Dienstag, 30. April 2013

Es gibt keine Propheten, auch nicht im Recht

Weit verbreitet ist das Sicherheitsdenken. Alles muss so werden wie vorausgeplant. Wenn es Abweichungen von der eigenen Zukunftsplanung gibt, ist jemand anderes schuld und dieser andere muss dann dafür sorgen, dass die eigene zukunftsplanung doch noch erfüllt wird.

Ein Beispiel hierfür ist das Begehren eines Rentners auf eine höhere betriebliche Rente (immerhin 90,41 € im Monat), weil zur finanziellen Sicherung der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2003 eine sprunghaft höhere Beitragsbemessungsgrenze galt. Bis hierher schon zu kompliziert - nun gut, genaueres kann in der Entscheidung des LArbG Stuttgart vom 09.06.2011 - 6 Sa 120/10 und demnächst vom Bundesarbeitsgericht - 3 AZR 475/11 - nachgelesen werden.

Das Bundesarbeitsgericht bestätigt die Klageabweisung der Vorinstanzen, allerdings unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung.

Fazit: Auch in der Rechtsprechung ändert sich vieles und Propheten als Zukunftsvorhersager wären schön, gibt es aber nicht.

Freitag, 26. April 2013

Sozialpädagoge im verkündigungsnahen Bereich der Kirche

Ein seit 1992 beim beklagten Caritasverband beschäftigter Sozialpädagogen ging gegen seine auf seinen Austritt aus der katholischen Kirche gestützte Kündigung mittels Kündigungsschutzklage vor.

Der Sozialpädagoge arbeitete in einem sozialen Zentrum, in dem Schulkinder bis zum 12. Lebensjahr nachmittags betreut werden. Die Religionszugehörigkeit der Kinder ist ohne Bedeutung. Religiöse Inhalte werden nicht vermittelt. Im Februar 2011 trat der Sozialpädagoge aus der katholischen Kirche aus. Gegenüber dem Caritasverband nannte er als Beweggründe die zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen, die Vorgänge um die „Piusbruderschaft“ und die Karfreitagsliturgie, in der eine antijudaische Tradition der katholischen Kirche zu Tage trete.

Die Kündigungsschutzklage blieb vor dem Bundesarbeitsgericht (Pressemitteilung Nr. 29/13)
erfolglos. Der Sozialpädagoge sei im verkündigungsnahen Bereich tätig und es sei der Caritas nicht zuzumuten, ihn nach seiner Lossagung vom katholischen Glauben insgesamt noch dort zu beschäftigen. Die Abwägung der Interessen falle zugunsten der Caritats aus.

Es ist schon bemerkenswert, dass ein Sozialpädagoge, der keine relegiöse Inhale vermittelt, dennoch dem verkündungsnahen bereich zugeordnet wird. Während der EGMR die Tätigkeit als Organist einer Kirchgemeinde als nicht von einer so herausgehobenen Art bewertet, dass dies die Kündigung wie bei Seelsorgern etc. rechtfertigen würde, soll nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes dies aber bei Sozialpädagogen in Bereichen, in denen keine religiösen Inhalte vermittelt werden, der Fall sein.

Auskunftsverweigerung (k)eine Diskriminierung?

Viele Bewerber stellen sich nach Erhakt einer Absage die Frage, aus welchen Gründen es nicht geklappt habe. Manche meinen auch, dass dahinter eine Diskriminierung stecken könnte. Sie wollen es genau wissen und fragen eventuelll nach, wer aus welchen Gründen erfolgreich war.

Doch was passiert, wenn der potentielle Arbeitgeber auf eine solche Frage nicht anwortet? Ist die Auskunftsverweigerung bereits ein Indiz für eine Diskriminierung?

Bereits hier und hier wurde über den Werdegang eines Gerichtsverfahren berichtet. Nun hat das Bundesarbeitsgericht (8 AZR 287/08) erneut entschieden.

Die Bewerbung nebst Ablehnung
Die 1961 in der Russischen SSR geborene Bewerberin hatte sich im Jahre 2006 auf eine ausgeschriebene Stelle eines/einer Softwareentwicklers/-in erfolglos beworben. Das Unternehmen teilte ihr nicht mit, ob es einen anderen Bewerber eingestellt hatte und gegebenenfalls, welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich gewesen waren. Die Bewerberin behauptet, sie habe die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle erfüllt und sei lediglich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und damit unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) diskriminiert worden. Sie hat vom Unternehmen eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt.

Auskunftsanspruch und Diskriminierung?
Unter Berücksichtigung der Antworten des EUGH (C-415/10) auf Fragen des BAG hält dieses fest, dass sich ein Auskunftsanspruch nicht aufgrund des Gemeinschaftsrechts ergebe, die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Arbeitgeber jedoch unter Umständen einen Gesichtspunkt darstellen könne, welcher beim Nachweis der Tatsachen heranzuziehen sei, die eine Diskriminierung vermuten lassen.

Die Bewerberin habe zwar auf ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre Herkunft hingewiesen, jedoch keine ausreichenden Indizien dargelegt, welche eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen und die nach § 22 AGG zu einer Beweislast des Unternehmens dafür führen würden, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen habe.

Die Verweigerung jeglicher Auskunft durch das Unternehmen habe im Streitfalle nicht die Vermutung einer unzulässigen Benachteiligung der Bewerberin i.S.d. § 7 AGG begründet.

Erleichterung für Arbeitgeber?
Arbeitgeber  können etwas aufatmen. Das Verweigern einer Auskunft allein dürfte nach der Presseerklärung des Bundesarbeitserichtes kein Indiz einer Diskrimnierung darstelllen. Aber Vorsicht: Schnell kann es passieren, dass noch ein weiteres Indiz hinzukommt und schon hat das Unternehmen das Beweisrisiko

Donnerstag, 25. April 2013

Bürofrühling

Nun endlich auch in Chemnitz - der Frühling.

Ein Blick aus dem Bürofenster zeigt weisrosa Blütenpracht.

Da schweift der Blick gern aus den Büchern voller Paragraphen, Akten voller Probleme und vom Bildschirm ab und Goethes Faust zitierend geht durch den Kopf: "Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: Verweile doch, du bist so schön!"

Montag, 22. April 2013

Jetzt geht es also doch - Friseure und Mindestlohn

Die Nachrichten melden, es soll demnächst einen Mindestlohn für Friseure geben.

So meldet unter anderem faz.net, dass bereits in der ersten Tarifverhandlung die Einigung erzielt wurden sei. Details ergeben sich unter anderem aus der Pressemeldung des Zentralverbandes des deutschen Friseurhandwerks.

Zwar gilt dies erst einmal nur für tarifgebundene Unternehmen und Arbeitnehmer. Aber: es soll eine Allgemeinverbindlichkeit durchgesetzt werden.

Ist das die Angst vor dem gesetzlichen Mindestlohn, welche die Arbeitgeberverbände zum Abschluss motiviert?

Was es für das Friseurhandwerk bedeutet, beleuchtete handelsblatt.com.


Schrottsortieren kann Mobbing sein - Schmerzensgeld

Mobbing
Ein in einer IT-Abteilung beschäftigter Arbeitnehmer war bis 2003 Bereichsleiter IT-Softwareservice gewesen.

Nachdem er sich über Unterbeschäftigung beklagt hatte, wurde er angewiesen, tägliche Arbeitsberichte zu verfassen und EDV-Schrott zu sortieren.

Der Konflikt zwischen den Parteien spitzte sich zu, der Arbeitnehmer wurde psychotherapeutisch behandelt. Zuletzt brach der Geschäftsführer der Arbeitgeberin ein BEM-Gespräch (Betriebliches Eingliederungsmanagement), in dem die Wiedereingliederung des Arbeitnehmers nach langanhaltender Erkrankung erörtert werden sollte, ab. Der Arbeitnehmer ist seit mehreren Jahren arbeitsunfähig erkrankt.

Schmerzensgeld
Das ArbG Siegburg(1 Ca 1310/12) hat der Schmerzensgeldklage des Arbeitnehmers stattgegeben und die Arbeitgeberin und den Geschäftsführer zur Zahlung von 7.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt.

Dienstag, 16. April 2013

Rohrverleger auf Abwegen

Ein Arbeitnehmer war seit August 2000 bei seinem Arbeitgeber, der einen Betrieb für Abflussrohrsanierungen führt, als Rohrleitungsmonteur beschäftigt.

Im August 2007 erledigte er zunächst einen Auftrag seines Arbeitgebers bei einer Kundin und inspizierte die Abflussrohre im Bereich Küche und Keller mit einer Spezialkamera.

Einige Tage später kam er zurück und verlegte bei der Kundin neue Abflussrohre zur Behebung des festgestellten Schadens. Dafür verlangte er 900 Euro in bar, die die Kundin auch zahlte. Eine Quittung stellte der Arbeitnehmer nicht aus. Das Geld behielt für sich.

Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer im Juli 2011 die fristlose Kündigung ausgesprochen. Hiergegen wehrte sich dieser mittels Kündigungsschutzklage.

Das LAG Frankfurt/Main (16 Sa 593/12) meint, dass der Arbeitnehmer durch diese Konkurrenztätigkeit seine arbeitsvertraglichen Pflichten massiv verletzt hat. Ein Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht anbieten. Dem Arbeitgeber solle dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr nachteiliger Beeinflussung durch die eigenen Arbeitnehmer offenstehen.

Die dem Arbeitnehmer im Juli 2011 ausgesprochene fristlose Kündigung sei deshalb wirksam und habe das Arbeitsverhältnis mit deren Zugang beendet. Der Arbeitgeber habe erst wenige Tage vor der Kündigung von dem Vorfall aus dem Jahr 2007 erfahren, als die Kundin bei ihm wegen der Nachbesserung mangelhafter Leistungen des Arbeitnehmers vorgesprochen habe. Deshalb sei die Kündigung auch nicht verfristet ode verwirkt.

Montag, 15. April 2013

unabsichtliche Fehleintragung führt zu fristloser Kündigung

In vielen Arbeitsverhältnissen führen Arbeitnehmer die Zeiterfassungsbelege. Werden diese unzutreffend vom Arbeitnehmer ausgefüllt, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dies gilt auch, wenn eine Falscheintragung auch ohne Absicht des Arbeitnehmers erfolgte.

Eine Mitarbeiterin eines Museums durfte die von ihr geleisteten Arbeitszeiten handschriftlich auf Zeitkarten erfassen. Für einen Tag, an dem sie nicht gearbeitet hatte, war auf ihrer Zeitkarte eine geleistete Arbeitszeit von sechs Stunden eingetragen. Als der Arbeitgeber das bemerkte, wurde ihr wegen Arbeitszeitbetrug fristlos gekündigt. Sie wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage und trug vor, sie wisse nicht, wie es zu der falschen Eintragung auf der Zeiterfassungskarte gekommen ist. Wenn die falsche Eintragung überhaupt von ihr stammen sollte, dann sei dies jedenfalls nur versehentlich geschehen. Eine Abmahnung hätte genügt.

Das  Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz (10 Sa 270/12) bestätigte die fristlose Kündigung. Der Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, kann grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dabei kommt es allein  auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an.Wird die fehlende Kontrollmöglichkeit dazu ausgenutzt, die Zeiterfassungskarte falsch auszufüllen, ist das für eine weitere Zusammenarbeit notwendige Vertrauen unwiederbringlich zerstört. Arbeitgeber können von ihren Mitarbeitern erwarten, dass diese ihre Kommens- und Gehenszeiten sofort eintragen, weil mit zunehmendem Zeitablauf das menschliche Erinnerungsvermögen abnimmt.

Was verbindet Flugbegleiter und Richter?

Ich habe immer Recht - Aufkleber von juris.de
Gibt es randalierende Richter in Flugzeugen? Haben Richter Sonderwünsche an Flugbegleiter? Ober bekommen Richter eine Sonderbehandlung auf einem Flug?

Nichts von alledem ist mir bekannt (ich bin ja auch kein Richter).

Nein - die Sozialkompetenz ist das verbindende Element.


Angehende Richter können sich die als Flugbegleiter erworbene Sozialkompetenz anrechnen lassen und so eine höhere Besoldung verlangen. So sieht es das VG Berlin (20. März 2013 - VG 7 K 302.12).

Was meint Ihr, ist die Tätigkeit als Flugbegleiter und  Fluggastabfertiger geeignet, soziale Kompetenzen zu erwerben, wie Sie für den Richterberuf erforderlich sind?

Donnerstag, 11. April 2013

Rettet die Rettungsassistenten

In der medizinischen Notfallversorgung sind viele Rettungssanitäter und Rettungsassistenten tätig. Der Unterschied liegt in Deutschland darin, dass Rettungsassistenten eine längere und (etwas) umfassendere Ausbildung durchlaufen und deshalb (etwas) mehr an Berechtigungen haben. Deshalb werden sie in Tarifverträgen auch in höhere Vergütungsgruppen eingestuft.

Viele ausgebildete Rettungsassistenten werden (trotz höherer Qualifizierung) jedoch als Rettungssanitäter eingestellt und bezahlt. Es ist dabei - nach meiner Erfahrung zumindest in Sachsen - weit verbreitet, dass den als Rettungssanitäter beschäftigten und bezahlten Personen Aufgaben zugewiesen werden, in denen sie als Rettungsassistent tätg sind (aufgrund der weitergehenden Qualifizierung und Berechtigung).

Dies kann dazu führen - wenn der Arbeitgeber keine genügende Obacht walten lässt -, dass die Rettungssanitäter in weit mehr als der Hälfte der Arbeitszeit als Assistent tätig bzw. eingesetzt sind.

Dies führt dazu, dass ein Anspruch der entsprechend qualifizierten Rettungssanitäter besteht auf  
- Bezahlung wie die höher eingestuften Rettungsassistenten,
- die entsprechende Höhergruppierung und
- adäquate Beschäftigung als Rettungsassistent.

Dies bestätigt das (noch nicht rechtskräftige) Urteil des ArbG Chemnitz vom 07.03.2013, Az.: 3 Ca 1224/12.

Betroffene Arbeitnehmer sollten tunlichst rückwirkend prüfen, zu welchen Anteilen der Arbeitszeit sie als Rettungssanitäter oder aber als Rettungsassistent eingesetzt und tätig waren.

Arbeitgeber sollten auf eindeutige und klare Einsatzpläne achten, aus denen hervorgeht, mit welchen Tätigkeiten bzw. mit welcher Qualifikation die Arbeitnehmer eingeplant und tätig werden.

Dienstag, 9. April 2013

der Lohn einer Sanitärbetreuerin (Toilettenfrau)

Wer kennt sie nicht, die öffentlichen Toiletten und deren Zustand. Da freuen sich Bedürftige doch, wenn sie eine saubere Toilette vorfinden und sei es in einem großen Warenhauses bzw. Einkaufstempels. Doch was verdienen die dort oftmals tätigen "Toilettenfrauen"?

Eine dieser "Toilettenfrauen" war von April bis September 2012 als so genannte "Sanitärbetreuerin" (klingt tatschlich besser und nicht so abwertend wie Toilettenfrau) für ein Dienstleistungsunternehmen in einem Hamburger Einkaufstempel tätig. Für die Vollzeittäigkeit erhielt sie ein Grundgehalt von 600 Euro brutto. Zusätzlich hat der Arbeitgeber - jedenfalls in den letzten Monaten des Arbeitsverhältnisses - freiwillige Prämien gezahlt. Nach Angaben des Anwaltes der Sanitätbetreuerin soll der Stundenlohn inklusive Prämien in manchen Monaten 4,30 € betragen haben (meldet sueddeutsche.de)

Die Sanitärbetreuerin fand das zu wenig und verlangte die Zahlung des tariflichen Mindestlohns nach dem "Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland" vom 23.08.2011 von 8,82 Euro je Stunde.

Das Arbeitsgericht in Hamburg (7 Ca 541/12) hat die Klage abgewiesen.

Der Mindestlohntarifvertrag für das Reinigungsgewerbe fände auf das Arbeitsverhältnis  keine Anwendung. Die Sanitärbetreuerin habe nicht konkret schildern und unter Beweis stellen können, dass ihre Betriebsabteilung überwiegend mit Reinigungsarbeiten beschäftigt worden ist.

Auch Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des "Lohnwuchers" wurden verneint. Lohnwucher komme nach der Rechtsprechung erst dann in Betracht, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in dem betreffenden Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Entgelts erreicht. Wegen einer wirksam vereinbarten Ausschlussfrist waren im vorliegenden Fall nur Ansprüche für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses zu prüfen. In diesen Monaten habe die Sanitärbetreuerin jedoch bei Einrechnung der freiwillig gezahlten Prämien Stundenentgelte von ca. 6 Euro erzielt. Es konnte somit nicht festgestellt werden, dass dieses Gehalt weniger als 2/3 der branchenüblichen Vergütung beträgt.