahme finanzieller Vorteile einen wichtigen Kündigungsgrund dar, jedoch ist die vom Gesetzgeber vorgegebene Frist einzuhalten.

Eine außerordentliche Kündigungen kann wirksam ausgesprochen werden nur innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Diese Frist war jedoch verstrichen.

Der Tipp
Erhält ein Arbeitgeber Kenntnis von Vorfällen und Vertragsverstößen durch Arbeitnehmer sollte er schnellstmöglich die erforderlichen Schritte zur Sachverhaltsermittlung, Anhörung und Betriebsratsanhörung einleiten.

Arbeitnehmer sollten nach Erhalt einer fristlosen Kündigung diese von einem Fachanwalt prüfen lassen.

Dienstag, 28. Februar 2012

Welcher Tarifvertrag gilt?

Wenn in einem Arbeitsvertrag auf einen bestimmten Tarifvertrag Bezug genommen wird und später ein eigener Haustarifvertrag hinzukommt, stellt sich die Frage, welcher Tarifvertrag nun Wirkung entfaltet.

Das Bundesarbeitsgericht (Az: 4 AZR 24/10 - Pressemeldung 17/2012) meint: "Ein Tarifvertrag kann selbst bei beiderseitiger Tarifgebundenheit eine Vereinbarung in einem Arbeitsvertrag nicht ablösen. Das gilt auch für nur aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbare Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas). Das Verhältnis der einzelvertraglichen und tarifvertraglichen Ansprüche zueinander ist nach dem Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG zu klären."

Hiernach ist zu prüfen, welcher Tarifvertrag die günstigsten Regelungen für den Arbeitnehmer enthält. Diese günstigste Regelung gilt. Das kann bei einem Urlaubsanspruch der eine Tarifvertrag sein und hinsichtlich der Vergütung der andere. Dies sorgt für ein Durcheinander und Rechtsunsicherheit.

Insofern ist der Tipp zu geben, schnellstmöglich für Rechtsklarheit zu sorgen.

Überstundenvergütung trotz vertraglichem Ausschluß

der Fall
Ein Lagerleiter war zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.800,00 Euro bei einer Spedition tätig. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vereinbart. Bei betrieblichem Erfordernis sollte der Lagerleiter als Arbeitnehmer ohne besondere Vergütung zu Mehrarbeit verpflichtet sein. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt der Arbeitnehmer Vergütung für 968 in den Jahren 2006 bis 2008 geleistete Überstunden.

das Urteil
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht (Pressemeldung 16/2012) hat die Revision der Spedition zurückgewiesen. Die Beklagte schuldet als Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach § 612 Abs. 1 BGB Überstundenvergütung. Angesichts der Höhe des vereinbarten Bruttoentgelts war die Leistung von Überstunden nur gegen eine zusätzliche Vergütung zu erwarten. Der vertragliche Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit war wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Der Arbeitsvertrag lässt aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht erkennen, welche Arbeitsleistung der Kläger für das regelmäßige Bruttoentgelt schuldete. Er konnte bei Vertragsschluss nicht absehen, was auf ihn zukommen würde.

Der TIPP
Prüfen bzw. lassen Sie ihre Arbeitsverträge prüfen, denn bei Fehlen einer (wirksamen) Vergütungsregelung verpflichtet § 612 Abs. 1 BGB den Arbeitgeber, geleistete Mehrarbeit zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Eine entsprechende objektive Vergütungserwartung ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt bezieht. Um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen, ist eine rechtzeitige anwaltliche Beratung Geld wert.

Montag, 27. Februar 2012

Heizkosten in der Betriebskostenabrechnung

In vielen Betriebskostenabrechnungen werden die Heizkosten auf Basis der Zahlungen des Vermieters für den Brennstoff im Abrechnungszeitraum ermittelt und auf Mieter umgelegt. Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 01.02.2012 (VIII ZR 156/11) nun Maßstäbe aufgestellt, was hierbei zu beachten ist.

Heizkosten können hiernach nicht nach dem Abflussprinzip umgelegt werden, d. h. es kommt nicht auf die Abschlagszahlungen des Vermieters an, sondern allein auf den tatsächlichen Verbrauch im Abrechnungszeitraum. Dies ergibt sich aus den gesetzlichen Regelung in der HeizKV (§ 7). Wird dies nicht beachtet, ist die Heizkostenabrechnung diesbezüglich inhaltlich unzutreffend mit der Folge, dass oftmals kein Nachzahlungsanspruch gegen Mieter besteht, da die Position der Heizkosten den größten Umfang in den Nebenkostenabrechnungen ausmacht.

Mittwoch, 22. Februar 2012

erzwungenes Mittagessen

Der Fall
Ein Mitarbeiter in der Behindertenhilfe betreut körperlich und geistig behinderte Menschen in einer Wohngruppe. An den Wochentagen sind dabei in der Regel zwei bis drei Bewohner mit schweren Behinderungen nicht in der Behindertenwerkstatt tätig und müssen von dem Mitarbeiter während der Mahlzeiten betreut und gefüttert werden.

Der Arbeitnehmer stritt sich mit seiner Arbeitgeberin darüber, ob sie berechtigt ist, ihm monatlich einen Pauschalbetrag für von ihr gestellte Gemeinschaftsverpflegung abzuziehen. Insbesondere, wenn es ihm gar nicht möglich ist, daran teilzunehmen, weil er den Bewohnern beim Mittagessen hilft.

Auf das Arbeitsverhältnis findet die Arbeitsvertragsrichtlinie des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) Anwendung. Dort ist unter § 22 AVR unter der Überschrift, "Sachleistungen" geregelt, dass die Mitarbeiter verpflichtet sind, an der Anstaltsverpflegung teilzunehmen, wenn dies im Interesse des Dienstes erforderlich und im Dienstvertrag vereinbart ist.

Die Arbeitgeberin des Arbeitnehmers hatte alle pädagogischen Mitarbeiter arbeitsvertraglich zur Teilnahme am Gemeinschaftsessen verpflichtet.

das Urteil
Das Arbeitsgericht Berlin bewertete laut Information auf arbeitsrecht.de die Verpflichtung zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung als unwirksam. Die Vertragsbestimmung verstoße gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB normierte Transparenzgebot.

Aus einer stichwortartigen Regelung der kostenpflichtigen Teilnahme an der Verpflegung ergebe sich weder, wie im Einzelnen die Kosten der Gemeinschaftsverpflegung ermittelt werden, noch dass die Arbeitgeberin jeweils einen pauschalen Abzug, unabhängig von tatsächlich geleisteten Arbeitstagen, vornehmen darf. Darüber hinaus sei aus dieser Regelung nicht ersichtlich, unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme von der Teilnahme erfolgen soll – nämlich wie praktiziert - nur bei Vorlage eines ärztlichen Attests.

Darüber hinaus benachteilige die Regelung den Arbeitnehmer entgegen dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach dessem unstreitigen Vortrag haben die in einer Wohngruppe beschäftigten Arbeitnehmer gar nicht die Möglichkeit, die zur Verfügung gestellten Mahlzeiten zu verzehren. Sie werden durch die Betreuung und Versorgung der schwerbehinderten Menschen vollkommen in Anspruch genommen. Die Durchsetzung des pädagogischen Konzepts durch die Arbeitgeberin ist daher unverhältnismäßig.

Dienstag, 21. Februar 2012

Urlaub nach gewonnenem Kündigungsschutzverfahren

Ein Kündigungsschutzverfahren kann sich über einen langen Zeitraum erstrecken. Es kommt oft vor, dass die Kündigungsfrist bereits abgelaufen war, bis ein Gericht rechtskräftig feststellt, dass die Kündigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis fortbestand. Was passiert dann mit dem Urlaub? Was, wenn Urlaub bei einem zwischenzeitlich anderem Arbeitsverhältnis gewährt wurde? Ist letzterer anzurechnen?

der Fall
Eine Fachexpertin für Fotogrammetrie mit einem arbeitsvertraglich vereinbarten Urlaubsanspruch von 29 Arbeitstage erhält mit Schreiben vom 25. Januar 2007 zum 31. März 2007 eine Kündigung verbunden mit dem Angebot auf Änderung des Arbeitsvertrags (Änderungskündigung). Die Arbeitnehmerin nahm das Änderungsangebot (auch) nicht (unter Vorbehalt) an. Im Kündigungsschutzverfahren wurde durch das Landesarbeitsgericht (im Berufungsverfahren) die Unwirksamkeit der Kündigung durch rechtskräftiges Urteil festgestellt.

Mit Schreiben vom 6. November 2008 beantragte die Arbeitnehmerin bei ihrem Arbeitgeber erfolglos Urlaub für die Zeit vom 14. November 2008 bis 30. Dezember 2008 - entsprechend 29 Arbeitstagen.

Bereits während des Kündigungsschutzverfahrens war die Arbeitnehmerin im Jahr 2008 bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt und erhielt dort ausweislich einer Urlaubsbescheinigung 21 Tage Urlaub für 2008.

Nun begehrte sie mittels Klage die Gewährung von 29 Tagen Urlaub für 2008 bzw. Schadensersatz.

das Urteil
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin Recht. Der Arbeitgeber erreichte die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht und obsiegte dort.

Die Richter des Bundesarbeitsgerichtes gehen nach der Pressemitteilung 15/2012 davon aus, dass ein Anspruch auf Urlaub nach § 6 Abs. 1 BUrlG nicht besteht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. In einem Fall eines Doppelarbeitsverhältnisses - was durch das laufende Kündigungsschutzverfahren möglich ist (s.o.) - kommt es darauf an, ob ein Arbeitnehmer seine Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen gleichzeitig erfüllen könnte. Ist dies nicht der Fall - z.B. wegen Einhaltung der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes - und hat der Arbeitgeber, mit dem während des Kündigungsrechtsstreits ein Arbeitsverhältnis eingegangen wurde, ihm für ein laufendes Kalenderjahr Urlaub gewährt, hat der Arbeitnehmer im Umfang des ihm erteilten Urlaubs grundsätzlich keinen weiteren Urlaubsanspruch für dieses Jahr.

Einem doppelten Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers steht entgegen, dass dieser im Falle eines Obsiegens im Kündigungsrechtsstreit grundsätzlich so zu stellen ist, als hätte keine tatsächliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden. Zwar handelt es sich beim Urlaub nicht um Entgelt für geleistete Dienste, sodass die Anrechnungsvorschriften § 11 Nr. 1 KSchG und § 615 Satz 2 BGB keine unmittelbare Anwendung finden. Wegen der Gleichheit der Interessenlage ist jedoch eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen geboten.

der Tipp
Während und nach Beendigung eines Kündigungsschutzverfahrens sollte geprüft werden, ob der Arbeitnehmer ein anderes Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Wird dies bejaht, kommt es darauf an, ob diese neue Tätigkeit neben (!) dem eigentlichen Arbeitsverhältnis zulässig ausübbar war. Dies ist regelmäßig nur bei Teilzeitarbeitsverträgen denkbar. Nach Beantwortung dieser Frage sind auch die Antworten auf oben benannte Fragen nachvollziehbar. Gern hilft auch ein Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Montag, 20. Februar 2012

Wegfall variablen Entgelts - kein Schadensersatz

In vielen Arbeitsverträgen finden sich bezüglich der Vergütung Regelungen, wonach ein Grundgehalt (Fixum) bezahlt werden soll und hinzu noch ein variabel berechneter Entgeltanteil kommen soll. Was passiert nun, wenn aufgrund Organisationsänderungen durch den Arbeitgeber der variable Vergütungsanteil sich stark reduziert? Besteht ein Schadensersatzanspruch für Arbeitnehmer?

Das Bundesarbeitsgericht meint laut seiner Pressemitteilung 14/2012, dass ohne besondere vertragliche Vereinbarung grundsätzlich keine Pflicht des Arbeitgebers besteht, seine Organisationsgewalt so auszuüben, dass die Höhe des erfolgsabhängigen variablen Entgelts einzelner Mitarbeiter sich nicht verändert.

Der Fall
Ein Arbeitgeber vertreibt Versicherungsleistungen. Dabei arbeitet er im Zielgruppenvertrieb mit dem Verein „B.“ zusammen. Für B. tätige Werber werden zugleich als sog. „Beauftragte“ für den Arbeitgeber Beklagte aktiv und versuchen, mit den Mitgliedern des B. ein Beratungsgespräch über Versicherungen zu vereinbaren. Dieses wird dann von „Beratern“ des Arbeitgebers durchgeführt. Die Berater erhalten Provisionen, wobei ein bestimmtes Fixum vom Arbeitgeber garantiert wird. Ein Arbeitnehmer war zunächst als Berater tätig, dann leitete er als Gruppenleiter mehrere Beauftragte und schließlich als Vertriebsleiter mehrere Berater an. Das erfolgsabhängige variable Entgelt überstieg das vertraglich garantierte Fixum immer um ein Mehrfaches.

Im Bereich B. nahm die Zahl der Beauftragten von 2003 bis 2008 um etwa 60 % ab, was zu erheblichen Vergütungseinbrüchen beim Arbeitnehmer führte.

Nun verlangte der Arbeitnehmer Schadensersatz wegen Gehaltseinbußen in den Jahren 2006 bis 2008. Dazu hat er die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber habe schuldhaft die Zahl der Beauftragten reduziert, wodurch die Beratungstermine zurückgegangen seien. Die Beklagte sei verpflichtet, eine ausreichende Zahl von Beratern und Beratungsterminen zur Verfügung zu stellen.

Das Urteil
Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Klage auch vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Die zwischen den Parteien getroffenen Entgeltvereinbarungen sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden. Dem Wesen eines variablen Entgeltbestandteils entspricht es, in der Höhe von Einflüssen des Marktes, der Vertriebsorganisation des Arbeitgebers oder solchen, die von der Person des Arbeitnehmers ausgehen, abhängig zu sein. Grundsätzlich besteht, soweit die vertraglich vereinbarte Aufgabe nicht verändert wird, keine Pflicht des Arbeitgebers, seine Organisation so vorzuhalten, dass die erfolgsabhängig Vergüteten ein maximales variables Entgelt erzielen. Dies bedürfte einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung. Im konkreten Fall kam hinzu, dass ein Gebiets- oder Kundenschutz arbeitsvertraglich ausgeschlossen worden war und sich die Beklagte selbst bei Übertragung der Vorgesetztenfunktionen vorbehalten hatte, die Zahl der unterstellten Beauftragten oder Berater jederzeit verändern zu können.

Schwerbehinderte müssen zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden

Die Aussage der Überschrift trifft nur zu, wenn die Voraussetzungen des § 82 SGB IX erfüllt sind, mithin u.a. ein öffentlicher Dienstgeber Stellen besetzen will und der Bewerber auf seine Behinderung verweist und eine fachliche Eignung aufweist.

Erfolgt keine Einladung zum Vorstellungsgespräch ist dies ein Indiz für eine Diskriminierung wegen bestehender Schwerbehinderung sein und kann zu entsprechenden Schadensersatzansprüchen führen. Die Vermutung einer Diskriminierung kann durch den Beweis widerlegt werden, dass für die Nichteinladung nur solche Gründe vorgelegen haben, welche nicht die fehlende Eignung des Bewerbers oder dessen Schwerbehinderung betreffen.

Ein schwerbehinderte Bewerber hatte sich auf eine Ausschreibung der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main als „Pförtner/Wächter“ beworben. In seiner Bewerbung hatte er auf seinen GdB von 60 hingewiesen. Bei dem Dienstgeber besteht eine Rahmenvereinbarung zur Integration Schwerbehinderter. Nach dieser Integrationsvereinbarung kann von einer Einladung schwerbehinderter Bewerber zum Auswahlverfahren abgesehen werden, wenn zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragter Einvernehmen besteht, dass der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Die Bundespolizeidirektion sah im Einvernehmen mit den zu beteiligenden Stellen von einer Einladung des Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch ab.

Dieser sieht sich wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt und verlangt von der Beklagten eine Entschädigung in Höhe von 5.723,28 Euro.

Vor dem Landesarbeitsgericht erhält der Bewerber eine Entschädigungszahlung von 2.700,00 Euro zugesprochen. Das Bundesarbeitsgericht (Pressemitteilung Nr. 13/12) bestätigte diese Entscheidung

Die Bundespolizeidirektion hätte den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, weil durch die Integrationsvereinbarung das Recht des schwerbehinderten Bewerbers auf ein Vorstellungsgespräch nicht eingeschränkt werden sollte. Deshalb besteht die Vermutung, dass der Bewerber wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden ist. Diese Vermutung ist nicht durch Tatsachen widerlegt, die keinen Bezug zur Schwerbehinderung des Bewerbers und zu dessen fachlicher Eignung haben.

Freitag, 17. Februar 2012

Die Frage nach der Schwerbehinderung

Im Rahmen von Bewerbungsgesprächen stellt sich oft das Problem, ob die Frage nach einer Schwerbehinderung zulässig ist und wie ein Bewerber hierauf reagieren darf (u.Umständen besteht ein Recht zur Lüge).

Doch nach einer Pressemitteilung des BAG (12/2012) ist nun davon auszugehen, dass nach Bestand eines Arbeitsverhältnisses von mehr als 6 Monaten ein Arbeitgeber bezüglich einer etwaigen Schwerbehinderung nachfragen darf. Dann stehe - so das Bundesarbeitsgericht - vielmehr die Beachtung von Rechtspflichten im Vordergrund, als eine etwaige Diskriminierung. Rechtspflichten ergeben sich z.B. hinsichtlich der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung und der Einholung einer Zustimmung zur Kündigung durch das zuständige Integrationsamt.

Im vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Sachverhalt war ein befristet eingestellter Arbeitnehmer schwerbehindert mit einem GdB von 60. Nach Insolvenzeröffnung über den Arbeitgeber befragte der Insolvenzverwalter alle Arbeitnehmer mittels Fragebogen auch zu etwaigen Schwerbehinderungen. Der Arbeitnehmer verneinte dies.

Nachdem später die Kündigung erfolgte, wehrte sich der Arbeitnehmer hiergegen mittels Kündigungsschutzklage und verwies auf die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes.

Seine Kündigungsschutzklage blieb ohne Erfolg, da er die zulässige Frage nach Bestand einer Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneinte, ohne dass ihm ein Recht zur Lüge zur Seite stand.

Arbeitgebern ist vor diesem Hintergrund zu empfehlen, vor Ausspruch einer etwaigen Kündigung Arbeitnehmer explizit nach einer bestehenden Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen zu befragen.

Donnerstag, 16. Februar 2012

Gleiches Recht für alle - nur nicht für Verwandte

So dachte wohl die Gewerkschaft. In einem Autohaus sollte ein einköpfiger Betriebsrat gewählt werden.

Es bewarben sich unter anderem der Schwiegersohn des Unternehmers (Arbeitgeber) und die Tochter des Arbeitgebers. Die Tochter wurde als Kandidatin nicht zugelassen, der Schwiegersohn schon.

Die Betriebsratswahl wurde angefochten vom Arbeitgeber. Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitgeber Recht. Schwiegersohn und Tochter des Unternehmers sind Verwandte erstebn Grades und so hätte der Wahlvorstand entscheiden müssen, ob er beide zur Wahl zuläßt oder keinen. Aufgrund der Ungleichbehandlung und weiterer formaler Fehler war die Anfechtungsklage zulässig - wie auf der Internetseite hna.de mitgeteilt wird.




Sind Verwandte des Arbeitgebers

http://www.hna.de/nachrichten/landkreis-goettingen/goettingen/gewerkschaft-will-keine-angehoerigen-chefs-kandidaten-betriebsrat-zulassen-1602788.html

Der Weg zum Arbeitsplatz fördert die Gesundheit - Autofahrer diskriminiert?

In einer Justizvollzugsanstalt bekommen Arbeitnehmer im Rahmen einer Gesundheitsförderung Arbeitszeit gutgeschrieben, wenn Sie per Rad oder zu Fuß zur Arbeit kommen. Abstandsregelungen bzw. Distanzregelungen bestanden offensichtlich nicht, denn ein Arbeitnehmer beschwerte sich.

Er meint, dass er - der einen weiten Anfahrtsweg habe - gegenüber anderen Mitarbeitern, die in unmittelbarer Nähe der Arbeitsstelle wohnen benachteiligt werden würde. Während diese zur Arbeit laufen, sei er auf das Auto angewiesen und erhalte keine Gutschriften. Nun begehrt er für seinen Fußweg vom Parklatz zur Arbeitsstelle ebenfalls die Gutschrift.

Da er sie nicht erhält, klagt er vor dem Arbeitsgericht. Nachdem der Arbeitnehmer versetzt wurde an eine andere Arbeitsstelle, erhielt er nach Vergleichsabschluß zumindest Gutschriften von 5 h - laut dem Artikel auf http://www.newsclick.de

Mittwoch, 15. Februar 2012

zu spät ist zu spät

Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, ist er nach gewisser Zeit (siehe § 5 EntgFG) verpflichtet, dem Arbeitgeber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zukommen zu lassen.

Ein erkrankter Arbeitnehmer übersendet die Bescheinigung per Post und gibt hierbei die falsche Postleitzahl an. Deshalb kommt die Bescheinigung nicht frstgerecht beim Arbeitgeber an, welcher darauf hin dem Arbeitnehmer eine Abmahnung zukommen lässt.

Hiergegen wendet sich der Arbeitnehmer an das Arbeitsgericht - erfolglos, wie das LAG Köln (Az.:4 Sa 711/11) entschied. Hiernach ist eine Abmahnung wegen verspäteten Zugangs einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dann nicht unverhältnismäßig, wenn die Verspätung auf der Angabe einer falschen Postleitzahl durch den Arbeitnehmer beruht.

"Frauen vor ...

... Männer". Das klingt zunächst ungewohnt. Doch mit der Kenntnis des Sachverhaltes hinter dieser Regelung erklärt sich einiges.

Ein Krankenhaus mit 2.500 Mitarbeitern verfügt über zwei Parkmöglichkeiten für Mitarbeiter mit insgesamt 685 Parkplätzen. Der kleinere Parkplatz mit 85 Plätzen befindet sich unmittelbar neben dem Krankenhaus, die anderen Parkplätze ca. 500 m entfernt. Da die Parkplätze in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsort besionders begehrt sind, stellte das Unternehmen zusammen mit dem Betriebsrat Vergaberegelungen auf. Hiernach sollte folgende Reohenfolge eingehalten werden:

Dienstbeginn vor 6:30 Uhr bzw. Dienstende nach 20:00 Uhr
Frauen vor Männer
Beschäftigungsdauer
Alter


Ein Mitarbeiter eines Krankhauses war gehbehindert und begehrte einen der wenigen Parkplätze. Nachdem ihm dies versagt wurde, klagte er vor dem Arbeiztsgericht und meinte, dass die Regelung "Frauen vor Männer" gegen den Gleichbehandlungssatz aus dem Grundgesetz verstoße und zumindest eine Härtefallregelung für Männer aufgenommen werden müsste.

Vor dem LArbG Mainz (Az.: 10 Sa 314/11) blieb der Kläger erfolglos.

Zum ersten waren die vom klagenden Mitarbeiter gestellten Klageanträge auf eine Feststellung unzulässig, da kein Rechtsverhältnis Gegenstand der Anträge war.

Zweitens war die Bevorzugung von Frauen gerechtfertigt unter Berücksichtigung, dass Frauen häufiger Opfer von gewaltsamen (sexuellen) Übergriffen werden. Dieser Sachgrund hat ein hinreichendes, die Bevorzugung bei der Parkplatzzuteilung rechtfertigendes Gewicht.

Drittens liege kein "Härtefall" vor, da der klagende Mitarbeiter nicht schwerbehindert (GdB ab 50 und mehr) sei und auch eine außergewöhnliche Gehbehinderung (Merkzeichen G) nicht festgestelllt wurde.

Dienstag, 14. Februar 2012

Verletztenrente trotz "ausgeheilter" Hepatitiserkrankung

Durch die Einnahme von Medikamenten wurde der Zerstörung der Leberzellen Einhalt geboten. Dies nahm die Berugsgenossenschaft zum Anlass, einer Laborassistentin die bereits gewährte Verletztenrente für die Zukunft zu entziehen, obwohl die Laborassistentin unter psychischen Folgen weiterhin litt.

Das SG Detmold holte umfangreiche Gutachten ein, welche zur Kritik an der Berufsgenossenschaft und deren Vorgehen führte, wie auf http://sozialrecht-chemnitz.blogspot.com ausgeführt wird.

24 h - Arbeitszeit für Pflegekraft im Privathaushalt?

In einigen Privathaushalten werden Pflegekräfte zur Betreuung von Pflegebedürftigen eingesetzt. Meist wohnen Sie im selben Haus. Gilt deswegen bereits eine 24 h Arbeitszeit als vereinbart?

Hinsichtlich der Arbeitszeit geht die Bundesregierung in einer Antwort (Drucksache 17/8373)auf eine Anfrage aus dem Parlament davon aus, dass das Arbeitszeitgesetz auch für solche Pflegekräfte gilt, auch wenn Sie aus anderen Staaten kommen.

So gilt insbesondere, dass die werktägliche Arbeitszeit im Durchschnitt acht Stunden nicht überschreiten darf (§ 3 ArbZG). Die Ruhezeit (§ 5 ArbZG) zwischen dem Ende einer Arbeitszeit und dem Beginn der darauffolgenden müsse mindestens elf ununterbrochene Stunden betragen.

Ob das in jedem betroffenen Haushalt so ausgeübt wird ist eine noch offene Frage.

Montag, 13. Februar 2012

frühere Abmahnung nicht erwähnt - Kündigung futsch

Eine missliche Lage, in welche sich ein Arbeitgeber manövriert hat.

Eine seit 1999 als Reinigungskraft in einer Badeanstalt beschäftigte Arbeitnehmerin erhielt bereits 2009 eine Abmahnung wegen Verlassens des Geländes ohne vorherige Abmeldung. Danach wurde sie noch zweimal ermahnt von Ihrem Arbeitgeber.

Nun wurde sie im Betrieb ertappt, wie sie das Fundsachenregal durchsuchte und einen Tauchring mitnahm. Der Arbeitgeber hegte den Verdacht des Diebstahls, hörte sie an und informierte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung wegen des Verdachts des Diebstahls. Die frühere Abmahnung und die Ermahnungen erwähnte der Arbeitgeber bei der Betriebsratsanhörung nicht.

Trotz Bedenken des Betriebsrates wurde eine fristlose und vorsorglich eine fristgemäße Kündigung ausgesprochen.

Die Arbeitnehmerin wehrte sich mittels Kündigungsschutzklage.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (Urt. v. 10.01.2012, Az. 2 Sa 305/11) gab der Reinigungskraft Recht. Die Kündigung war bereits aus formellen Gründen unwirksam, weil dem Betriebsrat zu wenig mitgeteilt wurde. Grundsätzlich müsse der Arbeitgeber dem Betriebsrat mehr als nur die konkreten Fakten mitteilen, aus denen sich der Verdacht des Diebstahls ergebe. Er müsse ihn in der Anhörung auch über Abmahnungen und Ermahnungen informieren und schildern, welche Gesichtspunkte er vor seinem Kündigungsentschluss wie gegeneinander abgewogen habe .

Verfahrensaussetzung bei mehreren Kündigungsschutzverfahren

Darf ein Arbeitsgericht ein Kündigungsschutzverfahren (der Beschleunigungsgrundsatz sollte nicht unbeachtet bleiben) aussetzen, wenn über eine zeitlich vorgehende Kündigung noch nicht rechtskräftig entschieden wurde?

Das LAG Nürnberg bejaht diese Frage mit seiner Entscheidung vom 24.11.2011 (7 Ta 185/11) Hat der Arbeitgeber mehrere Kündigungen ausgesprochen und wird durch Urteil entschieden, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet worden sei, ist die Entscheidung, das Kündigungsschutzverfahren bezüglich einer Kündigung, die das Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt beenden würde, bis zur Rechtskraft des Urteils auszusetzen, ermessensfehlerfrei.

Freitag, 10. Februar 2012

Welcher Schaden ist ersetzbar bei Falschauskunft zur Betriebsrente?

Ein Arbeitnehmer erhielt von seinem Arbeitgeber eine unzutreffende Auskunft hinsichtlich einer monatlichen Betriebsrente. Zunächst ging der Arbeitnehmer von einer (unzutreffeden) Höhe von 903,66 € im Monat aus, tatsächlich erhielt er später aber nur 652,81 €. Aufgrund der falschen Annahme - so trägt der Arbeitnehmer vor - sei er vorzeitig in Rente gegangen. Die Differenz sei ihm zu ersetzten, zumindest als Schaden.

Weil der Arbeitgeber dies ablehnt, muss das Arbeitsgericht entscheiden. Das ArbG Lörrach (Urteil vom 11.1.2012, 5 Ca 115/11) entschied, dass ein Arbeitgeber bei unrichtiger überhöhter Betriebsrentenauskunft grundsätzlich haftet, allerdings nur für den entstandenen Vertrauensschaden (sog. negatives Interesse).

Weiterhin kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass kein Anspruch auf Schadenersatz wegen entgangener Vergütung und Rentenabschlägen besteht, wenn sich ein Arbeitnehmer nach Überzeugung des Gerichts auch bei zutreffender Betriebsrentenauskunft für einen vorzeitigen Rentenbeginn entschieden hätte.

Weil kein Mensch und kein Richter wirklich nachweisen kann, wie ein Dritter sich in einer bestimmten Konstellation entschieden hätte, wird unterstellt, ein Arbeitnehmer hätte sich wie ein wirtschaftlich Denkender verhalten.

Vor diesem Hintergrund wurde dem Arbeitnehmer keine Zahlung zugesprochen.

Donnerstag, 9. Februar 2012

Wenn Freundschaft zum Kündigungsgrund wird

Ein Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) war verwandt bzw. befreundet mit zwei Kundinnen der Verkehrsbetriebe, was für den Ausspruch einer Kündigung reichte.

Hintergrund:
Die Verkaufsstellen erhalten Blankofahrscheinrollen, mit denen Fahrscheine ausgedruckt werden. Restrollen werden zurückgegeben und in einem Tresor verwahrt. Für die Mitarbeiter der Verkaufsstellen besteht die Möglichkeit, in einem besonders gesicherten Schulungsraum die Herstellung von Fahrscheinen zu trainieren.

Die oben benannten Kundinnen haben innerhalb kurzer Zeit mehrere Jahreskarten und Tageskarten zur Erstattung eingereicht. Durch Prüfung fiel auf, dass diese Jahres- und Tageskarten im Schulungsraum der Berliner Verkehrsbetriebe hergestellt waren.

Die BVG ermittelte und stellte das Freundschafts- und Verwandtschaftsverhältnis zum Arbeitnehmer fest und nahm dies zum Anlass, eine fristlose ausserordentliche Kündigung auszusprechen.

Die Entscheidung
Der Arbeitnehmer wehrte sich hiergegen mittels Kündigungsschutzklage - doch leider erfolglos vor dem LAG Berlin - Brandenburg (Urt. v. 08.02.2012, Az. 24 Sa 1800/11).

Nach Ansicht der Richter besteht aufgrund der freundschaftlichen bzw. verwandschaftlichen Verbundenheit zwischen Arbeitnehmer und den Kundinnen eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Arbeitnehmer an der erfolgten Fahrscheinmanipulation beteiligt gewesen sei. Dies berechtige den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung des langjährig bestehenden Arbeitsverhältnisses. Eine Täterschaft des Arbeitnehmers müsse hierfür nicht nachgewiesen werden.

Fazit:
Eine Verdachtskündigung ohne Tatnachweis ist möglich und freundschaftliche Verbindungen können eine Kündigung begründen.

Mittwoch, 8. Februar 2012

Darf der Betriebsrat wissen, wer langzeiterkrankt war bzw. ist?

Der Arbeitgeber soll nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX für Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) prüfen. Sinn und Zweck dieses Verfahrens ist die Klärung, ob und wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.

Wird ein solches betriebliches Eingliederungsmanagment nicht durchgeführt, ist zwar eine personenbedingte Kündigung aufgrund Krankheit nicht unzulässig, jedoch für den Arbeitgeber schwieriger, da ihn dann ein höhere Darlegungs- und Beweislast trifft.

Zudem hat ein Betriebsrat zu überwachen - soweit er existiert -, ober der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Einleitung des bEM nachkommt.

Ein Betriebsrat eines auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrttechnik tätigen Unternehmens besteht auf Einhaltung einer Betriebsvereinbarung über die Durchführung des bEM, wonach der Betriebsrat quartalsweise ein Verzeichnis der Mitarbeiter, die im Jahreszeitraum mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig waren, erhält. Der Arbeitgeber möchte die Namen dieser Arbeitnehmer jedoch nur mit deren Einverständnis offen legen. Dem widersprach der Betriebsrat und die Parteien trafen sich vor dem Arbeitsgericht zur Klärung dieser Frage.

Nun entschied das Bundesarbeitsgericht (Pressemeldung 10/12), dass die Wahrnehmung der dem Betriebsrat obliegende Aufgabe nicht von der Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer abhängig ist. Für die Ausübung seines gesetzlichen Überwachungsrechts muss der Betriebsrat diesen Personenkreis kennen; einer namentlichen Benennung stehen weder datenschutzrechtliche Gründe noch das Unionsrecht entgegen.

Überstundenvergütung ohne Anordnung der Mehrarbeit

Eine Büroangestellte stöhnt unter vermehrter Arbeitsbelastung. Um dieser Herr zu werden, leistet sie Überstunden. Ihr Fachvorgesetzter hat hiervon Kenntnis und nimmt dieses hin.

Später verlangt die Büroangesellte die Vergütung von Überstunden.

Vor dem LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 23.12.2011, Az.: - 6 Sa 1941/11) hat sie Erfolg. Das Gericht stellt dabei auf die Duldung der Überstunden durch den Arbeitgeber ab. Der Arbeitgeber musste sich eine Duldung von Überstunden durch den Vorgesetzten als Direktionsbefugten zurechnen lassen, auch wenn dieser bloß Fachvorgesetzter ist. Es gehörte zu seinen Aufgaben, bei der arbeitstechnischen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zur Büroangestellten darauf zu achten, dass diese ihr Pensum innerhalb der regulären Arbeitszeit erledigt.

Wenn ein Vorgesetzter es gleichwohl hinnimmt, dass eine Angestellte deutlich länger anwesend ist, besteht gerade im Bereich schlichter Büroarbeit eine berechtigte Vergütungserwartung der Angestellten.

Fazit: Die Entstehung von Zahlungsansprüchen durch schlichte Duldung von Mehrarbeitsleistungen durch den Arbeitgeber sollte nicht übersehen werden. dabei fällt auf, dass das LAG Berlin-Brandenburg in letzter Zeit mit arbeitnehmerfreundichen Entscheidungen auffiel.

Dienstag, 7. Februar 2012

Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Nachtschichtuntauglichkeit

Ein Arbeitnehmer erhielt bereits 1999 und 2005 ärztlich bestätigt, dass ein genereller Verzicht auf Nachtarbeit aus ärztlicher Sicht dringend geboten ist. Dennoch bewarb er sich bei einem Frachtabfertigungsunternehmen und schloß am 8. Dezember 2009 mit diesem einen Arbeitsvertrag ab. Hiernach verpflichtete er sich, als Frachtabfertiger Nacht- und Wechselschicht zu leisten.

Unmittelbar nach Aufnahme der Tätigkeit bei dem Unternehmen am 1. März 2010 legte der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die ärztlichen Bescheinigungen aus 1999 und 2005 vor. Am 10. und am 29. April 2010 wurde nochmals ärztlich bestätigt, dass der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtarbeit verrichten soll.

Am 7. Mai 2010 erklärte daraufhin der Arbeitgeber die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung des Arbeitnehmers über seine Einsatzfähigkeit.

Die hiergegen erhobene Klage des Arbeitnehmers blieb vor dem Arbeitsgericht erfolglos, ebenso die Berufung vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (Pressemitteilung 1/12). Das Arbeitsverhältnis endete mit Erhalt der Anfechtungserklärung am 7. Mai 2010.

Nach Ansicht der Richter steht fest, dass der Arbeitnehmer bereits bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages wusste, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in Nachtarbeit eingesetzt werden kann. Durch diese Täuschung über die nach dem Vertrag vorausgesetzte Schicht- und Nachtschichttauglichkeit sei der Arbeitgeber arglistig zum Abschluss des Vertrages bestimmt worden. Der Arbeitgeber sei im Hinblick auf die Planbarkeit aller Mitarbeiter und aus Gründen der Gleichbehandlung darauf angewiesen, dass die bei ihr Beschäftigten in allen Schichten eingesetzt werden können. Gegen die arglistige Täuschung durfte sich der Arbeitgeber mit der Anfechtung des Arbeitsvertrags zur Wehr setzen.

Donnerstag, 2. Februar 2012

Wenn Tote klagen ...

... kann es sich um ein Schreibversehen handeln. Anders sind die Ausführungen des Bay. Landessozialgericht vom 14.12.2011 (Az.: - L 2 U 566/10) nicht zu verstehen, heißt es doch dort:

"Der 1972 geborene Ehemann bzw. Vater der Kläger erlitt am 11.06.2008 auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstätte gegen 21.25 Uhr auf der Bundesstraße 20 bei km 7,8 einen Verkehrsunfall. Er verstarb an der Unfallstelle. Eine um 22.28 Uhr durchgeführte Blutentnahme ergab eine Blut-Alkohol-Konzentration (BAK) des Klägers von 0,93 0/00."

Nach kurzen Nachdenken ergibt sich, dass die Kinder des verstorbenen Unfallopfers gegen die Berufsgenossenschaft klagen, weil diese den Verkehrsunfall auf dem Heimweg wegen des Alkoholeinflusses nicht als Arbeitsunfall anerkennen will. Das bereits an der Unfallverstorbene Unfallopfer kann hingegen nicht Kläger sein, mithin handelt es sich um die BAK des Unfallopfers und nicht die BAK der Kläger bzw. des Klägers.

Wir die Anerkennung als Arbeitsunfall ausgeht, erfahren sie auch auf http://sozialrecht-chemnitz.blogspot.com.