Mittwoch, 11. Juli 2012

Der Abwehrschirm und die Minderung

Berechtigt die Installation eines "Abwehrschirms" zur Minderung? Mit dieser Frage beschäftigte sich vor einiger Zeit schon ein Berliner Amtsgericht. Es ging - natürlich - um Geld und dessen Verteilung.

Ein Mieter wollte wegen gefühlter Gefängnishofatmosphäre aufgrund eines über einen Innenhof gespanntes Netzes zur Taubenabwehr die Miete mindern. Ob dies von Erfolg gekrönt war, kann hier nachgelesen werden.

Dienstag, 10. Juli 2012

Mindestlohn in der Aus- und Weiterbildungsbranche

Das Bundeskabinett hat die vom Bundesarbeitsministerium vorgelegte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen zur Kenntnis genommen. Diese soll zum 1. August 2012 in Kraft treten.

Mit dem Erlass der Verordnung soll erstmals ein Mindestlohn für die Beschäftigten im pädagogischen Bereich der Branche der Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und SGB II festgesetzt werden. Die Höhe des geplanten Mindeststundenlohns ist regional differenziert. Er beträgt 12,60 € für Westdeutschland und Berlin sowie 11,25 € für Ostdeutschland.

Eine Übersicht über allgemeinverbindlich geltende Mindestlöhne findet sich hier.

Montag, 9. Juli 2012

Vorsicht vor der Turboprämie

Eine 57-jährige Betriebsrätin war 15 Jahre in einem Callcenter einer überregional tätigen Luftverkehrsgesellschaft beschäftigt. Im Hinblick auf die beabsichtigte Betriebseinstellung wurde eine Betriebsvereinbarung geschlossen mit Abfindungsangeboten und "Turboprämien" bei besonders schneller Zustimmung zu einem Auflösungsvertrag.

Einen solchen Aufhebungsvertrag unterschrieb die Arbeitnehmerin und erhielt eine Abfindung in Höhe von 75.060 Euro inklusive der "Turboprämie". Sie meldete sich danach arbeitslos.

Die Bundesagentur für Arbeit gewährte Arbeitslosengeld, verhängte aber aufgrund des Auflösungsvertrages eine 12-wöchige Sperrzeit. Die Arbeitnehmerin widersprach und meinte, sie hätte keine Abfindung erhalten, wenn sie auf einen Arbeitsplatz in einer anderen Stadt vermittelt worden wäre. Außerdem seien ihre Eltern zunehmend pflegebedürftig und auf ihre Hilfe angewiesen.

Vor den Sozialgerichten hatte die Arbeitnehmerin keinen Erfolg. Ohne Auflösungsvertrag hätte das Arbeitsverhältnis erst nach Durchführung eines Clearingverfahrens und damit zu einem späteren Zeitpunkt gelöst werden können. Die Arbeitnehmerin habe damit ihre Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Sie könne sich auch weder auf einen wichtigen Grund noch auf eine besondere Härte berufen. Nach dem Sozialplan wäre ihr im Hinblick auf ihre pflegebedürftigen Eltern ein Arbeitsplatz in einer anderen Stadt nicht zumutbar gewesen. Anstelle der "Turboprämie" für frühzeitiges Ausscheiden hätte sie daher bei einer betriebsbedingten Kündigung eine – wenngleich geringere – Abfindung nach dem Sozialplan erhalten.

Fazit: Auch bei "Turboprämien" sollte sich soviel Zeit für eine Entscheidung genommen werden, um durchzurechnen, ob die Prämie das zu erwartende Arbeitslosengeld übersteigt.

Donnerstag, 5. Juli 2012

Alles bleibt beim alten

Einer kurze Nachricht sorgt für Klarheit(?): "In dem Verfahren - 9 AZR 16/11 - (Vereinbarkeit der in § 17 Abs. 1 BEEG geregelten Kürzungsbefugnis mit Unionsrecht) wurde der Termin vom 10. Juli 2012 aufgehoben. Die Revision wurde zurückgenommen."

Hintergrund ist folgender Sachverhalt:

Eine Arbeitnehmerin befand sich nach der Geburt ihrer drei Kinder bis zum 7. Februar 2009 sieben Jahre in Elternzeit. In einem Schreiben vom 16. Februar 2009 erklärte der Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2009. Im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung schlossen die Parteien einen Abfindungsvergleich, der neben der Beendigung zum 30. September 2009 (6 Monate späer !)die folgende Regelung enthielt:

"Damit ist das vorliegende Verfahren insgesamt erledigt."

Die Arbeitnehmerin verlangt nun noch Abgeltung von 102 Urlaubstagen für die Jahre 2006 bis 2009 und meint, ihr Urlaubsanspruch bestehe auch für die Dauer der Elternzeit, da sie gehindert gewesen sei, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. § 17 BEEG (Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen.)verstoße gegen die Europäische Arbeitszeitrichtlinie, da durch die Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit nicht mehr der Mindesturlaub gewährt werde. Der Arbeitgeber hingegen geht davon aus, dass ein abschließender Vergleich mit der Arbeitnehmerin geschlossen wurde.

Die Vorinstanzen (u.a. Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 16.11.2010, 3 Sa 1288/10) haben der Klage der Arbeitnehmerin nur teilweise Recht gegeben, nämlich den Urlaub für 2009 (nach Ende der Elternzeit) betreffend. Ansprüche für die Zeit zuvor wurden abgewiesen. Ein Urlaubsanspruch sei durch die Kürzung des Urlaubs nach (dem europarechtskonformen) § 17 BEEG nicht entstanden.

Die hiergegen von der Arbeitnehmerin eingelegte Revision wurde zurückgenommen, wahrscheinlich nach entsprechenden Hinweisen durch das Bundesarbeitsgericht.

Fazit: Es verbleibt mithin dabei, dass in aller Regel kein Urlaubsanspruch während der Elternzeit entsteht bzw. dieser gekürzt werden kann.

Mittwoch, 4. Juli 2012

bitte, bitte bloß nicht Verfahren

... könnte ein Kraftfahrer denken, und das nicht nur im Hinblick auf verlorene Zeit und unnötige Kraftstoffkosten.

Es sollte in Kerken (Kreis Kleve) ein Fahrzeug für ein Mietwagen- und Transportunternehmen erworben und an den Betriebssitz nach Uslar überführt werden. Der Fahrer verfuhr sich und entschied, die Autobahn Richtung Köln zu nehmen, um von dort aus die ihm bekannte Strecke Richtung Dortmund zu befahren. Allerdings fuhr er am Autobahnkreuz Köln-Nord nicht Richtung Dortmund, sondern in entgegengesetzte südliche Richtung.

Auf dieser Strecke ereignete sich dann ein Unfall bei dem die Insassen verletzt wurden (u.a. Verlust des linken Armes).

Sie begehrten von der Berufsgenossenschaft Leistungen auf Basis eines Arbeitsunfalls. Die Berufsgenossenschaft lehnte dies jedoch ab.

Auch vor dem Landessozialgericht hatten die Fahrzeuginsassen keinen Erfolg.
Nach Ansicht der Richter stellte die Abfahrt am Kreuz Köln-Nord in südliche Richtung eine deutliche Zäsur im Geschehensablauf dar. Das Fahrzeug hat sich dann nicht weiter (über einen Umweg) in Richtung Uslar bewegt, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Der "Umweg" beruhte auch nicht auf äußeren Umständen wie z.B. Dunkelheit, Nebelbildung, mangelhafte Beschilderung oder Ähnlichem.

Fazit: Es bleibt dabei, grundsätzlich ist nur der direkte Weg zum Ziel versichert. Ein Umweg ist nur dann versichert, wenn für ihn betriebliche Gründe maßgeblich gewesen sind. Der "Umweg" im vorstehenden Fall wurde jedoch durch die Unachtsamkeit des Fahrers und nicht aus betrieblichen Gründen veranlasst.

Dienstag, 3. Juli 2012

Ein Vergleich ist (k)ein Vergleich

Eine teilzeitbeschäftigte Lehrkraft war befristet für den Freistaat Sachsen tätig. Die mit Vertrag vom 7. Mai 2007 vereinbarte (vorletzte) Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2008 griff sie vor dem Arbeitsgericht Zwickau mit einer Befristungskontrollklage an. Am 12. August 2008 fand eine Güteverhandlung statt, die ohne Einigung endete.

Im weiteren Verfahren schrieb der beklagte Freistaat:
"...wird nach Prüfung der Anregung der Vorsitzenden Richterin mitgeteilt, dass die Klägerin gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG nochmals für ein Schuljahr, und zwar dieses Schuljahr (bis zum 31.07.2009) im bisherigen Arbeitsumfang (12/27 Wochenstunden, entspricht 44,44 %) beschäftigt werden kann.

Aufgrund des am 25.08.08 beginnenden Unterrichtes sollte ein entsprechender gerichtlicher Vergleich möglichst zügig umgesetzt werden."


Die klagende Arbeitnehmerin war damit wohl zufrieden, zumindest ließ sie vortragen:
"... wird bezugnehmend auf den Schriftsatz des Beklagten vom 26.8.2008 mitgeteilt, dass die Klägerin mit dem Vergleichsvorschlag des Beklagten einverstanden ist. Es wird gebeten, das Zustandekommen des Vergleichs möglichst rasch nach § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO festzustellen. Das Schuljahr hat bereits am 25.8.2008 begonnen und die Klägerin kann erst eingesetzt werden, wenn der Vergleich festgestellt ist."

Die Parteien sind sich einig, weshalb das Gericht den Vergleichsabschluß gem. § 278 VI ZPO feststellt.

Nachdem auch das mit dem gerichtlichen Vergleich befristete Jahr sich dem Ende neigte, erhob die Klägerin erneut Klage und behauptet die Unwirksamkeit der letzten Befristung. Der Freistast Sachsen hingegen beharrt auf der Wirksamkeit der Befristung, ist diese doch aufgrund eines gerichtlichen Vergleiches nach § 14 I Satz 2. Nr. 8 TzBfG zustandegekommen.

Die Lehrerin behielt vor dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 15.2.2012, 7 AZR 734/10) Recht. Die Befristungsvereinbarung ist mangels eines sie nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigenden sachlichen Grundes unwirksam; sie beruht nicht auf einem gerichtlichen Vergleich gem. § 14 I Satz 2 Nr. 8 TzBfG.

Das Bundesarbeitsgericht wiederholt in der Begründung die Voraussetzung eines Vergleiches im Sinne des § 14 I Satz 2 Nr. 8 TzBfg, nämlich die
- Mitwirkung des Gerichtes am Vergleichsabschluß sowie
- das Bestehen eines offenen Streites zwischen den Parteien

Während im vorliegenden Sachverhalt das Bundesarbeitsgericht noch von einem offenen Streit ausgeht (immerhin keine Einigung im Gütetermin), verneint es die erforderliche Mitwirkung des Arbeitsgerichtes am Vergleichsabschluss. Das Arbeitsgericht hat lediglich das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs mit Beschluss festgestellt. Der Vergleich ist damit nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 ZPO geschlossen. Ein solcher Vergleich unterfällt nicht § 14 I Satz 2 Nr. 8 TzBfG. Es fehlt an einer Mitwirkung des Gerichtes im Sinne eines eigenen - vom Gericht stammenden - Vergleichsvorschlages, der von den Parteien angenommen wird.

Fazit: Soll eine Befristung im Wege eines gerichtlichen vergleiiches vereinbart werden, sollte ein entsprechender Vergleichsvorschlag vom Gericht den Parteien unterbreitet werden. Eine Verständigung der Parteien und ein Feststellen der Einigungkeit reicht nicht aus.

Montag, 2. Juli 2012

Der Organist und 644.000 EURO

Ein in einer katholischen Pfarrgemeinde seit Mitte der 80-iger als Organist und Chorleiter angestellter Arbeitnehmer wagte es, sich 1994 von seiner Frau zu trennen und seit 1995 mit seiner neuen Partnerin zusammen zu leben und weitere Kinder zu bekommen. Nachdem die Gemeinde hiervon Kenntnis erhielt (neues Kind)sprach sie die Kündigung aus. Vor den hiesigen deutschen Arbeitsgerichten und dem Bundesverfassungsgericht hielt die Kündigung. Sie wurde erst vor dem EGMR als unnwirksam angesehen - mit dem Hinweis, dass über eine Entschädigung noch verhandelt werden müsse.

Der Organist rechnete aus, was er bis zum Eintritt in die Altesrente verdient hätte und machte dies als Schadenersatzanspruch geltend - immerhin 644.000 Euro.

Das Gericht (Az.: 1620/03) entschied jedoch unter Verweis auf bisherige Rechtsprechung, dass dem Organisten nur eine "gerechter Schadensersatz" von 40.000 € zustehe. Hinzu kommt noch der Ersatz für Gerichtskosten und Auslagen in Höhe von 7.600,00 €