Freitag, 30. Dezember 2011

Neues für 2012

Eine Übersicht über neue Regelungen in 2012 findes sich auf http://sozialrecht-chemnitz.blogspot.com/

1 % - Regel nicht ausnahmslos anwendbar

Einem Rechtsanwalt, der auch nichtselbständig als Bankmitarbeiter tätig war und dem eine Firmengruppe über deren Steuerberater einen PKW unentgeltlich zur Nutzung überlassen hatte, wurden die Leasingraten als Betriebseinnahme angerechnet. Der Anwalt vertrat dagegen die Auffassung, dass die Betriebseinnahme lediglich auf der Grundlage der sog. 1%-Regelung anzusetzen sei.

Das Hessische Finanzgericht (10 K 939/08) folgte der Auffassung des Anwaltes nicht. Es stellte dabei darauf ab, dass auch Sachleistungen und Nutzungsvorteile, wie z.B. die Kraftfahrzeuggestellung, Betriebseinnahmen seien. Zudem hat der Anwalt den gestellten PKW ausschließlich zu privaten Zwecken und nicht im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit genutzt, weshalb die Anwendung der sog. 1%-Regelung nicht in Betracht kommt. Vielmehr seien die Leasingraten in voller Höhe als sog. geldwerter Vorteil Betriebseinnahmen.

Kann ich dem Arbeitnehmer den Arzt im Vertrag vorschreiben

Eine Rechtsanwaltsgehilfin fand in ihrem Arbeitsvertrag einen Passus, wonach sie sich im Falle einer Arbeitsunfähigkeit vertraglich zur Untersuchung bei einem bestimmten Arzt verpflichtet. Darüber hinaus sollte sie automatisch zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht verpflichtet werden. Sollte sie sich später hieran nicht halten, würde der Lohn während der Krankschreibung nicht weitergezahlt.

Grundsätzlich (Ausnahmen bestätigen die Regel) besteht im Fall einer Arbeitsunfähigkeit ein Entgeltfortzahlungsanspruch (§ 3 EntgFG) gegenüber dem Arbeitgeber. Die Rechtsanwälte hatten nun wohl aus ihrer Erfahrung heraus den Verdacht, dass einige Arbeitnehmer diese Regelung zu ihrem Vorteil und zum Schaden des Arbeitgebers ausnutzen. Dem sollte mit der vertraglichen Regelung ein Riegel vorgeschoben werden.

Doch es half nichts. Dem Arbeitsgericht Frankfurt/Main (7 Ca 1549/11) ging diese vertragliche Regelung nach einer Meldung auf stern.de zu weit, so dass diese unwirksam war.

Dienstag, 27. Dezember 2011

"Krankenkassenwahl" - Wettbewerbsrecht im Arbeitsrecht

Auch wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten können das Gebiet des Arbeitsrechts nicht nur berühren, sondern auch direkt betreffen.

Dabei klang es so naheliegend. Ein Krankenhaus verlangte von Bewerbern, dass diese die Krankenkasse "wählen", welche das größte Bettenkontigent im Krankenhaus hat.

Hiervon erfuhr ein Wettbewerbsverband, der eine solche vorgegebene "Wahl" wettbewerbswidrig erachtet. Das Krankenhaus sah es nicht so, weshalb der Sachverhalt vor das OLG Brandenburg kam. Dieses bestätigte, dass Arbeitgeber die "richtige Krankenkasse" nicht zu einer Einstellungsvoraussetzung machen dürfen und dies wettbewerbswidrig sei.

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Wenn Anwälte diskriminieren

Wenn Anwälten Fehler unterlaufen in der Mandatsbearbeitung kann das teuer für Mandanten werden.

Doch es gibt auch die weitverbreitete Ansicht, dass Anwälte in eigenen Angelegenheiten wesentlich nachlässiger sind. Ein Beispiel für letzteres zeigte mir die Lektüre des aktuellen Blattes der Kammer aktuell der Sächsischen Rechtsanwaltskammer.

Darin finden sich zwei Anzeigen, welche auf meine Bedenken stoßen - darunter auch von Fachanwälten für Arbeitsrecht.

Da gibt es eine Anzeige der Rechtsanwaltskanzlei Arnscheid & Kollegen, welche "eine engagierte RA-Fachangestellte" suchen und eine Anzeige der Kanzlei Arnold aus Dresden, welche "eine Refa" suchen.

Mittlerweile dürfte es sich doch herumgesprochen haben, dass Anzeigen regelmäßig nicht nach Geschlecht differenzieren sollen. Doch ein Blick in die Internet-Stellenbörse der Kammer zeigt noch einige weitere "bedenkliche Stellenzeigen", können diese doch für Arbeitgeber unter Berücksichtigung des AGG teuer werden.

Aber vielleicht hat ja auch nur die Kammer die Anzeige nicht richtig übertragen.

Mittwoch, 21. Dezember 2011

24 Unterstützer

Eine Verkäuferin einer Karstadtfiliale (31 Jahre Betriebszugehörigkeit) wehrt sich gegen eine fristlose Kündigung wegen Diebstahls von 2 Socken. Angeblich wurden nur deren Abrechnung vergessen.

Im Verfahren um die Kündigungsschutzklage gab es dann im Gütetermin eine Überraschung - und damit ist nicht ein Vergleichsschluss gemeint (den es auch nicht gab) - 24 Mitarbeiter wollten die Arbeitnehmerin unterstützen. Die Saalbestuhlung war nicht ausreichend groß. Sogar Geld gesammelt haben die Kollegen, damit sich die Arbeitnehmerin einen Anwalt leisten kann - so der Bericht aus dem Flensburger Tageblatt.

Wenn Sie so bedürtig ist, hätte es aber auch Prozesskostenhilfe gegeben.

Prozesskostenhilfe und Gerichtskosten

Ab und zu kommt es vor, dass Empfänger von Prozesskostenhilfe in einem Vergleich die gesamten oder teilweisen Verfahrenskosten übernimmt. Dann stellt sich die Frage, ob dies auch für die Gerichtskosten gilt, also das Gericht die Gerichtsgebühren auch vom demjenigen zur Zahlung verlangen kann, welche Prozesskostenhilfe gewährt bekommen hat.

Diesem Ansinnen steht die Entscheidung des OLG Frankfurt/Main (3 U 298/10) entgegen. Hiernach darf bei Gewährung der Prozeßkostenhilfe der Betroffene darauf vertrauen, nicht für Gerichtskosten aufkommen zu müssen (wenn sein Einkommen und Vermögen sich nicht geändert haben).

eingeschränkter Rechtsschutz für Pfarrer und Offiziere der Heilsarmee

Für Angestellte in kirchlichen Diensten besteht ein besonderes Kirchenrecht. Problematisch ist, ob Betroffene sich auch vor den staatlichen Gerichten gegen Maßnahmen wehren können, welche sie für unrechtmäßig erachten.

Die Pfarrer Andreas Baudler, Roland Reuter sowie die (entlassene) Offiziere der Heilsarmee Hanna und Peter Müller, wehrten sich zunächst erfolglos vor den innerkirchlichen Gremien gegen sie betreffende Maßnahmen. Danach wandten sie sich an staatliche Gerichte und suchten dort um ihr Recht. Dieses war jedoch ebenso erfolglos (auch vor dem BVerfG), da die Gerichte auf das Recht der Kirchen verwiesen, ihre innerkirchlichen Angelegenheiten nach eigenen Bestimmungen zu regeln (Artikel 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung).

Auch deren Beschwerden vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte blieb erfolglos (Pressemitteilung vom 20.12.2011).

Damit bestätigt der EGMR, dass Kirchen das Recht haben, Beschäftigungsverhältnisse ohne staatliche Eingriffe zu regeln.

Zeitpunkt der Abfindungszahlung und damit verbundene Risiken

Ein Arbeitnehmer hat am 1. Oktober 2007 einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Hiernach sollte das Arbeitsverhältnis enden zum 31.12.2008 und eine Abfindung von über 100.000 € sollte mit der Vergütung für Dezember 2008 gezahlt werden.

Am 5. Dezember 2008 beantragte dder Arbeitgeber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Insolvenzgericht bestellte mit Beschluss vom 8. Dezember 2008 einen Insolvenzverwalter und ordnete zugleich an, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Insolvenzverwalters wirksam sind.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2008 forderte der Arbeitnehmerin die fristgerechte Zahlung der Abfindung. Nachdem die Zahlung nicht erfolgte, wurde der Rücktritt vom Aufhebungsvertrag erklärt. Am 1. März 2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Arbeitnehmer klagte nun auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis fortbesteht aufgrund des Rücktritts vom Aufhebungsvertrag.

Das Bundesarbeitsgericht (Pressemitteilung Nr. 85/11) teilte nicht die Auffassung des LAG Düsseldorf und wies den Anspruch des Arbeitnehmers zurück.

Ein Aufhebungsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag. Der Arbeitnehmer kann deshalb nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich vom Aufhebungsvertrag zurücktreten, wenn der Arbeitgeber die Abfindung nicht zahlt, das Rücktrittsrecht nicht ausdrücklich oder konkludent abbedungen ist und dem Arbeitgeber ohne Erfolg eine angemessene Frist zur Zahlung der Abfindung gesetzt wurde. Das Rücktrittsrecht aus § 323 Abs. 1 BGB setzt allerdings die Durchsetzbarkeit der Forderung voraus. Daran fehlt es, wenn der Schuldner nicht leisten muss oder nicht leisten darf.

Der Abfindungsanspruch war für den Arbeitnehmer nicht durchsetzbar. Der Arbeitgeber durfte die Abfindungssumme aufgrund der Anordnung des Insolvenzgerichts nicht ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters auszahlen. Darüber hinaus stand der Durchsetzbarkeit des Abfindungsanspruchs die „dolo-petit-Einrede“ entgegen. Der Arbeitnehmer forderte mit der Abfindung eine Leistung, die er alsbald nach § 143 Abs. 1 InsO wegen Anfechtbarkeit der Abfindungszahlung zur Insolvenzmasse hätte zurückgewähren müssen.

Vertrag vor Gesetz? - 274 Urlaubstage

Dauerbrenner Urlaubsabgeltung - doch diesmal in einer völlig anderen Konstellation.

Im Anstellungsvertrag wird folgendes geregelt:

"(Der Angestellte) hat Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub von dreißig Arbeitstagen, der in Abstimmung mit den übrigen Geschäftsführern der indischen Gesellschaften und dem für die Gesellschaften zuständigen Vorstandsmitglied der ... zeitlich so festzulegen ist, dass die Belange der genannten Gesellschaft nicht beeinträchtigt werden.

Eine Übertragung von Resturlaub auf Folgejahre ist möglich. Falls am Tage der Beendigung des Vertrages noch Resturlaub vorhanden ist, wird dieser mit 50 % vergütet.“


Später endete das Anstellungsverhältnis und der Angestellte verlangt die Abgeltung von 244 der insgesamt (über mehrere Jahre) angesammelten 274 Urlaubstage gemäß den vertraglichen Regelungen, immerhin 129.686,00 Euro brutto.

Der Rechtsstreit zieht sich bis zum Bundesarbeitsgericht. Immer hat die Firma verloren, auch vor dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 18.10.2011, 9 AZR 303/10).

Dieses meint, dass die verragliche Abrede zwar vom Gesetz abweicht, aber nicht in dem Maße, dass es zur Unwirksamkeit führt, sondern die gesetzliche Regelungen ergänzt werden durch die Vertragsbestimmungen. Und es gilt dann immer noch der Grundsatz: Verträge werden gehalten (pacta sund servanda)

Dienstag, 20. Dezember 2011

"Die blöde Kuh"

... oder war der Tierarzt selbst daran schuld, dass er bei einem Impftermin von einer Kuh so sehr verletzt wurde, dass er immerhin 26.000 € Schmerzensgeld verlangte.

Das LG Tübingen (2 O 244/11) geht jedenfalls von letzterem aus - einem erheblichen Verschulden des Tierarztes - wie spiegel-online verrät.

Neue Mindestlöhne ab 2012

für Zeitarbeitnehmer
vom 01.01.2012 bis zum 31.10.2012
a) in den neuen Ländern: 7,01 Euro,
b) in den übrigen Bundesländern: 7,89 Euro

vom 01.11.2012 bis zum 31.10.2013
a) in den neuen Ländern: 7,50 Euro,
b) in den übrigen Bundesländern: 8,19 Euro.

Dachdecker
a) Im Jahr 2012 bundesweit einheitlich: 11 Euro
b) Im Jahr 2013 bundesweit einheitlich: 11,20 Euro

Gebäudereiniger
a) Im Jahr 2012:
in Westdeutschland einschließlich Berlin: 8,82 Euro (Lohngruppe 1) und 11,33 Euro (Lohngruppe 6),
in den neuen Ländern: 7,33 Euro (Lohngruppe 1) und 8,88 Euro (Lohngruppe 6).
b) Im Jahr 2013:
In Westdeutschland einschließlich Berlin: 9,00 Euro (Lohngruppe 1) und 11,33 Euro (Lohngruppe 6),
in den neuen Ländern: 7,56 Euro (Lohngruppe 1) und 9,00 Euro (Lohngruppe 6).

Eine Übersicht der Mindestlöhne gibt es auf den Seiten des BMAS.

Montag, 19. Dezember 2011

Zugang einer Kündigung

... mittels Übergabe-Einschreiben birgt Gefahren.

Eine Arbeitgeberin übersandte eine fristlose Kündigung (Datum 03.08.2010) an die Arbeitnehmerin mittels Übergabe-Einschreibens. Der Postbote traf die Arbeitnehmerin jedoch nicht an. Deshalb hinterließ er einen Benachrichtigungsschein. Die Arbeitnehmerin holte das Schreiben jedoch nicht ab.

Weil Sie anderweitig von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfuhr, erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage.

Im Gütetermin vom 21.10.2010 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine außerordentliche Kündigung zu Protokoll, die er auf den Vorwurf stützt, die Klägerin habe den Zugang der Kündigung vom 03.08.2010 vereitelt.

Nach Auffassung des LAG Mainz (10 Sa 156/11) ist die Kündigung vom 03.08.2010 nicht wirksam.

Der Einwurf eines Benachrichtigungsscheins ersetzt nicht den Zugang einer schriftlichen Kündigung. Die Richter ließen auch den Einwand nicht gelten, die Arbeitnehmerin habe den Zugang der Kündigung treuwidrig vereitelt. Denn der Arbeitgeber habe nicht bewiesen, dass die Frau mit ihrer fristlosen Kündigung rechnen und damit wissen musste, was in dem hinterlegten Einschreiben stand.

Vertrauen in das alte Recht

Eine Arbeitnehmerin hat 1992 einen formularmäßigen Arbeitsvertrag unterzeichnet. Nach diesem Arbeitsvertrag sollte sich die Vergütung nach einer bestimmten Tarifgruppe des damals geltenden Tarifvertrages für den Einzelhandel Brandenburg richten. Im übrigen sollte sich das Arbeitsverhältnis „nach den jeweils geltenden Tarifverträgen der infrage kommenden Sparte“ richten.

Die Arbeitgeberin trat 1997 aus dem Arbeitgeberverband aus.

Im März 2008 begehrte die Arbeitnehmerin die Zahlung von Vergütung entsprechend des aktuellen Tarifvertrages des Einzelhandels Brandenburg. Die Arbeitgeberin verweigerte dies, weshalb die Arbeitnehmerin mit ihrer Klage Vergütungsdifferenzen zwischen dem aktuellen Tarifentgelt und der an sie tatsächlich gezahlten Vergütung geltend macht.

Vor dem Bundesarbeitsgericht (Pressemeldung 94/11) hat sie keinen Erfolg. Die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag ist - nach altem Rechtsverständnis des Bundesarbeitsgerichtes - als Gleichstellungsabrede auszulegen. Zwar gilt seit 18.04.2007 die neuere Rechtsauffassung des Bundesarbeutsgerichtes zur Bezugnahmeklauseln, jedoch gewährt das BAG für Vereinbarungen vor 01.01.2002 Vertrauensschutz.

Die Klägerin kann deshalb keine Vergütung nach dem aktuellen Tarifstand verlangen.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Fahrtkosten, Leiharbeit und die Steuer

Na das ist doch einmal ein Weihnachtsgeschenk für Leiharbeitnehmer. Es geht um die Frage, welche Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle von der Steuer abgesetzt werden können.

Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind Werbungskosten. Das Gesetz gewährt hierfür lediglich einen begrenzten Abzug in Form der sogenannten Entfernungspauschale, d.h. in Höhe von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) zwischen der Wohnung und der regelmäßigen Arbeitsstelle.

Doch was ist die regelmäßige Arbeitsstätte? Nach einer Entscheidung des FG Münster (13 K 456/10) ist eine "regelmäßige Arbeitsstätte": "jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder aufsucht. Dies ist in der Regel der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb, nicht aber eine betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers. Regelmäßige Arbeitsstätten sind dadurch gekennzeichnet, dass sich der Arbeitnehmer auf einen immer gleichen Weg einstellen und so die Fahrtkosten mindern kann, z.B. durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Wahl seines Wohnsitzes."

Der Leiharbeiter war nun aber nicht am Sitz des Verleihers tätig, sondern im Betrieb des Entleihers. Da dieser Einsatzort für Leiharbeiter typischerweise wechseln kann, liegt kein "regelmäßiger Arbeitsort" vor, so das FG Münster.

Dies hat zur Folge, dass nun nicht nur 0,30 € pro Entfernungskilometer anzusetzen sind, sondern der tatsächliche Kostenbetrag pro tatsächlich gefahrenem Kilometer (im Sachverhalt des FG Münster war dies genau 0,30 €/km).

Aber es gibt einen Haken. Das FG Münster hat die Revision zugelassen, so dass noch keine Rechtskraft besteht. Betroffene sollten also darauf achten, dass diesbezüglich die Steuerbescheide nur vorläufig ergehen oder aber Einspruch einlegen mit Bitte um Ruhen bis zur rechtskräftigen Entscheidung.

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Einchecken, blaumachen, auschecken

Genau das soll ein Mitarbeiter der Stadt Recklinghausen getan haben.

Er fuhr früh zur Arbeit, checkte an der Stechuhr ein und ... fuhr wieder nach Hause oder ins Cafe oder zum Friseur und ... kam an Abend wieder zur Arbeitsstelle, zum Auschecken an der Stechuhr.

Die Stadt ist ihm durch eine Überwachung durch Detektive auf die Schliche gekommen und hat die fristlose Kündigung ausgesprochen. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage. Im Gütetermin erschien er wiederum nicht. Aber da hat er auch nichts verpasst, da das Verfahren nach der Meldung der Recklinghäuser Zeitung fortgesetzt wird.

Streikbrecher und die Mitbestimmung des Betriebsrates

Ein Lebensmittelgroßhandel unterhält an einem Ort zwei Betriebe - die Zentrale und ein Logistikzentrum. Während eines Arbeitskampfes (Streik) im Logistikzentrum versetzte das Unternehmen arbeitswillige Arbeitnehmer der Zentrale vorübergehend zur Streikabwehr in das Logistikzentrum. Der Betriebsrat der Zentrale wurde hieran nicht beteiligt - trotz der Bestimmung in § 99 BetrVG.

Das Unternehmen meint in dem von ihr gegen den Betriebsrat (Zentrale) eingeleiteten Beschlussverfahren, Versetzungen zur Streikabwehr unterfielen nicht der Zustimmung des abgebenden Betriebsrats. Streikabwehrmaßnahmen seien von Art. 9 Abs. 3 GG geschützt und der Grundrechtsschutz habe gegenüber dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 99 BetrVG Vorrang.

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Unternehmen Recht (Pressemeldung 93/11) und führt aus:

"Eine Versetzung arbeitswilliger Arbeitnehmer von einem Betrieb des Arbeitgebers in einen ihm gehörenden bestreikten Betrieb zur Verrichtung von Streikbrucharbeit unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs. Die mit dem gesetzlichen Zustimmungserfordernis und dem darauf bezogenen Anhörungsverfahren verbundenen Erschwernisse sind geeignet, die Kampfparität zu Lasten des Arbeitgebers ernsthaft zu beeinträchtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Streik auf den Abschluss eines Verbands- oder eines betriebsbezogenen Haustarifvertrags gerichtet ist. Der Arbeitgeber ist jedoch nach § 80 II Satz 1 BetrVG verpflichtet, dem Betriebsrat rechtzeitig vor Durchführung der personellen Maßnahme mitzuteilen, welche Arbeitnehmer er vorübergehend zur Streikabwehr einsetzen will."

Dienstag, 13. Dezember 2011

Kein Vergütungsanspruch für Leiharbeiter vor 2010 - ein weiterer Trick in der Leiharbeitsbranche?

Es existieren bereits unzählige Entscheidungen der Arbeitsgerichte zur CGZP und den Folgen der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der CGZP. Gelten Ausschlussfristen und wenn ja, ab wann? Wann beginnt Verjährung? Sind Verfahren auszusetzen?

Ein weiteres Argument betroffener Leiharbeitsfirmen, welches einen Ausweg aufzeigt, wurde nun durch das LAG Düsseldorf (Pressemitteilung 78/11) abgesegnet.

Ein bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigter Zeitarbeitnehmer wurde als Ableser im
Kundenaußendienst eines großen Energieunternehmens eingesetzt. Im Arbeitsvertrag wurde auf die tariflichen Regelungen der AMP mit der
Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und
Personalservicagenturen (CGZP) verwiesen. Bereits am 26.04.2010 hatten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen, wonach auf das Arbeitsverhältnis die zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und den Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) geltenden Tarifverträge Anwendung finden sollen.

Nach der BAG - Entscheidung vom 14.12.2010 machte der Arbeitnehmer Ansprüche auf Differenzvergütung für den Zeitraum von 2007 bis Februar 2011 geltend. Nachdem das Arbeitsgericht Düsseldorf die Klage abwies, hatte er auch vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Nach Aufassung der Richter waren die Ansprüche des Leiharbeiters Ende 2009
wegen der wirksamen Ausschlussfrist des durch die Zusatzvereinbarung vom 26.04.2010 in Bezug genommenen Manteltarifvertrags zwischen der AMP und den
Einzelgewerkschaften des CGB (MTV) - welche tariffähig ist - verfallen.

Die Ausschlussfrist habe zudem nicht erst ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 zu laufen begonnen. Ab dem Jahre 2010 bestehe ein mit den Einzelgewerkschaften der CGB wirksam vereinbarter Zeitarbeitstarifvertrag.

Montag, 12. Dezember 2011

Formalien einer Kündigung

Welche Formalien sind bei einer Kündigung zu beachten? Obwohl es bekannt sein dürfte, bedarf eine Kündigung der Schriftform (Unterschrift) und des Zugangs beim Empfänger. Nunmehr hatte wieder einmal das Bundesarbeitsgericht über Formalien zu entscheiden - hinsichtlich der Kündigung eines minderjährigen Auszubildenden in der Probezeit.

Ein minderjähriger Azubi schloss - vertreten durch seine Eltern - mit dem Ausbildungsbetrieb einen Vertrag über eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik für die Zeit ab 1. August 2008. Der Ausbildungsvertrag enthielt eine dreimonatige Probezeit. Der Ausbildende erklärte mit Schreiben vom 31. Oktober 2008, dem letzten Tag der Probezeit, die Kündigung. Das Schreiben war gerichtet an den Azubi, gesetzlich vertreten durch die Eltern, und wurde durch Boten am selben Tag in den gemeinsamen Hausbriefkasten des Azubis und seiner an diesem Tag verreisten Eltern eingeworfen. Die Mutter erhielt vom Kündigungsschreiben nach ihrer Rückkehr am 3. oder 4. November 2008 tatsächlich Kenntnis. Erstmals mit einem Schreiben, welches beim Ausbildenden am 13. November 2008 einging, wies der Azubi die Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB zurück, weil der Kündigung keine Vollmachtsurkunde beigefügt war.

Mit seiner Kündigungsschutzklage begehrt der Azubi die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Ausbildungsverhältnisses.

Vor dem Bundesarbeitsgericht scheiterte der Azubi. In der Presserklärung (Nr. 91/11) bemerkt das Bundesarbeitsgericht, dass die Kündigung zu Recht gegenüber den Eltern des minderjährigen Azubis als dessen gesetzlichen Vertretern erklärt wurde und mit dem Einwurf in den gemeinsamen Briefkasten der Familie der Zugang der Kündigung bewirkt war. Die Ortsabwesenheit der Eltern stand dem Zugang nicht entgegen. Für den Zugang reichte es aus, dass das Schreiben in den Herrschaftsbereich der Eltern gelangt war und sie es unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen konnten.

Die Kündigung scheiterte auch nicht an der fehlenden Vollmachtsurkunde. Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls nicht mehr unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB.

Donnerstag, 8. Dezember 2011

fristlose Kündigung während Freistellung

Ist ein Arbeitnehmer nach einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung für die Zeit des Bestandes des Arbeitsverhältnisses von der Erbringung seiner Arbeitspflichten unter Gewährung der Vergütung freigestellt, könnte dies einer weiteren fristlosen Kündigung entgegenstehen. Eine fristlose Kündigung (§ 626 BGB) setzt u.a. voraus, dass eine künftige Tätigkeit - bis zum "normalen" Ende des Arbeitsverhältnisses - den Parteien nicht zumutbar sei. Bei einer Freistellung, bei der ein Arbeitnehmer nicht mehr auf Arbeit erscheint, scheint dies kaum der Fall.

Und doch ist nach einer Entscheidung des LAG Frankfurt/Main (Pressemeldung 14/11) eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund während der Freistellungsphase möglich. Was war geschehen?

Ein bei einer Bank beschäftigter Firmenkundenbetreuer war seit April 2009 mit Prokura tätig. Am 16. Juni 2010 vereinbarten die Parteien die Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2010 und die Freistellung des Klägers ab 1. Juli 2010 bis 31. Dezember 2010 bei Fortzahlung der Bezüge.

Am 29./30. Juni 2010 übermittelte der Firmenkundenbetreuer insgesamt 94 E-mails mit ca. 622 MB in 1660 Dateianhängen an sein privates E-Mail Postfach bei einem anderen Internetanbieter. Dabei handelte es sich überwiegend um Daten, die dem Bankgeheimnis unterliegen, darunter Daten der vom Arbeitnehmer betreuten Kunden; Dokumente, in denen die einem Unternehmen eingeräumten Kreditlinien und in Anspruch genommenen Kredite aufgelistet werden; Risikoanalysen für diverse Unternehmen, Kreditverträge u.ä..

Der Arbeitnehmer hatte - nach seiner Einlassung - nicht die Absicht, die Daten an Dritte weitergeben zu wollen. Vielmehr wollte er die Daten während der Zeit der Freistellung nur zu Trainingszwecken verwenden (es muss doch gar ein rechter Schelm sein, der seinen fleissigen Arbeitnehmern etwas unlauteres bei einem solchen Vorgang unterstellen will - Achtung Ironie).

Die Bank erfuhr erst am 7. Juli 2010 durch ihre Datenschutzkommission von diesem Vorfall, mithin während der Freistellungsphase. Am 20. Juli 2010 kündigte die Bank das Arbeitsverhältnis fristlos.

Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage und hatte zunächst vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat das Urteil jedoch abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Richter waren der Ansicht, dass der Arbeitnehmer eine schwerwiegende Vertragsverletzung begangen habe, die die fristlose Kündigung auch in einem tatsächlich nicht mehr vollzogen Arbeitsverhältnis rechtfertige. Zwar komme es zur Begründung einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig auf die Prognose zukünftigen Verhaltens an. Hier stehe die fehlende Wiederholungsgefahr aber nicht entgegen. Der Arbeitnehmer habe das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Arbeitgeberin durch die Mitnahme geheim zu haltender Bankdaten so schwer erschüttert, dass ihr das Festhalten an dem Arbeitsverhältnis und die Fortzahlung der Bezüge bis Dezember 2010 nicht mehr zumutbar sei. Das Fehlverhalten des Arbeitnehmers habe ein nahezu gleich großes Gewicht wie eine strafbare Handlung zulasten des Arbeitgebers.

Fazit 1: Eine fristlose Kündigung während der Freistellung ist möglich.

Fazit 2: Bei Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sollte möglichst mit sofortiger Wirkung eine Freistellung erfolgen.

Fazit 3: Gegen die Wirksamkeit der Kündigung könnte neben der Prognose auch sprechen, dass noch kein Geheimnisverrat oder ein Wettbewerbsverstoß vorlag. Doch die Pflichtverletzung wird darin gelegen haben, die Daten in einen Bereich zu transferienen, der nicht der Obhut der Bank uterliegt.

Montag, 5. Dezember 2011

Eisgenuss sorgt für Verdruss

Nach getaner Arbeit auf dem Nachhauseweg ein Eis sich munden lassen - eine schöne Vorstellung.

Doch wenn es mal schnell gehen muss und es dann im Krankenhaus endet mit Verdacht auf einen Herzinfarkt, bleibt einem das Eis im Halse stecken.

Interessant ist dann die Frage, ob es sich hierbei um einen Arbeitsunfall handelt? Die Antwort findet sich auf sozialrecht-chemnitz.blogspot.com

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Sportlehrer in Gefahr

Was ist die Aufgabe eines Sportlehrers? Gehört dazu auch die Hilfestellung bei besonderen Übungen? Wohin die Antwort auf diese Fragen führen kann, zeigt ein Fall aus dem Arbeitsgerichtsleben, über welches der Kölner Stadtanzeiger heute berichtet.

Ein 58-jähriger verbeamtete Sportlehrer eines Erzbistums geriet "ins Gerede", weil er Schülerinnen bei Hilfestellungen zu sportlichen Übungen an den Oberschenkeln berührt haben soll.

Daraufhin erhielt er zunächst eine Abmahnung. Der Sportlehrer antworte mit einer Gegendarstellung, die zur Personalakte genommen wurde.

Später erhielt der Sportlehrer eine fristlose Kündigung, gegen welche er sich mit einer Kündigungsschutzklage wehrte.

Im Verfahren begründete das Erzbistum die Kündigung damit, dass der Sportlehrer in seiner Gegendarstellung jegliche Einsicht in das ihm vorgeworfene Fehlverhalten vermissen lasse und zudem der Sportlehtrer später mit seinen Schülerinnen über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gesprochen habe.

Allerdings lies sich das Erzbistum Zeit mit der Kündigung - zu lange, denn die Zweiwochenfrist des § 626 II Satz 1 BGB war bereits verstrichen.

Nachdem das Arbeitsgericht auf die für das Erzbistum missliche Rechtslage nebst fehlenden Tatsachennachweisen oder Indizien für den Vorfall hinwies, einigten sich die Parteien. Der Sportlehrer wird bis zum Ende des laufenden Schuljahrs bei vollen Bezügen vom Dienst freigestellt.