Freitag, 25. Februar 2011

Arbeitsunfall Amokfahrt

Die in Neukölln wohnende Frau war Eigentümerin eines Blumenstandes. Während die Frau vor dem Klinikum Neukölln Blumen verkaufte, raste ihr Exmann mit einem gemieteten Kleintransporter in ihren Stand. Die Frau wurde lebensgefährlich verletzt. Wenige Stunden zuvor hatte der Exmann versucht, seine aktuelle Partnerin zu erstechen. Später brachte er sich um. Da die Frau auf Ihrem Arbeitsplatz verletzt wurde begehrte sie die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Die Berufgsgenossenschaft lehnte ab mit Verweis darauf, dass es sich um einen rein privaten Konflikt gehandelt hat. Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit der Frau und dem Vorfall habe nicht bestanden.

Die Frau klagte gegen den Ablehnungsbescheid der Berufsgenossenschaft vor dem SG Berlin. Dieses entschied zu ihren Gunsten (Urteil vom 22. Februar 2011 (S 25 U 406/10). Begründet wurde dies damit, dass nicht aufklärbar war, ob tatsächlich rein persönliche Gründe zu dem Unfall führten oder dies im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit der Blumenhändlerin stand. Die Vermutung spricht für einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.

In der Pressemitteilung werden die Urteilsgründe wie folgt zusammengefasst.

Wer am Arbeitsplatz verletzt wird, steht grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Entscheidend für die Frage, ob auch ein Angriff (z. B. Überfall oder – wie hier – Amokfahrt) als Arbeitsunfall anzusehen ist, ist das Motiv des Angreifers. Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung entfällt nur dann, wenn die Beweggründe ausschließlich dem persönlichen Bereich der Beteiligten zuzurechnen sind. Hierfür trifft den Unfallversicherungsträger die Beweislast.

Bleiben die genauen Motive einer Gewalttat am Arbeitsplatz im Dunkeln, hat das Opfer Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Im vorliegenden Fall gibt es sowohl Anhaltspunkte für eine Beziehungstat als auch für ein berufsbezogenes Motiv des Täters. Es ist denkbar, dass der Täter, der früher selbst einen Blumenstand betrieben hatte, aus Neid auf den beruflichen Erfolg der Klägerin gehandelt hat. Möglicherweise kam es ihm besonders darauf an, zusammen mit dem Blumenstand die wirtschaftliche Existenz der Klägerin zu zerstören. Hierfür spricht unter anderem, dass aufgrund der Rundumverglasung des Blumenstandes mit Plexiglas von außen gar nicht genau erkennbar gewesen war, dass sich die Klägerin im Innern des Standes aufgehalten hatte.

Da der Täter sich während der Untersuchungshaft das Leben genommen hatte, schied seine Befragung aus. Vor der Polizei hatte er zu seinen Motiven geschwiegen. Auch der vom Gericht als Zeuge gehörte Lebensgefährte der Klägerin machte zum Tathintergrund keine Aussagen.

Das Urteil kann von der Berufsgenossenschaft noch mit der Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam angefochten werden.

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