Kann es des Status eines Arbeitnehmers geben ohne einem Arbeitsvertrag als Grundlage?
Diese Frage stellte sich für eine schwangere Frau in Großbritannien. Sie ist französische Staatsangehörige und arbeitete im Vereinigten Königreich vom 01.09.2006 bis zum 01.08.2007
hauptsächlich als Hilfslehrerin. Während ihrer Schwangerschaft
arbeitete sie Anfang 2008 als Leiharbeitnehmerin in Kindergärten. Am 12.03.2008,
als sie fast im sechsten Monat schwanger war, gab sie diese
Beschäftigung auf, weil die Arbeit mit Kindergartenkindern zu
anstrengend für sie geworden war.
Der von ihr gestellte Antrag auf
Einkommensbeihilfe wurde von der britischen Verwaltung mit der
Begründung abgelehnt, dass sie die Arbeitnehmereigenschaft verloren
habe.
Am 21.08.2008, drei Monate nach der Geburt ihres Kindes, nahm die
Ausgangsklägerin ihre Erwerbstätigkeit wieder auf.
Der Supreme Court of
the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs)
legte dem EuGH im Vorabentscheidungsverfahren die Frage vor, ob eine
Frau, die ihre Erwerbstätigkeit oder Arbeitssuche wegen der körperlichen
Belastungen im Spätstadium ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt
ihres Kindes aufgibt, unter den Arbeitnehmerbegriff im Sinne des
EU-Rechts fällt.
Der EUGH entschied, dass eine Frau in der Situation der Ausgangsklägerin die Arbeitnehmereigenschaft behalten kann. Unter diesen Umständen ist die Tatsache, dass körperliche
Belastungen im Spätstadium einer Schwangerschaft und unmittelbar nach
der Geburt des Kindes eine Frau zwingen, die Ausübung einer
Arbeitnehmertätigkeit während des für ihre Erholung erforderlichen
Zeitraums aufzugeben, grundsätzlich nicht geeignet, ihr die
Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 45 AEUV
abzusprechen. Der Umstand, dass eine solche Person dem Arbeitsmarkt des
Aufnahmemitgliedstaats während einiger Monate tatsächlich nicht zur
Verfügung gestanden hat, bedeute nämlich nicht, dass sie während dieser
Zeit nicht weiterhin in den betreffenden Arbeitsmarkt eingegliedert ist,
sofern sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt des
Kindes ihre Beschäftigung wieder aufnimmt oder eine andere Beschäftigung
findet. Anderenfalls würden Unionsbürgerinnen von der Ausübung ihres
Rechts auf Freizügigkeit abgehalten, weil sie Gefahr liefen, die
Arbeitnehmereigenschaft im Aufnahmemitgliedstaat zu verlieren. Bei der
Feststellung, ob der zwischen der Geburt des Kindes und der
Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit liegende Zeitraum als angemessen
angesehen werden könne, müsse das nationale Gericht alle konkreten
Umstände des Einzelfalls und die für die Dauer des Mutterschaftsurlaubs
geltenden nationalen Vorschriften berücksichtigen, so der EuGH.
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