Donnerstag, 29. September 2011

Ausbildungskosten erstatten ohne Karriereaussicht?

Wenn ein Arbeitnehmer eine Weiterbildung erfahren auf Kosten des Arbeitgebers erfahren soll, welche ihn beruflich zu "Höherem" führen können "sollte", regelt der Arbeitgeber meist - auch auf anwaltliche Empfehlung - unter welchen Bedingungen der Arbeitnehmer die Ausbildungskosten zurückzahlen soll.

Eine solche Klausel kann wie folgt aussehen:

"1. Die von der Firma übernommenen Kosten der Fortbildung in Höhe von derzeit ca. ... Euro hat der Mitarbeiter zurückzuzahlen, sofern er das Fortbildungsverhältnis vor dessen Ende selbst ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes abbricht oder wenn es seitens der Firma aus einem wichtigen Grund gekündigt wird.

2. Der Mitarbeiter ist ebenfalls zur Rückzahlung der vollen Fortbildungskosten in Höhe von ca. ... Euro verpflichtet, sofern er nach Beendigung des Fortbildungsverhältnisses ein Angebot der Firma auf Abschluss eines Arbeitsvertrages nicht annimmt. Eine Rückzahlungsverpflichtung besteht nicht, sofern die Firma nicht mindestens eine Tätigkeit als Verkäufer mit einer monatlichen Arbeitszeit von mindestens 120 Stunden im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und einer regelmäßigen Vergütung von mindestens 10,55 EUR/Std. brutto anbietet.

3. Kommt zwischen den Parteien im Anschluss an dieses Fortbildungsverhältnis ein Arbeitsvertrag zustande und scheidet der Mitarbeiter vor Ablauf von ... Monaten durch eigene Kündigung oder durch eine auf einen wichtigen Grund gestützte Kündigung der Firma aus dem Arbeitsverhältnis aus, ist er ebenfalls zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichtet. Die Rückzahlungsforderung verringert sich für jeden vollen Monat der Beschäftigung nach Abschluss des Arbeitsvertrages um 1/18 der angefallenen Fortbildungskosten.

4. Die Verpflichtung zur Rückzahlung der Fortbildungskosten setzt voraus, dass das Fortbildungsverhältnis nicht zum Ablauf der dreimonatigen Erprobungsphase beendet wird, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt wird.

5. Die Fortbildungskosten setzen sich aus folgenden Positionen zusammen:
"


Über eine solche Klausel hatte das LAG Hamm (7 Sa 1615/10) zu entscheiden. Was war geschehen:

Eine Arbeitnehmerin hat nach Ausbildungsende und dreimonatiger Erfüllung des Arbeitsvertrages gekündigt und der Arbeitgeber verlangte 15/18 der Ausbildungsvergütung zurück. Die Kündigung der Arbeitnehmerin begründete sich darin, dass ihr kein ausbildungsadäquater Arbeitsplatz angeboten wurde.

Der Arbeitgeber scheiterte mit seinem Begehren. In den Urteilsgründen des LAG Hamm heißt es hierzu:

"Mit der in Ziff. X Nr. 2 der Fortbildungsvereinbarung vorgesehenen Rückzahlungsklausel will die Beklagte die Klägerin auch für den Fall an sich binden, dass sie ihr keine ausbildungsadäquate Beschäftigung anbieten kann. Dies führt zu einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin, weil es nicht zulässig ist, an jedes Ausscheiden des Arbeitnehmers eine Rückzahlungspflicht zu knüpfen. Eine Rückzahlungsklausel ist vielmehr nur dann ausgewogen, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand hat, der Rückzahlungspflicht durch eigene Betriebstreue zu entgehen. Der Arbeitgeber trägt das unternehmerische Risiko für sein betriebliches Handeln und damit auch die Kosten für Investitionen, die nachträglich wertlos werden. Müsste der betriebstreue Arbeitnehmer Kosten der Aus- und Fortbildung auch dann tragen, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich in der Sphäre des Arbeitgebers liegt, würde er unzulässig mit den Kosten solcher fehlgeschlagener Investition des Arbeitgebers belastet. Eine derart formulierte Klausel würde nicht die wechselseitig anzuerkennenden Interessen der Vertragspartner berücksichtigen, sondern einseitig diejenigen des Arbeitgebers in den Vordergrund stellen (vgl. BAG, 11.04.2006, 9 AZR 610/05, NZA 2006, 2134; 24.06.2004, 6 AZR 383/03, BAGE 111, 157). Sie wäre unwirksam.

Aus den gleichen Gründen ist eine Klausel unwirksam, die den Arbeitnehmer auch dann zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichtet, wenn der Arbeitgeber außerstande ist, dem Arbeitnehmer eine seiner Ausbildung entsprechenden Tätigkeit zuzuweisen (BAG, 18.11.2008, 3 AZR 192/07, NZA 2009 435; 05.12.2002, 6 AZR 537/00, AP Nr 11 zu § 5 BBiG). Auch dann stellt sich die Investition des Arbeitgebers in die Qualifizierung seines Arbeitnehmers als vergeblich dar. Die Kosten einer solchen Investition zu tragen, fällt in den Bereich seines unternehmerischen Risikos. Erfolgt eine ausbildungsadäquate Beschäftigung des Arbeitnehmers im Anschluss an die Aus- und Fortbildung nicht, würde der Arbeitnehmer durch die Bindung an einen Arbeitgeber, der für seine neu erworbenen Kenntnisse keinen Bedarf hat, seinen durch die Ausbildung erworbenen Marktwert mindern, wenn nicht gar durch Zeitablauf verlieren. Ein Festhalten am Arbeitsverhältnis zur Vermeidung der Rückzahlungspflicht ist in einer solchen Situation nicht mehr durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers gedeckt (BAG, 05.12.2002, 6 AZR 537/00, AP Nr 11 zu § 5 BBiG). Eine entsprechende Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist daher nach § 307 Abs.1 S. 1 BGB unwirksam."


Fazit: Arbeitgeber sollten sich von kompetenten Fachanwälten beraten lassen, um solche "Schiffbrüche" zu vermeiden.

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