Auf Unfallverhütungsvorschriften sollte geachtet werden- noch besser ist es, wenn sie umgesetzt werden. Doch nicht jeder Verstoß hiergegen führt zu einer Haftung.
Ein Bauunternehmer hat zusammen mit einem bei ihm beschäftigten
Betonmischer/Einschaler auf der Baustelle eines
Einfamilienhauses die Verschalungsarbeiten für die Kellergeschossdecke
durchgeführt, indem sie Schaltafeln auf der Trägerlage befestigten. Im Bereich
zu dem Kellertreppenöffnungsschacht waren die verlegten Schaltafeln
zunächst nicht auf den Trägerbalken vernagelt und standen in den
Kellertreppenöffnungsschacht über. Als der Bauunternehmer vor dem Ende
der Verschalungsarbeiten die Baustelle verließ, wies er zuvor seinen
Mitarbeiter an, im Bereich des Kellertreppenöffnungsschachts die
Schalplatten um den über den Trägerbalken hinausragenden Teil zu
verkürzen und dann auf dem Trägerbalken zu vernageln. Nachdem der
Mitarbeiter zunächst andere Arbeiten durchführte, betrat er nachfolgend
eine der unbefestigten Schalplatten, die in den Schacht hineinragte,
kippte mit der Platte um und stürzte 2,40 m tief auf den Betonfußboden
des Kellergeschosses. Er erlitt schwere Kopfverletzungen und brach sich
das Schulterblatt.
Die Berufsgenossenschaft Bauwirtschaft kam als
gesetzlicher Unfallversicherer für die Folgen des Arbeitsunfalls auf,
verlangte allerdings vom Arbeitgeber Erstattung der Kosten.
Das
Landgericht hat den Arbeitgeber auf Zahlung von mehr als 56.000 Euro
verurteilt mit der Begründung, dass nach den
Unfallverhütungsvorschriften für Bauarbeiten eine Absturzsicherung (z.B.
Geländer, Abdeckung) für den Treppenöffnungsschacht hätte angebracht
werden müssen.
Die Berufung des Arbeitgebers gegen das Urteil des Landgerichts hatte vor dem OLG Schleswig Erfolg. Der Arbeitgeber ist nicht
verpflichtet, der Berufsgenossenschaft die Aufwendungen für den
Arbeitsunfall seines Mitarbeiters zu erstatten. Da der Arbeitgeber an
die Berufsgenossenschaft Beiträge für die Unfallversicherung gezahlt
hat, sei er bei einem Arbeitsunfall eines Mitarbeiters nur bei einem
besonders krassen und subjektiv schlechthin unentschuldbaren
Fehlverhalten verpflichtet, der Berufsgenossenschaft die Aufwendungen
für den Arbeitsunfall zu erstatten. Dies ist dann der Fall, wenn er den
Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat (§
110 SGB VII). Nicht jeder Verstoß gegen die einschlägigen
Unfallverhütungsvorschriften sei schon als ein grob fahrlässiges
Verhalten zu werten. Wegen ihrer an die Berufsgenossenschaft gezahlten
Beiträge sollen die Unternehmer grundsätzlich von einer Haftung
freigestellt sein. Sie sollen im Wege des Rückgriffs nur dann in
Anspruch genommen werden, wenn eine besonders krasse und subjektiv
schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt.
Ein subjektives Fehlverhalten in einem solchen Ausmaß könne dem
Arbeitgeber nicht vorgeworfen werden. Die nach den
Unfallverhütungsvorschriften erforderliche Sicherung des
Kellertreppenschachts als mehr als 2 m tiefe Deckenöffnung, z.B. durch
Abdecken oder Anbringen eines Geländers (§ 12a BGVC 22), gelte erst nach
Abschluss der Verschalungsarbeiten, nicht aber während der laufenden
Verschalungsarbeiten.
Wenn man das anders sehen würde, wären die
Verschalungsarbeiten für eine Geschossdecke kaum praktisch durchführbar,
weil jeweils nach Verlegung eines Schalbrettes eine neue
Absturzsicherung angebracht werden müsste. Ob darüber hinaus für die
laufenden Verschalungsarbeiten zusätzliche Absturzsicherungen zur
Sicherheit des Mitarbeiters geboten waren, könne dahinstehen, weil dem
Arbeitgeber nicht vorgeworfen werden kann, dass er grob fahrlässig
jegliche Sicherheitsvorkehrung unterlassen hat. Bei fachgerechter
Ausführung der Verschalungsarbeiten nach Verlegung und Vernagelung des
ersten Schalbretts hätte stets ein gesicherter Untergrund für die
Verlegung und Vernagelung des nächsten Schalbretts zur Verfügung
gestanden. Der Arbeitgeber hatte seinem Mitarbeiter die Anweisung
gegeben, die Schalplatten, die in den Kellertreppenschacht hineinragten,
zu verkürzen und anschließend zu vernageln. Bei dem Verletzten handelte
es sich um einen erfahrenen Mitarbeiter, so dass der Arbeitgeber nicht
damit rechnen musste, dass dieser sich nicht an die Arbeitsanweisung
halten und dann selbst auf die ihm bekanntermaßen losen Schalbretter
treten würde.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen