Mittwoch, 22. Februar 2012

erzwungenes Mittagessen

Der Fall
Ein Mitarbeiter in der Behindertenhilfe betreut körperlich und geistig behinderte Menschen in einer Wohngruppe. An den Wochentagen sind dabei in der Regel zwei bis drei Bewohner mit schweren Behinderungen nicht in der Behindertenwerkstatt tätig und müssen von dem Mitarbeiter während der Mahlzeiten betreut und gefüttert werden.

Der Arbeitnehmer stritt sich mit seiner Arbeitgeberin darüber, ob sie berechtigt ist, ihm monatlich einen Pauschalbetrag für von ihr gestellte Gemeinschaftsverpflegung abzuziehen. Insbesondere, wenn es ihm gar nicht möglich ist, daran teilzunehmen, weil er den Bewohnern beim Mittagessen hilft.

Auf das Arbeitsverhältnis findet die Arbeitsvertragsrichtlinie des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) Anwendung. Dort ist unter § 22 AVR unter der Überschrift, "Sachleistungen" geregelt, dass die Mitarbeiter verpflichtet sind, an der Anstaltsverpflegung teilzunehmen, wenn dies im Interesse des Dienstes erforderlich und im Dienstvertrag vereinbart ist.

Die Arbeitgeberin des Arbeitnehmers hatte alle pädagogischen Mitarbeiter arbeitsvertraglich zur Teilnahme am Gemeinschaftsessen verpflichtet.

das Urteil
Das Arbeitsgericht Berlin bewertete laut Information auf arbeitsrecht.de die Verpflichtung zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung als unwirksam. Die Vertragsbestimmung verstoße gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB normierte Transparenzgebot.

Aus einer stichwortartigen Regelung der kostenpflichtigen Teilnahme an der Verpflegung ergebe sich weder, wie im Einzelnen die Kosten der Gemeinschaftsverpflegung ermittelt werden, noch dass die Arbeitgeberin jeweils einen pauschalen Abzug, unabhängig von tatsächlich geleisteten Arbeitstagen, vornehmen darf. Darüber hinaus sei aus dieser Regelung nicht ersichtlich, unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme von der Teilnahme erfolgen soll – nämlich wie praktiziert - nur bei Vorlage eines ärztlichen Attests.

Darüber hinaus benachteilige die Regelung den Arbeitnehmer entgegen dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach dessem unstreitigen Vortrag haben die in einer Wohngruppe beschäftigten Arbeitnehmer gar nicht die Möglichkeit, die zur Verfügung gestellten Mahlzeiten zu verzehren. Sie werden durch die Betreuung und Versorgung der schwerbehinderten Menschen vollkommen in Anspruch genommen. Die Durchsetzung des pädagogischen Konzepts durch die Arbeitgeberin ist daher unverhältnismäßig.

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