Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf ein Zeugnis nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 109 GewO). Einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Rahmen eines Vergleiches auf ein Zeugnis, stellt sich die Frage, wie dieses zwangsweise durchgesetzt werden kann. Nun war auch das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 9.9.2011, 3 AZB 35/11) mit einem solchen Sachverhalt befasst.
In einem Verfahren zu einer Kündigungsschutzklage einigten sich die Parteien und vereinbarten hinsichtlich eines Zeugnisses folgendes:
„Die Beklagte erstellt zugunsten des Klägers ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der dortigen Beschäftigung des Klägers seit dem Jahre 1987 entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf, der innerhalb eines angemessenen Zeitraumes von zwei Wochen ab Überlassung des Entwurfes auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 04.05.2010 ausgefertigt, von dem Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet und als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht wird."
Daraufhin übersendet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein Zeugnisentwurf. Der Arbeitgeber erteilt ein Zeugnis, das jedoch in der Tätigkeitsbeschreibung sowie in der Bewertung von Leistung und Verhalten vom Entwurf des Arbeitnehmers zu dessen Unzufriedenheit abweicht.
Der Arbeitnehmer betrieb nun die Zwangsvollstreckung (§ 888 ZPO), mit der Androhung eines Zwangsgeldes von bis zu 25.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu sechs Monaten. Der Arbeitgeber hingegen vertrat die Auffassung, dass der Zeugnisentwurf nicht der Wahrheit entsprach und lehnte weiterhin eine Änderung seines Zeugnisses ab.
Das BAG stellte fest, dass der vorstehende Vergleichstext bestimmt genug ist und einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist. Weiter führt das Bundesarbeitsgericht aus:
"Mit der Wendung „entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf“ haben die Parteien jedoch eine wesentliche Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zum Zeugnisanspruch nach § 109 GewO vereinbart. Die Parteien haben damit die Formulierungshoheit der Beklagten als vormaliger Arbeitgeberin maßgeblich eingeschränkt, indem sie die Formulierungshoheit auf den Kläger übertragen haben. Es liegt damit beim Kläger darüber zu entscheiden, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will. Allerdings muss auch die vom Kläger vorzuschlagende Formulierung des Zeugnisses die Grenze der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit berücksichtigen (vgl. BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 20 ff., BAGE 127, 232), wie es die Parteien im Vergleich auch vereinbart haben."
Darüber hinaus ergebe sich aus dem Vergleichstext nicht, dass der Arbeitgeber den Vorschlag des Arbeitnehmers ungeprüft und ohne jede Änderung zu übernehmen habe, vielmehr hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob der vorgelegte Zeugnisentwurf den in § 109 GewO bestimmten Grundsätzen entspricht. Die Verpflichtung zur Erstellung eines dem Entwurf „entsprechenden“ Zeugnisses ermöglicht es dem Arbeitgeber, den Entwurf anzupassen.
Das Wort "entspricht" erfordert nicht, dass der Zeugnisentwurf Wort für Wort zu übernehmen ist. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Grammatik-, Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler zu übernehmen.
Im übrigen stellt das BAG fest, dass das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht dazu führen kann, dass der Arbeitgeber ein Zeugnis erteilen muss, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt. Ob das vom Arbeitnehmer begehrte Zeugnis dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspricht, kann nicht im Vollstreckungsverfahren geklärt werden, sondern nur im Wege eines neuen Gerichtsverfahrens nach Klageerhebung.
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