Überstunden und deren Vergütung tauchen als Probleme im Arbeitsleben immer wieder auf (wohl auch bei Anwälten), so dass auch die Rechtsprechung sich damit auseinandersetzen muss. Aus zwei Entscheidungen zum ein und denselben Sachverhalt ergeben sich interessante Rückschlüsse.
Sachverhalt:
Ein angestellter Anwalt hat über mehrere Jahre mehr Stunden gearbeitet, als vertraglich vereinbart war. Nachdem seine Hoffnung auf Partnerschaft enttäuscht wurde, endete das Arbeitsverhältnis und der Anwalt verlangte für 900 Überstunden Vergütung.
1. Entscheidung LAG Berlin (- 03.06.2010 - 15 Sa 166/10)
Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Klausel: "Durch die zu zahlende Bruttovergütung ist eine etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit abgegolten" ist unwirksam.
Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. Die Anordnung von Überstunden kann (auch) stillschweigend erfolgen nach folgenden drei Möglichkeiten:
- Zuweisung von Arbeit, welche in der regelmäßigen Arbeitszeit nicht erledigt werden kann oder
- der Arbeitgeber kennt die vom Arbeitnehmer geleistete Überstundenarbeit und ist damit einverstanden oder
- der Arbeitgeber duldet ihre Leistung.
Ein Duldung von Überstunden liegt vor, wenn der Arbeitgeber Arbeitsleistungen, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, entgegennimmt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Erbringung von Überstunden über mehrere Wochen erfolgt und der Arbeitgeber keinerlei ernstgemeinte organisatorischen Vorkehrungen trifft, um eine freiwillige Ableistung von Überstunden zu unterbinden. Eine Überschreitung der werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden nach § 16 Abs. 2 ArbZG ist aufzeichnungspflichtig, wobei diese Aufzeichnungen zwei Jahre aufzubewahren sind.
Damit hat das LAG Berlin dem Anwalt im wesentlichen eine Vergütung von Überstunden zugesprochen. Hiergegen ging die Arbeitgeberseite in Revision.
2. Entscheidung Bundesarbeitsgericht (- 17.8.2011 - 5 AZR 406/10)
Die Klausel im Arbeitsvertrag ist unwirksam (s.o.). Da somit keine wirksame Regelung zur Vergütung von Überstunden besteht, kann sich ein solcher Anspruch nur aus § 612 BGB ergeben. Hiernach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung wird zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es jedoch gerade bei Diensten höherer Art nicht.
Damit schmetterte das Bundesarbeitsgericht das Vergütungsbegehren des klagenden Anwaltes ab.
Fazit: Angestellte Anwälte können sich bezüglich Überstundenvergütung nicht auf die "übliche Vergütung" berufen, da sie Dienste "höherer Art" leisten. Für die meisten Arbeitnehmer gelten jedoch die Ausführungen des LAG Berlin.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen