Tritt eine Insolvenz des Arbeitgebers ein, stellen sich viele Fragen für betroffene Arbeitnehmer. Auch für kurz vorher gekündigte Arbeitnehmer. Das gilt insbesondere, wenn der insolvente Arbeitgeber kurz vor Ultimo eine fristlose Kündigung auspricht. Das dagegen noch eine Kündigungsschutzklage möglich ist und innerhalb von 3 Wochen ab Zugang zu Gericht erhoben sein muss, ist vielen bereits bekannt. Aber wer ist zu verklagen, wenn innerhalb dieser 3 Wochen ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt wird? Was gilt, wenn weiterhin der Insolvenzverwalter innerhalb dieser 3 Wochen Klagefrist die selbständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners "freigibt"?
Einen solchen Fall hatte nun das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden.
Ein seit dem 06. Mai 2010 bei einem Herren, der als Einzelunternehmer einen Kurier- und Kleinsttransportbetrieb führte, beschäftigter Arbeitnehmer (ohne Probezeitvereinbarung und ohne schriftlichen Vertrag) erhält am 13.05.2010 (!) die fristlose Kündigung wegen Wegfalles eines Auftraggebers und Insolvenz.
Am 20.05.2010 wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Der bestellte Insolvenzverwalter teilte noch am selben Tag dem schuldner, dem Finanzamt und dem Insolvenzgericht mit, dass er die vom Insolvenzschuldner ausgeübte selbständige Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse frei gebe. Am 25. Mai 2010 erfolgte öffentlich unter www... der Eintrag betreffend die Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 InsO.
Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers ging am 01.06.2010 (mithin eigentlich fristgerecht) beim Arbeitsgericht ein und war gegen den Insolvenzverwalter gerichtet.
Und das war falsch. So meint es das LAG Niedersachsen und das Bundesarbeitsgericht.
Zwar geht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Arbeitgebers nach § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über
die bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den Insolvenzverwalter über.
Eine Kündigungsschutzklage ist dann gegen den Insolvenzverwalter in
seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes zu richten, und zwar auch
dann, wenn die Kündigung noch vom Insolvenzschuldner erklärt wurde.
Übt
der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber eine
selbständige Tätigkeit aus und gibt der Insolvenzverwalter diese nach
§ 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse frei, fällt die Verwaltungs- und
Verfügungsbefugnis mit Wirksamwerden der Freigabeerklärung auch über
die zu diesem Zeitpunkt bereits begründeten Arbeitsverhältnisse an den
Schuldner zurück. Ab dann ist der Schuldner und nicht mehr der
Insolvenzverwalter passiv legitimiert für eine Kündigungsschutzklage.
Fazit: Vor Klageerhebung informieren (z.B. auf www.insolvenzbekanntmachungen.de), ob Insolvenzverwalter oder Arbeitgeber zu verklagen ist. Im Zweifelsfall ist unter Abwägung des Kostenrisikos zu überlegen, ob beide verklagt werden sollen.
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