Donnerstag, 22. Mai 2014

Kehrtwende am Bundesarbeitsgericht

Eine Kehrtwende in der Rechtsprechung freut nicht jeden. Diesmal betraf es den Arbeitgeber.

Ein Unternehmen betreibt Hallenbäder und Freibäder. Nach dreijähriger Ausbildung zur Fachangestellten für Bäderbetriebe bewarb sich eine mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 schwerbehinderte Frau um eine entsprechende Stelle. Das Unternehmen stellte ihr einen befristeten Arbeitsvertrag als Elternzeitvertretung in Aussicht.

Anlässlich einer Besichtigung des zukünftigen Arbeitsplatzes teilte die Arbeitnehmerin ihre Behinderung dem Unternehmen mit. Das Unternehmen zog daraufhin das Vertragsangebot zurück. Wegen der Behinderung sei die Bewerberin nicht in der Lage, die Tätigkeit auszuüben.

Die Frau erhob - ohne gesonderte außergerichtliche Geltendmachung - Klage auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG. Die Klageschrift ging dem beklagten Unternehmen einen Tag nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG zu.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zunächst stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage wegen Nichteinhaltung der Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG abgewiesen.

Das Bundesarbeitsgericht meinte in einer früheren Entscheidung (BAG, Urt. v. 21.06.2012 - 8 AZR 188/11 Rn. 27), dass es allein auf den Zugang ankomme für die Fristwahrung und nicht auf eine Klageeinreichung. Nun sieht es das Bundesarbeitsgericht (8 AZR 662/13) anders.   


Die erforderliche Schriftform zur Geltendmachung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen kann auch durch eine Klage gewahrt werden. Dabei findet § 167 ZPO Anwendung. Es genügt der rechtzeitige Eingang der Klage bei Gericht, wenn die Klage "demnächst" zugestellt wird. Das Bundesarbeitsgericht hat sich damit einer geänderten Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 17.07.2008 - I ZR 109/05) angeschlossen. Danach sei § 167 ZPO grundsätzlich auch anwendbar, wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könnte. Nur in Sonderfällen komme die Rückwirkungsregelung nicht zur Anwendung. Im Fall des § 15 Abs. 4 AGG sei keine solche Ausnahme gegeben.

1 Kommentar:

  1. Kompliment an den 8.Senat. Es wäre auch ein Unding, sich an uralter Rechtsprechung festzuhalten, die den modernen Gegebenheiten nicht mehr gerecht wird...

    AntwortenLöschen