Freitag, 2. August 2013

Das Feld der (Schein-)Werkverträge wird beackert

Bereits am 30.07.2013 berichteten wir über eine Entscheidung des LArbG Hamm zu einem - nur vermeintlichen - Werkvertrag. Nun hat auch das LArbG Stuttgart entschieden im Falle von IT-Spezialisten im Einsatz für den Daimler-Konzern.

Die zwei Kläger haben mit einem IT-Systemhaus Verträge als freie Mitarbeiter. Dieses IT-Systemhaus ist ein Subunternehmen eines führenden Dienstleisters für Informationstechnologie, der die Kläger im Rahmen eines Werkvertrages mit der Daimler AG ausschließlich bei der Daimler AG eingesetzt hat (sehen Sie noch durch?).

Beide arbeiteten aufgrund solcher Verträge von 2001 bis Ende 2011 als IT-Fachkräfte bei der Daimler AG, zuletzt am Standort Stuttgart-Möhringen für den IT-Support in der Abteilung Treasury (Finanzabteilung). Dort betreuten sie die EDV und waren insbesondere für die Funktionsfähigkeit der Computerarbeitsplätze zuständig.

Die IT-Fachkräfte verlangen die Feststellung, dass Arbeitsverträge mit der Daimler AG bestehen. Sie seien in deren Betrieb eingegliedert und deren Weisungen unterworfen gewesen. Die Daimler AG bestreitet dies. Die Beauftragung der IT-Fachkräfte sei vielmehr im Rahmen eines Ticketsystems erfolgt, in dem Beschäftigte der Daimler AG EDV-spezifische Aufträge erteilt hätten.

Das Arbeitsgericht hatte die Klagen noch abgewiesen. Mit ihrer Berufung haben die IT-Fachkräfte jedoch Erfolg.

Das Berufungsgericht ist der Überzeugung, dass der Fremdpersonaleinsatz der IT-Fachleute im Wege der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung und nicht im Rahmen eines Werkvertrages erfolgt ist. Bei der rechtlichen Unterscheidung zwischen Werk-/Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung komme es vor allem darauf an, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten (hier: Daimler AG) eingegliedert gewesen seien und vom Dritten arbeitsvertragliche Weisungen erhalten haben. Wenn dies der Fall sei, sei von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen.

Dabei komme es nicht auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmer (hier: IT-Dienstleister) und dem Dritten an, wenn die Vertragsverhältnisse tatsächlich so nicht gelebt worden seien.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze seien die IT-Fachkräfte, die jahrelang in den Betriebsräumen mit Betriebsmitteln der Daimler AG für diese tätig gewesen sind, bei der Daimler AG eingegliedert gewesen. Sie haben auch von der Daimler AG viele arbeitsvertragliche Weisungen erhalten. Das zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmen und Daimler vereinbarte Ticketsystem (IT-Aufträge von Daimler-Arbeitnehmern werden nach Eröffnung eines Tickets vom Werkunternehmer bearbeitet) sei in vielen Fällen so nicht gelebt worden. Vielmehr seien die IT-Fachleute von vielen Daimler-Mitarbeitern aus der Abteilung Treasury direkt beauftragt worden. Dabei handele es sich nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis. Nach einer wertenden Gesamtbetrachtung sei deshalb von einem Scheinwerkvertrag auszugehen.

Aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG sei deshalb ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen.

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