Ein Unternehmen mit der Bezeichnung "Reinigungsservice" in Berlin war auf die Betreuung öffentlich zugänglicher Toilettenanlagen in Einkaufszentren, Warenhäusern und ähnlichen Einrichtungen spezialisiert. Nach Auskunft der Unternehmerin gegenüber der Rentenversicherung sei auf die 23 bei ihr angestellten Toilettenfrauen nicht der laut Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks geschuldeten Mindestlohn geschuldet, sondern lediglich zwischen 3,60 und 4,50 Euro. Der Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks gelte für das Unternehmen nicht.
Die Reinigungstätigkeit habe für den Betrieb nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Schwerpunkt der Tätigkeit der Toilettenfrauen, in der Regel Rentnerinnen, sei vielmehr die Bewachung der Teller für das Trinkgeld gewesen. Dies hätte 7 % ihrer Arbeitszeit ausgemacht. Sie hätten dabei quasi als Automaten gehandelt. Die von den Besuchern freiwillig gezahlten Trinkgelder seien die einzige Einnahmequelle des Unternehmens. Die Grundreinigung der Toiletten würde auch gar nicht durch die Toilettenfrauen, sondern durch andere Mitarbeiter oder eine speziell beauftragte Firma durchgeführt.
Die Rentenversicherung verlangte dennoch die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen auf Basis des Mindestlohnes. Auf die Klage hin musste das SG Berlin (S 73 KR 1505/10) entscheiden.
Auch dieses sah die angestellten Toilettenfrauen schwerpunktmäßig
als Reinigungskräfte und nicht lediglich Bewacherinnen von Trinkgeldtellern an.
Als Bemessungsgrundlage für die Versicherungsbeiträge seien daher zu
Recht die tarifvertraglich verbindlichen Mindestlöhne herangezogen
worden. Es handele sich nicht um einen Betrieb der Trinkgeldaufsicht,
sondern um ein Unternehmen, das überwiegend Reinigungsleistungen
erbringe. Dafür spreche schon der Name der Firma ("Reinigungsservice").
Auch nach den Verträgen mit den Auftraggebern (Kaufhäusern,
Einkaufszentren u.s.w.) sei wesentliche Verpflichtung der Klägerin stets
gewesen, die Toiletten in einem sauberen Zustand zu halten bzw. laufend
zu reinigen. Schließlich würde der Betrieb sich über die Einnahme
freiwilliger Trinkgelder finanzieren, die in der Erwartung gegeben
würden, dass die Toilettenmitarbeiter Reinigungsleistungen erbringen.
Einige Auftraggeber hätten sogar ausdrücklich erlaubt, durch das
Aufstellen von Schildern auf die Mühen der Reinigungskräfte hinzuweisen,
um dadurch zur Trinkgeldabgabe zu animieren. Auf den konkreten
zeitlichen Umfang der Reinigungstätigkeit komme es indes nicht an. So
wie ein Arzt, der nachts Bereitschaftsdienst leistet, Arzt bleibe,
bleibe eine Reinigungskraft, die sich zur Beseitigung neuer
Verschmutzungen bereithält, eine Reinigungskraft.
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