Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte zwei ähnlich gelagerte Sachverhalte zu entscheiden.
1. Sachverhalt
Ein Kläger wuchs als Mormone auf und heiratete 1980 diesem Glauben entsprechend. Nach einer Reihe von Tätigkeiten in der Mormonenkirche wurde er 1986 deren Gebietsdirektor Öffentlichkeitsarbeit für Europa. Anfang Dezember 1993 wandte er sich mit der Bitte um Rat an seinen zuständigen Seelsorger und vertraute ihm an, dass es mit seiner Ehe seit Jahren bergab gehe und er ein außereheliches Verhältnis mit einer anderen Frau gehabt habe; dem Rat des Seelsorgers folgend sprach er schließlich mit seinem Dienstvorgesetzten über die Angelegenheit. Dieser informierte ihn wenige Tage später über seine fristlose Kündigung. Der Kläger wurde später in einem internen Disziplinarverfahren exkommuniziert. Er klagte in Deutschland vergeblich gegen die Kündigung vor Arbeitsgerichten und Bundesverfassungsgerichten.
Der EGMR fand, dass die deutschen Arbeitsgericht gute Arbeit leisteten und unter Abwägung aller Gesichtspunkte zutreffend entschieden. Aufgrund der herausgehobenen Stellung des Klägers als Gebietsleiter und seiner langjährigen Tätigkeit musste ihm bewusst sein, welche Folgen ein Ehebruch für das Arbeitsverhältnis nach sich ziehen kann. Die Kündigung war wirksam.
2. Sachverhalt
Der Kläger war seit Mitte der 1980er Jahre bei einer katholischen Pfarrgemeinde als Organist und Chorleiter angestellt, als er sich 1994 von seiner Frau trennte. Von 1995 an lebte er mit seiner neuen Partnerin zusammen. Nachdem seine Kinder im Kindergarten davon gesprochen hatten, dass ihr Vater erneut Vater werden würde, führte der Dekan der Gemeinde im Juli 1997 zunächst ein Gespräch mit ihm. Wenige Tage später sprach die Gemeinde seine Kündigung mit Wirkung ab April 1998 aus, da er gegen die Grundordnung der Katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse verstoßen habe. Indem er außerhalb der von ihm geschlossenen Ehe mit einer anderen Frau zusammenlebte, die von ihm ein Kind erwartete, habe er nicht nur Ehebruch begangen, sondern sich auch der Bigamie schuldig gemacht. Auch dieser Kläger scheiterte vor den deutschen Arbeitsgerichten und dem Bundesverfassungsgericht.
Der EGMR bescheinigte hier den deutschen Gerichten eine fehlerhafte Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers. Die Tätigkeit als Organist einer Kirchgemeinde sei nicht von einer so herausgehobenen Art, dass dies die Kündigung wie bei Seelsorgern etc. rechtfertigen würde. Zudem haben die deutschen Gerichte nicht den Schutz der Familie mit in die erforderliche Interessenabwägung einbezogen.
Hier bestätigte der EGMR einen Verstoß gegen Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und verwies darauf, dass über eine Entschädigung noch verhandelt werden müsse.
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