Donnerstag, 27. Juni 2013

bitte nicht falsch verstehen

Muss in einer Kündigung der letzte Arbeitstag benannt sein? Reicht eine Kündigung "zum nächst zulässigen Zeitpunkt"? Die neue Rechtsprechung sagt doch so was, oder? Das wäre ja toll, dann muss niemand mehr Kündigungsfristen bei Erstellung einer Kündigung berechnen, was zudem zur Verminderung von Fehlern bei der Kündigungsfristberechnung führt. Ein Standardvordruck reiche dann, Unterschrift drunter und fertig ist die Kündigung.

Doch Vorsicht! Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 20.06.2013 stellt keinen Freibrief aus. In der Presseerklärung heißt es:

"Eine Kündigung muss bestimmt und unmissverständlich erklärt werden. Der Empfänger einer ordentlichen Kündigungserklärung muss erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Regelmäßig genügt hierfür die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ausreichend ist aber auch ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen Fristenregelungen, wenn der Erklärungsempfänger hierdurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll."

In dem entschiedenen Sachverhalt stand zwar eine Kündigung "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" ohne Angabe eines Datums im Raum, aber eben doch mit Hinweisen und Erläuterung zu  den einschlägigen Kündigungsfristen nach BGB und InsO.

Nur aufgrund der Angaben zu den gesetzlichen Kündigungsfristen im Kündigungsschreiben ging das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass die erforderliche Bestimmtheit gewahrt wurde und die Kündigung wirksam ist.

Wer also in einem Kündigungsschreiben kein Enddatum verwenden (und berechnen) möchte, sollte zumindest die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB (evtl. auch nach InsO im Insolvenzfall) oder die (tarif-)vertraglich vereinbarten Kündigungfristen wiedergeben. Besser ist wohl aber, die zutreffebde Kündigungsfrist selbst zu eritteln und eindeutige Daten anzugeben.

Ein Bundesland haftet für Hochwasser

Angesichts der Hochwassersituation der letzten Tage sicher eine Meldung wert - es kann auch falsch geplant werden und wenn das hierdurch zu Hochwasser kommt, haftet halt das verantwortliche Bundesland.

Ein Eigentümer eines in der Nähe der BAB 46 in einem Baugebiet in Arnsberg gelegenen Hausgrundstücks ist Hochwasseropfer. In der Nähe seines Grundstücks verläuft ein Wassertunnel unter der Autobahn, der in einen offenen Ableitungsgraben mündet. Durch diesen fließt auch ein Bach.

Bedingt durch die nachträgliche Anlage des Baugebiets vollzieht das Bett des Grabens zwei Krümmungen von ca. 90 Grad. Am 09.08.2007 regnete es in einer Stärke, die seltener als alle 100 Jahre vorkommt. Dabei wurde das Grundstück durch das Wasser des Ableitungsgrabens überschwemmt. Zwei dort abgestellte Pkw liefen mit schlammigem Wasser voll und sind wirtschaftlich wertlos geworden. Der Eigentümer verlangt vom Land Nordrhein - Westphalen Ersatz für den ihm entstandenen Schaden in Höhe von ca. 7.100 Euro.

In der Berufungsinstanz vor dem OLG Hamm bekommt der Eigentümer Recht.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Schaden durch eine vom Land zu vertretene Verkehrssicherungspflichtverletzung verursacht worden. Das Land sei für die BAB 46 verkehrssicherungspflichtig. Die Pflicht erstrecke sich auf deren Gräben und Entwässerungsanlagen.

Aufgrund der Krümmungen im Abflussgraben und zu geringer Tiefe desselben habe sich die Gefahr eines Hochwassers ergeben, welches bei ausreichend dimensioniertem Graben vermeidbar gewesen sei. Deshalb könne sich das Land auch nicht darauf berufen, dass der Regen ein "Jahrhundertregen" gewesen sei, gegen den es keinen zumutbaren Schutz gebe. Im vorliegenden Fall hätten die zumutbaren Schutzmaßnahmen den Schadenseintritt verhindert.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig und wird - nach Zulassung der Revision durch das OLG -  der beim BGH unter dem Az.: III ZR 113/13 geführt.

Mittwoch, 26. Juni 2013

zum Abschied ein Unfall

Wann liegt ein Arbeitsunfall vor? Wenn ein Unfall auf dem Weg von zu Hause auf Arbeit geschieht, kann das der Fall sein. Doch gehört eine morgendliche Verabschiedung schon zum Arbeitsweg? Auch der Abschied vom Hund?

Diese Frage stand im Mittelpunkt eines sozialgerichtlichen Verfahrens - die Antwort findet sich unter sozialrecht-chemnitz.blogspot.de
 

Donnerstag, 20. Juni 2013

niederschmetternde Richterbeurteilung

Es ist schon interessant zu wissen, was Richter über Anwälte und Anwälte über Richter denken. Ich hatte nun einen denkwürdigen Hinweis eines in Untervollmacht unsere Klage vertretenden Kollegen - ganz weit weg von unsere Kanzlei - erhalten mit folgenden Textauszügen (einzig das Wort "Richterperson" wurde von uns verwendet, um etwaige Rückschlüsse auszuschließen):



"... ist darauf hinzuweisen, das die für diesen Fall zuständige Richterperson teilweise die Rechtsprechung aktueller Art nicht kennt und trotz der in der Klageschrift vorhandenen detaillierten Auflistung die Auffassung vertritt, es müsse dazu noch substantiiert vorgetragen werden. Die Kenntnise über das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom ..., Az.: .... dürften bei der erkennenden Richterperson nur rudimentär vorhanden sein. ..."


Es ist ein - nun ja - differenziertes Bild von einer Richterperson, welches der Kollege mir da "zeichnet".

Welche Erfahrungen haben Anwälte mit Richtern, Richter mit Anwälten und untereinander - Wer weiß, wie über uns/mich gedacht wird?

Mittwoch, 19. Juni 2013

Eine Mietminderung vor dem Verfassungsgericht

Minderungsansprüche sind ein regelmäßiges Problem aus dem Mietrecht vor Zivilgerichten. Doch wie kommt ein Mietminderungsprozess zum Verfassungsgericht.

Ganz einfach. Dem Zivilgericht unterlaufen Fehler, welche gegen die Verfassung verstoßen.

So geschehen in einem Mietminderungsprozess in Berlin.

Dienstag, 18. Juni 2013

Das Motiv einer Verfolgung ist entscheidend!

Taschendiebstähle kommen immer wieder vor. Werden Sie bemerkt, kann es zu Verfolgungsjagden kommen. Was passiert eigentlich, wenn der Verfolger stürzt und sich verletzt? Greift die gesetzliche Umfallversicherung?

Ein Biotechnologe aus Berlin flog im Juli 2009 zu einem Kongress nach Barcelona. Er nutzte das anschließende Wochenende, um mit seiner Verlobten die Stadt zu erkunden. Nach einem Restaurantbesuch am letzten Abend überfielen ihn zwei Männer und stahlen ihm die Brieftasche mit Bankkarten, Personaldokumenten und 120 Euro. Als der rüstige Biotechnologe, der den Verlust sogleich bemerkte, den Tätern nachsetzte, stellte ihm einer ein Bein. Der Technologe stürzte und brach sich den linken Ellenbogen.

Ein Fall für die gesetzliche Unfallversicherung?

Donnerstag, 13. Juni 2013

Trotz erlaubtem Cannabis-Konsum Kündigung

Ein Arbeitnehmer konsumierte während der Arbeitszeit Cannabis. Der Arbeitgeber kündigte ihm. Der Arbeitnehmer erhebt Kündigungsschutzklage.

Durfte der Arbeitnehmer wegen seines Drogenkonsums entlassen werden? Im Verfahren bestätigt der Arbeitnehmer den Drogenkonsum - als Teil der Schmerztherapie wegen einem Rückenleiden habe er die Mittel auf ärztliche Anordnung genommen. Er besaß dafür auch die nötige Ausnahmegenehmigung der Bundesopiumstelle
 
Vor Gericht einigten sich die beiden, wie hr-online.de meldete.

Dienstag, 11. Juni 2013

trotz schweren Fehlers keine Kündigung - die 200 Millionen € Anweisung

Eine Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr prüfte in einem Bankunternehmen Überweisungsbelege und korrigierte diese, wenn notwendig.

Am 02.04.2012 prüfte sie 603 Belege innerhalb von weniger als 1,4 Sekunden, 105 Belegen innerhalb von 1,5-3 Sekunden und nur 104 Belegen in mehr als 3 Sekunden.

Kein Wunder, dass sie in den Zahlungsbeleg eines Rentners, welcher fehlerhaft durch einen Arbeitskollegen von 62,40 Euro auf 222.222.222,22 Euro geändert worden war, übersah.

Der vorprüfende Arbeitskollege, der allerdings nicht für die Prüfung des Betragsfelds des Belegs zuständig war, war während eines Sekundenschlaf (wer so viele Belege so schnell prüft, dem reicht eine Sekunde Schlaf) auf die Taste "2" seiner PC-Tastatur geraten und hatte diese länger (?) gedrückt gehalten.

Durch eine systeminterne Prüfungsroutine wurde der Fehler bemerkt und berichtigt.

Die Bank warf der Sachbearbeiterin eine vorsätzliche Täuschung über ihre Arbeitsleistungen vor, weil sie Belege nicht geprüft, sondern ohne Prüfung freigegeben habe. Sie hat der Sachbearbeiterin fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt.

Das ArbG Frankfurt am Main hatte der anschliessenden Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Das LArbG Frankfurt am Main (9 Sa 1315/12) hat die vorinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Eine vorsätzliche Schädigung des Arbeitgebers oder eine vorsätzliche Manipulation des Arbeitsablaufs lag nicht vor. Nach der Vorbearbeitung durch den Arbeitskollegen könne der Sachbearbeiterin nur noch eine unterlassene Kontrolle des Überweisungsträgers vorgeworfen werden. Dies sei zwar ein schwerer Fehler, aber die für eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen notwendige negative Prognose sei nach Abwägung aller Umstände aber nicht erkennbar. Deshalb sei der Bank hier eine Abmahnung statt einer Kündigung noch zumutbar gewesen.

Das Gericht hat auch die von der Bank begehrte
Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht zurückgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Nach wie vor sei eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich.

Montag, 10. Juni 2013

Anwalt und die Kosten vor Gericht

Eine anstehende Reform der Gebühren in der Justiz betrifft Anwaltskosten und Gerichtsgebühren. Kostenlos sind die Dienstleistungen weiterhin nicht.

Für Kostenfolgen im Arbeitsrecht sei auf die Kurzübersicht zu Anwaltsgebühren hingewiesen.

Welche Kosten in einem Gerichtsverfahren zu erwarten sind, kann einfach unter www.der-prozesskostenrechner.de berechnet werden.

Dennoch empfehlen wir, vorab immer den Anwalt nach den Kosten zu fragen. Uns erreichen Sie in Chemnitz und Stollberg.

Mittwoch, 5. Juni 2013

Krankankündigung nicht immer wirksamer Kündigungsgrund

Die Ankündigung (Arbeitgeber reden oft auch von einer "Androhung") einer Krankheit durch einen Arbeitnehmer kann eine Pflichtverletzung darstellen (insbesondere wenn hierdurch ein "laaaaaanges Wochenende herausgeholt wird), welche zur Kündigung berechtigen kann. Doch nicht immer greift diese Regel.

Ein kaufmännischer Angestellter  teilt an einem Freitag um die Mittagszeit zwei Kollegen mit, dass er ab kommenden Montag unbedingt mindestens eine Woche frei haben müsse. Er sei "kaputt", er wolle ja auch nicht zum Arzt gehen. Seine Tätigkeit setzte er an diesem Freitag bis zum Feierabend gegen 16.00 Uhr fort.

Nachdem der Angestellte am folgenden Montag zunächst unentschuldigt fehlte, kündigte der Arbeitgeber noch am gleichen Tag ausserordentlich fristlos. Am 24. Juli 2012 wurde die Kündigung dem Angestellten zugestellt. Ebenfalls an diesem Tag suchte er einen Arzt auf, der diesen für die Zeit ab dem 23. Juli 2012 eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigte.

Gegen die ausserordentliche fristlose Kündigung wurde Klage erhoben mit der Ausführung, dass er tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei.

Das Arbeitsgericht gab dem  Angestellten Recht, auch das LAG Berlin - Brandenburg.

Die Richter führten in der Urteilsbegründung aus, dass zunächst zu differenzieren ist, ob ein Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Ankündigung objektiv erkrankt war oder nicht. Es gilt: War er im Zeitpunkt der Ankündigung - also Freitag - bereits objektiv erkrankt, so kann nicht ohne weiteres von einer erheblichen Pflichtverletzung ausgegangen werden, die ihrerseits eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt.

Darüber hinaus sei die Ansicht falsch, dass jeder Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung erbringt, zugleich arbeitsfähig ist. Mit seiner Äußerung, dass er "kaputt" sei, hat der Angestellte zumindest eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien angedeutet.

Durch die Äusserungen des Angestellten sei zudem für den Arbeitgeber klar erkennbar gewesen, dass dessen Arbeitsfähigkeit zumindest subjektiv beeinträchtigt war. Dass der Angestellte an diesem Tag noch bis zum Feierabend im Betrieb tätig war, mag ein Indiz für eine Arbeitsfähigkeit an diesem Tag sein, jedoch gerade in Ansehung der Definition in § 2 Abs. 1 Satz 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien kein Beweis.

Da der Arbeitgeber aber für ihre Behauptung, dass der Angestellte am Freitag nicht arbeitsunfähig gewesen sei, keinen Beweis angeboten hat, konnte das Gericht dem nicht weiter nachgehen.

Das Arbeitsverhältniis endete dann nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.


Eisessen + Luft schnappen = Arbeitsunfall?

Ein Mechaniker, der sich während eines Leerlaufs des Montagebands am rund 20 Meter von der Halle (mit einer Lufttemperatur von 30 °C) entfernten Kiosk ein Eis kauft und dieses im Schatten unmittelbar vor einer Hallenaußentür verspeist, bekommt von einem Mitarbeiter die Hallentür an die linke Ferse gestoßen. Er erleidet einen Riss seiner Achillessehne und eine 4 cm lange Schnittwunde am Sprunggelenk, muss zweimal operiert werden und kann wegen des Unfalls nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurückkehren.

Ist dies ein Arbeitsufall und von der Berufsgenossenschaft als solcher anzuerkennen?

Hier geht es zur Antwort.

Dienstag, 4. Juni 2013

14 Unfälle mit dem Bus - Kündigung, sonst steigt ja niemand mehr ein?

Manch kleiner Junge (bestimmt auch Mädchen) träumt von einem Job als Busfahrer, wenn er im Sandkasten mit Autos spielt. Doch sollte später in der Verwirklichung des Berufswunsches mehr Vorsicht walten als im Sandkasten. 

In  viereinhalb Jahren 14 Unfälle mit einem Bus - klar dass dann irgendwann die Kündigung kommt. 
Der junge Busfahrer der Regio-Bus-Rheinland erhielt die Kündigung nach einem Unfall im März 2013, als er mit dem Bus in einem Vorgarten landete. Der Busfahrer erhob Kündigungsschutzklage.

Der Arbeitgeberanwalt hielt dem Busfahrer vor, dass er mit überghöhter Geschwindigkeit (55 km/h bei schneeglattter Strasse) den Unfall verursacht habe und er zudem mehrfach mündlich abgemahnt worden sei. 

Der Busfahrer als Arbeitnehmer bestreitet dies und weist darauf hin, dass er nicht an allen Unfällen schuld gewesen sei. 

Der Richter kommt seinen Pflichten nach, in jeder Prozesssituation auf eine gütliche Einigung hinzuwirken  und unterbreitet den Vorschlag: Der Busfahrer behält seinen Job. Er absolviert jedoch ein zweitägiges Fahrsicherheitstraining und übernimmt die Reparaturkosten zur Hälfte. 

Beide Parteien stimmen dem Vergleich zu - allerdings nur auf Widerruf.

Na, würden Sie in den Bus mit diesem Busfahrer einsteigen?

Erbfolgeskizze im Testament - alles unwirksam!

Ein Testament kann durch eigenhändig geschrieben Text erstellt werden nach § 2247 BGB. Doch was ist, wenn die gewünschte Erbfolge kompliziert ist und Schaubilder bzw. Skizzen die gewünschte Verteilung in der Testamentsurkunde plastisch aufzeigen?

Ein Erblasser hinterließ eine Ehefrau, eine nichteheliche Lebensgefährtin und weitere entfernte Verwandte. Er hatte ein Testament errichtet, in welchem er Textpassagen handschriftlich niederschrieb und Pfeildiagramme einzeichnete. Die Pfeile in den Diagrammen sollten die von ihm gewünschte Erbfolge aufzeigen.
 
Nach seinem Tod beantragte seine Ehefrau einen Alleinerbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, also so, als ob es das Testament nicht gäbe. Die Verwandten widersprachen, waren sie ihrer Meinung nach doch Erben aufgrund des Testaments.
 
Wer hat Recht?