Donnerstag, 30. Dezember 2010

Dienstwagen mit Privatnutzung gebietet Sorgfalt in der Vereinbarungsgestaltung

Kollegin Germakowski weist in einem Artikel der Legal Tribune Online (LTO) auf einge Fallstricke hinsichtlich der Vereinbarung der Stellung eines Dienstwagens mit Privatnutzung.

Dieser Artikel hinterlässt den Eindruck, dass wegen der vielzähligen Rechtsprechung hierzu lieber ein Anwalt/eine Anwältin solche Dienstwagenvereinbarungen prüfen bzw. erstellen sollte, bevor sie unterschrieben wird und das "Kind in den Brunnen" gefallen ist. Dem kann ich nach einiger Erfahrung mit verschiedenen Dienstwagenklauseln nur zustimmen.

Freitag, 24. Dezember 2010

Keine Lohnkürzung bei Kurzarbeit

Stimmt ein Betriebsrat der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kurzarbeit zu, stellt dies keine Betriebsvereinbarung dar. Auf diesem Weg kann gegenüber einem Arbeitnehmer nicht wirksam Kurzarbeit mit entsprechenden Vergütungskürzungen angeordnet werden.

Das LAG Rheinland-Pfalz gab mit seiner Entscheidung (12. August 2010 - Az. 10 Sa 160/10) einem Arbeitnehmer Recht, der mit seiner Klage die Vergütung verlangte, die er erhalten hätte ohne Kurzarbeit.

Für Arbeitnehmer ergeben sich damit möglicherweise noch Ansprüche auf Vergütung, welche der Arbeitgeber für Kurzarbeit gegebenenfalls nachzahlen muss. Ein Anwalt kann sicher prüfen, ob solche Ansprüche noch bestehen.

Dienstag, 21. Dezember 2010

Ich will am Nachmittag nicht arbeiten! Zum Glück gibt es KITAs

Eine Änderungsschneiderin bekam für ihre Tochter einen Platz in einer Kindertagesstätte von 7:00 Uhr bis 16:00 Uhr. Sie teilte daraufhin ihrem Arbeitgeber mit Schreiben vom 29.09.2010 konkret mit Angabe der Stundendauer ihren Wunsch nach Teilzeittätigkeit mit. Sie wünschte unabhängig vom Samstag eine Teilzeittätigkeit von dienstags bis donnerstags von 9:00 Uhr bis 14:30 Uhr, da sie auf Ehemann und Verwandte für Kinderbetreuung nicht zurückgreifen kann.

Ohne weiteres Gespräch lehnte der Arbeitgeber dieses ab mit dem Hinweis, die gewünschten Arbeitszeiten seien aus organisatorischen Gründen so nicht möglich. Beim Arbeitgeber wird im wöchentlichen Wechsel in der Änderungsschneiderei montags bis freitags von 9:00 Uhr bis 18:30 Uhr bzw. montags bis freitags von 12:15 Uhr bis 19:30 Uhr gearbeitet. Er verlangt, dass alle Beschäftigten, auch die Teilzeitbeschäftigten die Nachmittagsschicht mit abdecken.

Due Änderungsschneiderin war mit der Absage nicht einverstanden und erhob einen Eilantrag. Das Arbeitsgericht lehnte diesen aus formalen Gründen ab. Das LAG Schleswig Holstein (Entscheidung vom 15.12.2010 -3 SaGa 14/10) gab der Schneiderin Recht.

Ein zu kurzfristig gestelltes Teilzeitverlangen, das die in § 8 Abs. 2 TzBfG geregelte Ankündigungsfrist von drei Monaten nicht wahrt, sei nicht unwirksam. Es führe nur dazu, dass nicht schon ab Ende der Elternzeit, sondern erst drei Monate nach dem Verlangen mit der Teilzeit begonnen werden könne. Der Arbeitgeber dürfe den Teilzeitwunsch aber nicht mit dem bloßen Hinweis ablehnen, in seinem Betrieb müssten alle Beschäftigten, auch die Teilzeitbeschäftigten im Schichtbetrieb arbeiten und in diesem Zusammenhang die Nachmittagsschicht bis mindestens 18:00 Uhr abdecken. Er müsse vielmehr konkrete Umstände anführen und beweisen, inwiefern die gewünschte zeitliche Lage der Arbeit nicht durch zumutbare Änderung der Betriebsabläufe oder Einsatz einer in sein Schichtsystem integrierten Ersatzkraft ermöglicht werden kann.

keine kleine Partie in der Oper

Opernchormitglieder können eine Sondervergütung erhalten, wenn sie "kleinere Partien" solo übernehmen. In einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes mussten die Richter gute Kenntnisse der Oper haben, denn die Frage war, ob partitugerecht vorgetragende Soloeinlagen "kurz" waren oder eine "kleinere Partie" darstellten.

Die auf die Sondervergütung klagenden Opernchormitglieder verloren bereits vor dem Schiedsgericht und auch vor dem Bundesarbeitsgericht (PM 95/10). Das Bundesarbeitsgericht geht nur dann von einer "kleineren Partie" aus, wenn das Opernchormitglied aus dem Opernchorkollektiv heraustritt und nach der konkreten Inszenierung und nach ihrem Umfang eine eigenständige Leistung erbringt.

Samstag, 18. Dezember 2010

Von der Weihnachtsfeier ins Krankenhaus - wer zahlt?

Erleidet ein Arbeitnehmer auf einer betrieblichen Weihnachsfeier in einem "Bowlingcenter" (ein Zentrum für eine spezielle Variante des Kegelns)einen Sturz mit Beinbruch handelt es sich um einen Arbeitsunfall. Vielleicht sah es so ähnlich aus:



Die Behandlungskosten trägt wegen der Qualifizierung des Unfalls als Arbeitsunfall nicht die Krankenkasse, sondern die zuständige Berufsgenossenschaft. Dies bestätigt eine Entscheidung des SG Berlin (Urt. v. 16.12.2010, Az. S 163 U 562/09).

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Es geht auch besser

Mit Eintrag vom 14.12.2010 verwiesen wir auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Unwirksamkeit einer OT-Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband.

Nur einen Tag später entschied das BAG über einen Sachverhalt, in dem der Arbeitgeberverband eine wirksame OT-Mitgliedschaft vorsah (PM 94/10).

Dienstag, 14. Dezember 2010

CGZP kann keine Tarifverträge schließen - Chancen für Leiharbeiter

Nach der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes 93/10 ist die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) keine Spitzenorganisation, die in eigenem Namen Tarifverträge abschließen kann. Sie erfüllt die hierfür erforderlichen tarifrechtlichen Voraussetzungen nicht.

Das gemeinsam von ver.di und dem Land Berlin eingeleitete Beschlussverfahren betrifft die Feststellung der Tariffähigkeit der im Dezember 2002 gegründeten CGZP. Deren alleinige satzungsmäßige Aufgabe ist der Abschluss von Tarifverträgen mit Arbeitgebern, die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betreiben wollen. Für diesen Bereich sind Tarifverträge auch für Nichtgewerkschaftsmitglieder von Bedeutung. Nach § 9 Nr. 2 AÜG haben Leiharbeitnehmer während der Zeit ihrer Überlassung an einen Entleiher Anspruch auf die dort geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen. Von diesem Gleichbehandlungsgebot kann zu Lasten der Leiharbeitnehmer nur durch einen Tarifvertrag oder aufgrund vertraglicher Bezugnahme auf einen Tarifvertrag abgewichen werden.

Die CGZP ist nach der BAG-Entscheidung keine Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 TVG, weil sich ihre Mitgliedsgewerkschaften (CGB, DHV und GÖD) nicht im Umfang ihrer Tariffähigkeit zusammengeschlossen haben. Außerdem geht der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus.

Folge ist, dass auf sämtliche bisher bestehenden Leiharbeitsverhältnisse mit Bezug auf Tarifverträge mit der CGZP diese Tarifverträge keine Anwendung mehr finden. Dass heißt, den (Leih-)Arbeitnehmern steht nun der gleiche Lohn zu wie Arbeitnehmern im Entleihbetrieb. Notfalls sollten Arbeitnehmer dies gerichtlich durchsetzen.



Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 -

Radfahrer dürfen Fußgängerüberwege nicht nutzen, Radschieber schon!

Nach einer Entscheidung des LG Frankenthal trifft einen Radfahrer, der einen Fußgängerüberweg überfahrend nutzt, ein Mitverschulden an einem Unfall. Denn er nutzte den Füssgängerüberweg nicht in bevorrechtigender Art und Weise.

Für Fußgänger und "Radschieber" sorgt der Fußgängerüberweg für "Vorfahrt". Eine solche "Vorfahrt" gilt jedoch nicht für fahrende Radfahrer.

ERGO: Radfahrer sollten an Fußgängerüberwegen anhalten und das Fahhrad schieben.

Trotz OT-Mitgliedschaft tarifgebunden

Nach einer Entscheidung des BVerfG (Pressemitteilung Nr. 115/2010 vom 14. Dezember 2010) führt der Wechsel eines Unternehmen aus tarifgebundener Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband in eine OT-Mitgliedschaft (Mitgliedschaft ohne Tarifbindung) nicht zum Wegfall der Tarifbindung gegenüber Arbeitnehmern, wenn die Satzungsregelungen im Arbeitgeberverband keine eindeutige Regelung enthält.

Durch die Nichtannahme zur Entscheidung bestätigt das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes.

Arbeitnehmer sind daher gut beraten, bei Prüfung etwaiger Ansprüche Tarifverträge zu berücksichtigen und hierbei die Satzungen der Arbeitgeberverbände zu beachten.

Fernwärme, Gas & Strom zahlt der Betrieb - dies gilt für Betriebsrentner

Bei einem kommunalen Energieversorgungsunternehmen galt eine Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1969 (BV 1969), die u.a. für Betriebsrentner einen Preisnachlass für den Bezug von Gas und Strom sowie die Übernahme der Kosten für Fernwärme in Höhe von 50 % der Verbrauchskosten vorsah.

Durch Betriebsvereinbarungen aus 2001 und 2006 wurden die Energiekostenerstattungen betragsmäßig eingeschränkt und sodann ganz eingestellt.

Hiergegen wehrte sich ein Betriebsrentner, der bereits vor 2001 aus dem Betrieb ausgeschieden war. Er verlangte die Erstattung seiner Energiekosten auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung von 1969.

Die Revision des Klägers war letztlich vor dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich (PM 92/10). Bei der anteiligen Übernahme von Energieverbrauchskosten auf Grund der Betriebsvereinbarung aus 1969 handelt es sich um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, in die nur unter Beachtung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden durfte. Diese Voraussetzungen lagen nicht vor.

Wer zum Arzt will, muss auf ÖPNV umsteigen - Dienstwagenentscheidung des BAG

Lange war unklar, ob ein vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellter Dienstwagen mit Privatnutzung während einer Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf von 6 Wochen Entgeltfortzahlung zurückgefordert werden kann und darf oder ob der Arbeitnehmer den Dienstwagen wegen der eingeräumten Privatnutzung auch z.B. für Fahrten zum Arzt benutzen darf.

Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht (PM 91/10) nun geklärt.

Ein Arbeitgeber darf einem Arbeitnehmer bei bestehender Arbeitsunfähigkeit über den Zeitraum von 6 Wochen (Entgeltfortzahlungsanspruch) hinaus den Dienstwagen entziehen oder besser audsgedrückt, dessen Herausgabe (Rückgabe) fordern. Der Arbeitnehmer kann dann nicht mehr den Dienstwagen privat nutzen. Auch Fahrten zum Arzt sind dann nicht mehr mit diesem Fahrzeug möglich. Das heisst, er muss auf den ÖPNV umsteigen. Anbei ein paar Tipps für Chemnitz und Region mit VMS und CVAG.

Donnerstag, 9. Dezember 2010

doppelte Absicherung führt zu Unsicherheit - auch bei Weihnachtsgeld

Wieder einmal entschied das Bundesarbeitsgericht (PM 90/10) zu freiwillig und widerruflich gezahlten Weihnachtsgeldern.

Ein Ingenieur erhielt unstreitig zwischen 2002 bis 2007 ein Monatsgehalt als Weihnachtsgeld. Im Jahr 2008 berief sich der Arbeitgeber auf die Wirtschaftskrise und zahlte kein Weihnachtsgeld unter Bezug auf folgende Klausel im Arbeitsvertrag:

„Soweit der Arbeitgeber gesetzlich oder durch Tarifvertrag nicht vorgeschriebene Leistungen, wie Prämien, Zulagen, Urlaubsgeld, Gratifikationen, Weihnachtsgratifikationen gewährt, erfolgen sie freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung. Sie sind daher jederzeit ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar.“

in erster Instanz gewann der Arbeitnehmer, in zweiter Instanz der Arbeitgeber. Das Bundesarbeitsgericht entschied nun zu Gunsten des Arbeitnehmers. Die Klausel ist nicht eindeutig, denn ein Widerruf (Satz 2 der Klausel) setzt einen (widerrufbaren) Anspruch voraus, der jedoch wegen Freiwilligkeitsvorbehalt (Satz 1 der Klausel) gar nicht erst entstehen sollte. Da die Klausel unklar und somit intransparent ist, ist sie unwirksam.

Aufgrund der Zahlungen von 2002 bis 2007 ist eine betriebliche Übung hinsichtlich des Weihnachtsgeldes entstanden. Auf dieser Grundlage kann der Arbeitnehmer auch für 2008 Weihnachtsgeld verlangen in der bisherigen Höhe (1 Monatsgehalt).

Merksatz: Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsmöglichkeit vertragen sich nicht.

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Wenn es mal wieder länger dauert ...

... muss der Dienstherr die Umkleidezeit eines Polizisten nicht als Arbeitszeit vergüten.

Nach einer Entscheidung des OVG NRW (6 A 1546/10, 6 A 979/09 u.a.) ist das An- und Ausziehen der Polizeiuniform keine Arbeit(-szeit).

Ob das alle Berufsgruppen so sehen?

die Hälfte von ... - Anrechnung einer Rente

In einer betrieblichen Altersvorsorgeregelung war bestimmt, dass der Ruhegeldempfänger auf seine Betriebsrente die Hälfte der gesetzlichen Rente sich anrechnen lassen muss. Abschläge wegen vorzeitigem Rentenbezug gingen zu Lasten des Ruhegeldempfängers.

Ein ehemaliger Arbeitnehmer schied mit 55 Jahren aus einem Unternehmen und erhielt mit 60 eine vorgezogene Rente wegen vorangegangener Arbeitslosigkeit. Die Rente beträgt 1.218,88 Euro monatlich.

Hätte der Ruhegeldempfänger erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres Rente bezogen, hätte seine Rente 1.486,44 Euro betragen.

Von letzterem Betrag zog das Unternehmen die Hälfte beim betrieblichen Ruhegeld ab. Die Differenz von monatlich 133,78 € wurde eingeklagt. Vor dem Landesarbeitsgericht war der Kläger noch erfolgreich.

Vor dem Bundesarbeitsgericht (PM 89/10) scheiterte der Kläger jedoch.

Nach den Regelungen zur betrieblichen Altersvorsorge in der Versorgungsordnung des Unternehmens ist dieses berechtigt, die Hälfte der ungekürzten gesetzlichen Rente auf die Betriebsrente des Klägers anzurechnen.

zu früh gefreut

Trotz Obsiegen mit einem Auflösungsantrag nach § 9 KSchG (Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen eine vom Gericht festgelegte - hier mit 5.000,0 € angesetzte - Abfindung) vor dem Arbeitsgericht Dresden musste ein Arbeitgeber nun vor dem Landesarbeitsgericht in Chemnitz den kürzeren ziehen.

Das Landesarbeitsgericht hielt den Auflösungsantrag für nicht gerechtfertigt, da der Arbeitnehmer aufgrund Unstimmigkeiten in vorgelegten Dokumenten (Aussehen der Unterschriften, Diskrepanzen zwischen Kopie und angeblichem Original) zu Recht den Verdacht einer Fälschung äussern durfte, ohne dass hierdurch eine künftige Zusammenarbeit derart belastet werden würde, dass eine Fortsetzung nicht zumutbar sei.

Nun muss der Arbeitgeber aus Radebeul einige Monate Vergütung nachzahlen und hat den "motivierten" Arbeitnehmer weiterhin im Betrieb.

Dienstag, 30. November 2010

Pünklichkeit ist eine Tugend, besonders um 16.00 Uhr

... und ganz besonders gilt dies für Strassenbahnfahrer.

Das LAG Hamm (13 TaBV 54/10) musste über die (Un-)Wirksamkeit einer Betriebsratswahl der Vestischen Strassenbahnen GmbH entscheiden, weil Wahlvorschläge - nach einigem Hickhack - nicht (funkuhrgenau) punkt 16.00 Uhr beim Wahlvorstand abgegeben wurden.

Damit bestand seitdem kein Betriebsrat.

Also liebe Betriebsratskandidaten und Gewerkschaften und Strassenbahnerinnen und Strassenbahner, Pünktlichkeit ist eine Tugend, auch für Euch und auch um 16.00 Uhr!;)

Montag, 29. November 2010

Betrug mit Tankkarten

Das OLG Celle hat eine Anklageschrift gegen Arbeitnehmner (Kraftfahrer) zugelassen, welche eine vom Arbeitgeber gestellte Tankkarte vertragswidrig nutzten, um fremde LKW zu betanken und von deren Fahrern das Benzingeld in die eigene Tasche einzustecken.

Das Landgericht Hildesheim hatte dies zuvor nicht als Betrug zu Lasten des Arbeitgebers gewertet, da keine besondere Vermögenstreupflicht bestanden hätte.

Das sieht auch das OLG Celle ähnlich, sieht den Betrug darin, dass sodann die tankbelege dem Arbeitgeber vorgelegt wurden ohne dem Hinweis, dass damit andere LKW betankt wurden.

Freitag, 26. November 2010

Sockenreinigung von Steuer absetzen?

Sockenreinigung von Steuer absetzen geht doch nicht, oder?

Es ist anerkannt, dass Berufskleidung, welche typisch für eine Berufsgruppe oder Berufsausübung ist (z.B. Uniformen) auch ab und zu gereinigt werden muss. Auch in Berufen mit besonderen Hygieneranforderungen möchte niemend den "Fleck" von der letzten Tätigkeit oder Operation sehen. Reinigungskosten können jedoch als Werbungskosten von der Steuer abgesetzt werden. Doch das gilt nicht für alle Kleidungsstücke.

Eine Hauswirtschafterin in einer kirchlichen Einrichtung musste helle, kochfeste Kleidung, bestehend aus mindestens Kopfbedeckung, T-Shirt, Hose, Socken, Kittel und vorbinder tragen und auf eigene Kosten reinigen. Die Kosten für die Reinigungen in eigender Waschmaschiene bezifferte die Hauswirtschafterin a la "schwäbische Hausfrau" auf 469 € im Jahr 2007 und machte dies in der Steuererklärung geltend.

Das Finanzamt rechnete jedoch nur 226 € an, denn es erkannte nur die Reinigung von Kopfbedeckung, T-Shirt, Kittel und Vorbinder an. Hose und Socken wurden nicht anerkannt.

Auf die Klage vor dem Finanzgericht hin, wurde die Hauswirtschafterin "belehrt" (FG Rheinland Pfalz, PM v. 25.11.2010), dass es sich bei Hose und Socken nicht um typische Arbeitsbekleidung handele und auch ein aufgesticktes Arbeitgeberlogo nicht dazu führt, dass diese Kleidungsstücke Alltagskleidung darstellen. Dies gilt auch, weil diese Sachen in "normalen" Geschäften erworben wurden.

ERGO: Hosen und Socken müssen teilweise selbst bezahlt und auf eigene Kosten gereinigt werden. Eine Absetzung von der Steuer ist nicht in allen Fällen möglich.

Donnerstag, 25. November 2010

Das ist doch selbstverständlich, oder? Überstunden werden vergütet oder in Freizeit ausgeglichen.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber kennen den Grundsatz, dass Überstunden vergütet oder durch Freizeitgewährung ausgelichen werden.

Doch oftmals sind Arbeitgeber findig und vereinbaren regelmäßige umfangreiche Arbeitszeiten (z.B. unter Berücksichtigung von Bereitschaftsdiensten etc.) und umgehen hierdurch den Anfall von Überstunden.

Einen solchen Fall hat nun der EUGH (Az.:C‑429/09) entschieden. Ein Feuerwehrmann musste wöchentlich 54 Stunden arbeiten. Die Höchstarbeitszeit in einer Woche ist jedoch 48 Stunden. Der Feuerwehrmann verlangte die Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit und Abgeltung der bereits erfolgten Überstunden (die Arbeitszeit in der Vergangenheit, welche über 48 h/wöchentlich hinaus gingen) in Zahlung oder Freizeitgewährung.

Das angerufene Verwaltungsgericht in Halle legte das Verfahren dem EUGH vor. Der EUGH gab ihm Recht und erkannte im schönsten "Juristensprech":

"1. Ein Arbeitnehmer, der, wie im Ausgangsverfahren Herr Fuß, als Feuerwehrmann in einem zum öffentlichen Sektor gehörenden Einsatzdienst beschäftigt ist und als solcher eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit abgeleistet hat, die die in Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vorgesehene wöchentliche Höchstarbeitszeit überschreitet, kann sich auf das Unionsrecht berufen, um die Haftung der Behörden des betreffenden Mitgliedstaats auszulösen und Ersatz des Schadens zu erlangen, der ihm durch den Verstoß gegen diese Bestimmung entstanden ist.

2. Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen,

– die – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist – den Anspruch eines im öffentlichen Sektor beschäftigten Arbeitnehmers auf Ersatz des Schadens, der ihm durch den Verstoß der Behörden des betreffenden Mitgliedstaats gegen eine Vorschrift des Unionsrechts, im vorliegenden Fall Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88, entstanden ist, von einer an den Verschuldensbegriff geknüpften Voraussetzung abhängig macht, die über die der hinreichend qualifizierten Verletzung des Unionsrechts hinausgeht, und

– die den Anspruch eines im öffentlichen Sektor beschäftigten Arbeitnehmers auf Ersatz des Schadens, der ihm durch den Verstoß der Behörden des betreffenden Mitgliedstaats gegen Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 entstanden ist, davon abhängig macht, dass zuvor ein Antrag auf Einhaltung dieser Bestimmung bei seinem Arbeitgeber gestellt wurde.

3. Der von den Behörden der Mitgliedstaaten zu leistende Ersatz des Schadens, den sie Einzelnen durch Verstöße gegen das Unionsrecht zugefügt haben, muss dem erlittenen Schaden angemessen sein. In Ermangelung von Unionsvorschriften auf diesem Gebiet ist es Sache des nationalen Rechts des betreffenden Mitgliedstaats, unter Beachtung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes zu bestimmen, ob der Ersatz des Schadens, der einem Arbeitnehmer wie im Ausgangsverfahren Herrn Fuß durch den Verstoß gegen eine Vorschrift des Unionsrechts entstanden ist, diesem Arbeitnehmer in Form von Freizeitausgleich oder in Form einer finanziellen Entschädigung zu gewähren ist, und die Regeln für die Art und Weise der Berechnung der Anspruchshöhe festzulegen. Die in den Art. 16 bis 19 der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Bezugszeiträume sind in diesem Zusammenhang nicht relevant.

4. Die Antworten auf die Fragen des vorlegenden Gerichts sind identisch, unabhängig davon, ob der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens unter die Bestimmungen der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in der durch die Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 geänderten Fassung oder die der Richtlinie 2003/88 fällt."

Donnerstag, 18. November 2010

Patientenessen vernascht - nun Kündigung

Ein Krankenpfleger hat - so behauptete es der Arbeitgeber - etwas von einer übrig gebliebenen Pizza und einer Gulaschportion von Patienten gegessen. Dafür erhielt er die fristlose Kündigung.

Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers war erfolgreich vor dem LAG Schleswig Holstein.

Wieder soll der EUGH es richten - Kettenbefristungen

Erneut legt das Bundesarbeitsgericht (Pressemeldung 88/10) dem EUGH eine klärungsbedürftige Frage zu Kettenbefristungen vor.

Auf eine ähnliche Vorlage haben wir bereits schon einmal verwiesen, nämlich zu Befristungen wegen Haushaltsmitteln (28.10.2010) und Kettenbefristungen (Vorlage durch LAG Köln vom 31.05.2010).

Welcher Tarifvertrag gilt nach Betriebsübergang?

Das Bundesarbeitsgericht (Pressemeldung 87/10) hat wieder einmal über die alte Frage entschieden, welcher Tarifvertrag nach einem Betriebsübergang gelten soll. Grundlage war eine kleine dynamischer Verweisungsklausel (es wird auf die Tarifverträge einer Branche verwiesen) und ein interessanter Sachverhalt.

Eine Gebäudereinigerin berief sich nach einem Betriebsübergang auf den ihr günstigen Tarifvertrag, auf den im Arbeitsvertrag verwiesen wurde. Der hingegen allgemein verbindliche Gebäudereiniger-Tarifvertrag wurde verdrängt nach dem Günstigkeitsprinzip (es gilt die für den Arbeitnehmer günstigste Regelung).

Juristisch drückt es das BAG in der Pressemitteilung so aus:
"Im Fall eines Betriebsübergangs geht eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB mit unverändert rechtsbegründender Bedeutung über. Davon zu trennen ist § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die individualrechtliche Weitergeltung kollektivrechtlicher Normen angeordnet ist, einschließlich der darauf bezogenen Ablösungsregelung in dessen 1 Satz 3 BGB. Diese setzt die normative Geltung der Tarifnormen im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB voraus. Wenn die Tarifregelungen für das Arbeitsverhältnis vor Betriebsübergang kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung galten, ist für eine Berücksichtigung von § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB kein Raum, weder direkt, noch analog oder im Wege der Auslegung."

Einsicht in Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Wen interessiert schon nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Personalakte bei dem früheren Arbeitgeber?

Im Rahmen einer Zeugnisauseinandersetzung kann es schon interessant werden, nämlich dann, wenn um Formulierungen gestritten wird und der Arbeitgeber behauptet, dass Anhaltspunkte für eine Illoyalität bestanden hätten. So steht es zumindest in einem Sachverhalt zu vermuten, den das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte (Pressemitteilung 84/10).

Hiernach war ein Arbeitnehmer in einem Versicherungsunternehmen vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2007 als Schadensbüroleiter beschäftigt. Nach Vertragsende teilte dem Arbeitnehmer eine Personalbearbeiterin im Rahmen einer Zeugnisauseinandersetzung mit, dass Gründe vorhanden seien, die auf seine mangelnde Loyalität schließen ließen. Der Arbeitnehmer verlangte daraufhin Einsicht in seine Personalakte. Die Beklagte verweigert dies mit Hinweis auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Erst vor dem Bundesarbeitsgericht war der Arbeitmehmer mit seiner Klage erfolgreich. Nach der Entscheidung hat der Arbeitgeber Einsicht in seine Personalakte zu gewähren. Der Arbeitnehmer hat - auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses - ein berechtigtes Interesse daran, den Inhalt seiner fortgeführten Personalakte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. (Der Anspruch folgt allerdings nicht aus § 34 BDSG. Die dort geregelten Ansprüche auf Auskunft und Einsicht gelten noch nicht für nur in Papierform dokumentierte personenbezogene Daten. Zurzeit befindet sich ein entsprechendes Änderungsgesetz in der parlamentarischen Beratung.)

Damit sollte folgender Grundsatz künftig beachtet werden: Der Arbeitgeber hat im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Hierzu zählt auch das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers resultierende Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Montag, 15. November 2010

Vollzeit arbeiten und trotzdem weniger Geld?

Darf einem langsam arbeitender Mensch trotz Vollzeittätigkeit die vergütung gekürzt werden. Das OVG Niedersachsen bejaht diese Frage.

Ein Studienrat an einer Berufsbildenden Schule leidet dauerhaft an einer Augenerkrankung und ist nach amtsärztlichen Stellungnahmen nur noch in der Lage, statt der für ihn vorgesehenen 24,5 Unterrichtsstunden insgesamt 19,5 Unterrichtstunden wöchentlich zu erteilen.

Nach den amtsärztlichen Stellungnahmen benötigt der Kläger aufgrund der verlangsamten Lesegeschwindigkeit mehr Vor- und Nachbereitungszeiten für seinen Unterricht und kommt deshalb bei der reduzierten Unterrichtsstundenzahl von 19,5 Wochenstunden im Ergebnis auf die gleiche Wochenarbeitszeit wie eine vollzeitbeschäftigte Lehrkraft.

Die Landesschulbehörde hat daraufhin eine begrenzte Dienstfähigkeit festgestellt, einhergehend mit einer entsprechende Reduzierung der Dienstbezüge.

Hiergegen wandte sich der Studienrat mit der Auffassung, uneingeschränkt dienstfähig zu sein, weil er wie ein vollzeitbeschäftigter Lehrer 40 Wochenstunden arbeite. Er habe deshalb einen Anspruch auf Reduzierung seiner Unterrichtsverpflichtung unter Beibehaltung der Vollzeittätigkeit und der damit verbundenen Gewährung der vollen Höhe der Dienstbezüge.

Nach Auffassung des OVG kommt es für die Frage der Dienstfähigkeit eines Lehrers nicht auf die für niedersächsische Beamte geltende Arbeitszeit von 40 Wochenstunden an, sondern auf die in der Arbeitszeitverordnung für Lehrkräfte festgelegte Unterrichtsstundenzahl. Die Arbeitszeit von Lehrern ist nur hinsichtlich der Unterrichtsstunden messbar. In der Erfüllung ihrer übrigen dienstlichen Aufgaben sind Lehrer dagegen zeitlich nicht gebunden. Der Verordnungsgeber ist bei der Festlegung der Regelstundel von 24,5 Wochenstunden davon ausgegangen, dass ein vollzeitbeschäftigter Studienrat für diese Unterrichtstunden zusammen mit der Vor- und Nachbereitungszeit und mit übrigen Verwaltungsaufgaben die regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden nicht überschreitet. Diese Anforderungen erfüllt ein Lehrer nicht mehr vollständig, wenn er aufgrund einer dauerhaften Erkrankung nur noch eine reduzierte Anzahl von wöchentlichen Unterrichtstunden erteilen kann. Er ist sodann nur noch begrenzt und nicht mehr uneingeschränkt dienstfähig.

Donnerstag, 11. November 2010

unbeaufsichtigtes Kind - haftet der Vater wegen Nichtehelichkeit?

Eine interessante Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes betrifft einen tragischen Fall.

Letztlich wird dem Vater geholfen - zu Recht?

Wenn Gerichte falsch belehren

Wenn Gerichte falsch belehren über mögliche Rechtsmittel und deren Fristen, geniesst der Rechtsmittelsführer Vertrauen auf die - falschen - Fristen für Rechtsmittel. So hat das LAG München entschieden.

Datum: 28.10.2010
Aktenzeichen: 11 Sa 852/10
Rechtsvorschriften: §§ 9 Abs. 5 Satz 4, 66 Abs. 1 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, § 233 ZPO

1. Bei Zustellung eines arbeitsgerichtlichen Urteils später als fünf Monate nach der Verkündung, aber noch vor Ablauf von sechs Monaten, hat die Rechtsmittelbelehrung anzugeben, dass eine Berufung nur bis zum Ablauf von sechs Monaten ab der Urteilsverkündung eingelegt werden kann.

2. Lautet in einem solchen Fall die Rechtsmittelbelehrung nur dahingehend, dass innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils Berufung eingelegt werden kann, genießt der Berufungsführer grundsätzlich Vertrauensschutz hinsichtlich der vom Gericht - unzutreffend - erteilten Rechtsmittelbelehrung (Anschluss an BAG v. 16.12.2004, 2 AZR 611/03 und LAG Nürnberg v. 28.10.2002, 2 SHa 5/02).

3. Die Berufung auf Vertrauensschutz ist jedoch nicht möglich, wenn die Fristberechnung ab dem Verkündungsdatum zunächst zutreffend mit insgesamt sechs Monaten erfolgte und nach Zustellung des mit unzutreffender Rechtsmittelbelehrung versehenen Urteils - ohne weitere Sachprüfung - auf einen Monat nach dem Zustellungszeitpunkt abgeändert wird.

Mittwoch, 10. November 2010

Elternzeitverlängerung und falsche Signale

Eine Mutter kann nach der ursprünglich vorgesehenen Elternzeit noch nicht zurück in den Job, da eine Betreuung des Kindes in KITA aus medizinischen Gründen nicht möglich ist. Deshalb beantragte die Arbeitnehmerin beim Arbeitgeber die Verlängerung der Elternzeit.

Der Arbeitgeber signalisierte der Arbeitnehmerin nun, dass die Zustimmung erfolgen könne, wenn im Gegenzug das Arbeitsverhältnis mit Beendigung der Elternzeit automatisch ende. Der Arbeitgeber wollte doch die Kündigungsfrist - immerhin drei Monate - nebst Vergütungsansprüchen vermeiden. Doch die Arbeitnehmerin war damit nicht einverstanden und klagte auf Feststellung, dass die Elternzeit länger besteht.

In der Zwischenzeit erhielt Sie die Kündigung, da ja nun die ursprüngliche Elternzeit abgelaufen war. Natürlich wurde vorsorglich Kündigungsschutzklage erhoben.

Heute war nun Gütetermin. Zunächst meinte das Arbeitsgericht, dass nach dem Zugang der Kündigung und der Kündigungsschutzklage das Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage entfallen sei wegen der Inzidentprüfung im Kündigungsschutzverfahren. Ich argumentierte dagegen, dass der Feststellungsantrag mehr umfasst als eine Inzidentprüfung, denn immerhin geht es um die Feststellung einer bestimmten zeitlichen Dauer der Elternzeit.

Nach einigem hin und her einigten wir uns dann in einem Vergleich, dass die Elternzeit verlängert wird wie beantragt und 4 Monate später das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt endet. Nun muss der Vergleich nur noch vor der Arbeitnehmerin und dem Arbeitgeber halten.

Dienstag, 9. November 2010

Kürzung des Elterngeldes

Weil eine Mutter einen (!) Tag Mutterschaftsgeld bekam, sollte dem Vater in Elternzeit ein Monat kein Elterngeld zustehen.

Das LSG Hessen sah es anders - zum Glück für den Vater.

Pommes, Frikadellen und eine Kündigung

Der seit 19 Jahren tätige Mitarbeiter einer Anstalt des öffentlichen Rechts, die die Campus-Gastronomie im Bereich der Ruhr-Uni Bochum betreibt, hat Pommes Frites und Frikadellen beim Durchgehen durch die Küche unerlaubtermaßen gegessen. Der Arbeitgeber hat ihm deshalb fristlos gekündigt. Der Arbeitnehmer erhob hiergegen Kündigungsschutzklage.

Das Landesarbeitsgericht Hamm meinte, dass aufgrund der langjährigen Beschäftigung und der bestehenden tarifvertraglichen (ordentlichen) Unkündbarkeit zumindest eine Abmahnung erforderlich war. An dieser fehlte es, weshalb die ausserordentliche Kündigung unwirksam war.

Montag, 8. November 2010

Praktikantenvergütung zurückzahlen?

Eine Firma schloss mit einem Praktikanten einen Vertrag. Nach dem Vertragsinhalt erhält der Praktikant für die Dauer seiner Ausbildung die Möglichkeit Praxiserfahrungen im Unternehmen zu sammeln und eine monatliche Vergütung für seinen Einsatz. Zudem sagt das Unternehmen (bezeichnet sich im Vertrag als Arbeitgeber) zu, dass der Praktikant nach Abschluss der Ausbildung im Unternehmen beschäftigt werde und falls er innerhalb von 3 Jahren kündige, er die Praktikantenvergütung zurückzahlen soll.

Uups, da komm ich doch ins stolpern. Praktikantenvertrag und Vergütungszurückzahlung.

Nun ja, was solls. Der Praktikant hat nach Abschluss der Ausbildung die Stelle gar nicht erst angetreten. Eine entsprechende Verpflichtung fehlte im "Praktikantenvertrag". Nun fordert der "Arbeitgeber" die gewährte Vergütung zurück und erhebt Klage.

Selbstverständlich konnte im Gütetermin keine Einigung erzielt werden. Wir werden sehen, was das Arbeitsgericht dazu meint

Donnerstag, 4. November 2010

(Über-)Gewichtiger Krankentransport

Das war wohl eine Menge Arbeit.

Weil die Sanitäter es nicht schafften, einen übergewichtigen Mann aus der Wohnung zu transportieren (für einen Transport zum Krankenhaus), musste die freiwillige Feuerwehr mit Trage und Drehleiter ran.

Und weil es so schön war, musste das alles nochmal andersherum laufen. Toller Einsatz!

Und dann der Streit um die Kosten.Letztlich musste den Einsatz die Versichertengemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten zahlen.

Urlaub und die Tirol-Entscheidung des EUGH

Tirol ist ein beliebtes Urlaubsziel. Aber eine Entscheidung des EUGH vom 22.04.2010 - bekannt als "Tirol-Urteil" hat ganz andere Auswirkungen auf den Urlaub und Urlaubsansprüche.

Darf nach einem Übergang von einer Vollzeiterwerbstätigkeit in eine Teilzeittätgkeit der bereits erworbene Urlaubsanspruch abgesenkt bzw. angepasst werden? Diese Frage musste der EUGH klären.

Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch beträgt bei einer 6-Tageswoche 24 (Arbeits-)Tage, bei 5-Tages-Woche 20 (Arbeits-)tage und bei 4-Tages-Woche 16 Tage usw..

Demzufolge könnte ein Arbeitnehmer bei Wechsel von einer 5 Tages-Woche mit Urlaub von 24 Tagen in eine 2 Tages-Woche mit nur 8 Urlaubstagen bis zu 16 Urlaubstage verlieren.

Das Bundesarbeitsgericht hielt das früher für rechtlich in Ordnung. Der EUGH sieht es anders und sagt, dass der einmal erworbene Urlaubsanspruch nicht verloren geht, sondern vollständig zu gewähren ist.

Lassen Sie sich als Arbeitnehmer nichts vormachen und als Arbeitgeber sollten Sie immer die aktuelle Rechtslage berücksichtigen oder einen Anwalt fragen.

Mittwoch, 3. November 2010

Millionenschadensersatz wegen Rufschädigung

Ein Krankenhaus scheiterte mit seiner Klage auf 1,5 Millionen € Schadensersatz wegen Rufschädigung gegen eine (wohl ehemalige) Arbeitnehmerin und deren Mann.

Durch anonyme Schreiben wurde das - unwahre - Gerücht aufgebracht, dass es zu dutzenden unerklärlichen Todesfällen im Krankenhaus gekommen sei. Aufgrund dieser "Schmutzkampagne" sei es zu Einbußen des Krankenhauses gekommen.

Später stellte sich heraus, dass die Schreiben vom Mann der ehemaligen Herzchirugin stammen. Deshalb verlangte das Krankenhaus Schadensersatz für die Einbußen vor dem Arbeitsgericht.

Das Arbeitsgericht Münster (Az.: 4 Ca 272/10) sah den Nachweis jedoch nicht erbracht, dass die Einbußen auf die "Schmutzkampagne" zurückzuführen seien und wies die Klage mit einem Gegenstandswert (wichtig für die Berechnung der Anwaltskosten)von 1.500.000,00 € ab.

ARGE klagt erfolgreich gegen Arbeitgeber wegen Dumpinglohn

Das LAG Rostock hat entschieden, dass der klagenden ARGE (Träger der Leistungen nach dem SGB II, d.h.u.a. Zahlungen von ALG II) Zahlungsansprüche gegen einen Arbeitgeber zustehen, der Arbeitnehmern Dumpinglöhne auszahlt.

Eine Pizzeria hat ihren Arbeitnehmern Stundenlöhne zwischen 1,76 und 2,67 € bezahlt. Aufgrund des geringen Einkommens bezogen die Arbeitnehmer ergänzende Leistungen von der ARGE, nämlich ALG II als Aufstocker.

Weil die bezahlte Löhne mehr als 30 % unter den ortsüblichen Löhnen lagen, war der Lohn sittenwidrig niedrig. Dies hat zur Folge, dass nun die ARGE die Differenz zwischen den sittenwidrig niedrigen Löhnen und den ortsüblichen Löhnen vom Arbeitgeber abzüglich der Freibeträge von 100,00 € fordern darf.

Die ARGE wollte jedoch sämtliche gezahlten Aufstockungsbeträge vom Arbeitgeber fordern und überlegt nun die Einlegung einer Revision.

Arbeitnehmer müssen hinsichtlich des Freibetrages über 100,00 € selber klagen. Aufgrund der geringen Einnahmen kann hier auch Prozesskostenbeihilfe helfen.

Montag, 1. November 2010

Geltung des Kündigungsschutzgesetzes in mehreren Kleinbetrieben?

Nach § 23 I KSchG gelten die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes nicht in Kleinbetrieben mit bis zu 10 Arbeitnehmern.

Doch was gilt, wenn ein Unternehmen 2 Betriebsstandorte, z.B. in Leipzig (8 Arbeitnehmer) und Hamburg (6 Arbeitnehmer) hat? Diese Frage musste das Bundesarbeitsgericht entscheiden.

Es kommt darauf an, ob die Betriebsstätten organisatorisch hinreichend verselbständigte Einheiten darstellen und somit den Betriebsbegriff erfüllen. Das Bundesarbeitsgericht konnte dies jedoch nicht abschließend entscheiden, da das Landesarbeitsgericht nicht genügend tatsächliche Anhaltspunkte erwähnt hat. Deshalb wurde das Verfahren zurückverwiesen.

Im Fall selbst war ein Arbeitnehmer (Hausmeister) gekündigt wurden, obwohl er nach einer Sozialauswahl unstreitig nicht betroffen wäre. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben dem Arbeitnehmer recht mit der Argumantation, dass der Geschäftsführer u.a. nicht in Hamburg mitgearbeitet habe. Auf die Revision des Arbeitgebers musste das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichtes aufheben und die Sache zurückverweisen.

Haben Sie einer Kündigung erhalten oder bereiten eine vor empfehlen wir Ihnen die rechtzeitige Einholung anwaltlichen Rates.

Freitag, 29. Oktober 2010

Gerichtsvollzieher = Bandit = Innendienst

So mancher Suchuldner würde wohl manchmal der Aussage zustimmen, dass Gerichtsvollzieher per se Banditen sind. Das sind sie natürlich nicht. Sie sind Beamte des öffentlichen Dienstes, welche Urteile etc. durchsetzen sollen.

Doch das OVG Münster musste jetzt einen Sachverhaltz entscheiden, wonach ein Gerichhtsvollzieher eine gewisse Nähe zu dem Motoradclub "Bandidos" (zu dt. Banditen) aufwies. Er vermietete ein Haus an die "Bandidos" und lies zu, dass diese es nach Ihren Wünschen gestalten konnten.

Die Dienstvorgesetzten hielten diese Nähe zu den Bandidos mit der Tätigkeit als Gerichtsvollzieher nicht für vereinbar und versetzten den Gerichtsvollzieher in den Innendienst. Diese Versetzung in den Innendienst wurde nun durch das OVG Münster bestätigt.

Donnerstag, 28. Oktober 2010

13 befristete Arbeitsverträge - kippt die Befristung aus Haushaltsmitteln?

Eine Privilegierung des Öffentlichen Dienstes ist die Möglichkeit der befristeten Einstellung von Arbeitnehmern, wenn es hierfür nur für einen zeitraum zur Verfügung stehende Haushaltsmittel gibt (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG). Es liegt dann ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses vor. Privaten Arbeitgebern steht diese Möglichkeit nicht zu.

Diese Befristungsmöglichkeit aus Haushaltsmitteln führt oft dazu, dass Arbeitnehmer immer wieder neu befristet beschäftigt werden und es zu sogenannten Kettenbefristungen kommt. Ein Missbrauch dieser Regelungen ist nach § 5 Nr. 1 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (Rahmenvereinbarung) verboten.

Eine Arbeitnehmerin wehrte sich gegen die 13. Befristung ihres Arbeitsverhältnisses. Das beklagte Bundesland hat sich auf nur vorübergehend zur Verfügung stehende Haushaltsmittel berufen und so die Befristung begründet.

Das Bundesarbeitsgerichts hat nun dem EUGH die Frage vorgelegt, ob es unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes mit der Rahmenvereinbarung vereinbar ist, für den öffentlichen Dienst zusätzlich einen Grund zur Befristung von Arbeitsverträgen vorzusehen, der in der Privatwirtschaft nicht zur Verfügung steht.

Wieder einmal ist es an den Gerichten, klare Regelungen aufzustellen.

Gut gemeint kommt nicht immer gut an

Das haben Arbeitgeber und Personalvertretung sich was schlaues gedacht und in einer Dienstvereinbarung bestimmt, dass die Höhe eines Ruhegeldes ehemaliger Beschäftigter an die Lohnentwicklung der Beschäftigten gekoppelt wird.

Nicht immer geht es dabei um Erhöhung, was aber immer der erste Gedanke ist.

Kommt es nämlich zu einer Arbeitszeitreduzierung für die beschäftigten Arbeitnehmer mit entsprechender Lohnkürzung, trifft dies auch die Betriebsrentner. Deren Ruhegehalt ist dann entsprechend zu kürzen.

Aber das Bundesarbeitsgericht hat eine Untergrenze vorgesehen zum Schutz der Betriebsrentner. Die Kürzungen der Ruhegeldansprüche dürfen nicht die Ruhegeldhöhe bei Eintritt des Versorgungsfalles unterschreiten.

Schwarzarbeit ist strafbar - auch für Menschen ohne erlerntem Beruf

Das Schwarzarbeit strafbar sein kann muss nun ein Unternehmer ohne erlentem Beruf erfahren. Er baute nach der Pressemitteilung des LG Düsseldorf mit mehreren Firmen zur Verschleierung seiner Tätigkeiten durch die Beschäftigung von 1000 Leiharbeitern aus Rumänien ohne Zahlung von Steuern und Sozialabgaben einen Schaden von ca. 14.000.000 € (14 Millionen €).

Deshalb kann nur der dringende anwaltliche Rat erfolgen: Hände weg von Schwarzarbeit.

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Besondere Anforderungen an einen Vergleich ohne mündliche Verhandlung

Oft können die Parteien trotz Gerichtsverfahren sich außergerichtlich auf ein bestimmtes Vorgehen einigen und wünschen nun einen Form, aus der vollstreckt werden kann. Eine mündliche Verhandlung ist nach § 278 IV ZPO nicht notwendig. Es reicht, wenn dem Gericht ein schriftlicher Vergleich vorgelegt wird, den das Gericht bestätigen soll.

Doch hierbei sind Besonderheiten zu beachten, die dem nachfolgenden Leitsatz des OLG Karlsruhe entnommen werden können, welche auch in Verfahren vor dem Arbeitsgerichten gelten:

Die aufgrund der Rechtsfolgen zu fordernde besonderen Formenstrenge des "Unterbreitens" eines Vergleichsvorschlags im Sinne von § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO erfordert eine eigenständige, von der Erklärung der Annahme der außergerichtlichen Vereinbarung abgesetzte Erklärung der Parteien gegenüber dem Gericht. Eine gemeinsame Erklärung oder die Erklärung einer Partei mit Zustimmung der anderen Partei reicht nicht aus. Weil das Prozessrecht die Verfahrenslage weitgehend vor Unsicherheit schützen will, sind Unklarheiten zu vermeiden und deshalb ist als "Unterbreiten" im Sinne von § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO eine ausdrückliche eigene Erklärung der Partei gegenüber dem Gericht zu fordern.

Dienstag, 26. Oktober 2010

Sperrzeit wegen Alkoholgenuss

Fährt ein Berufskraftfahrer ausserhalb der Arbeitszeit unter Alkoholeinfluss und wird ihm deswegen die Fahrerlaubnis entzogen, kann dies zur Kündigung des arbeitsverhälltnisses führen.

Doch es kommt noch schlimmer.

Nach einer Entscheidung des LSG Hessen rechtfertigt der Sachverhalt auch eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen. Das heißt, der betroffene Arbeitnehmer erhält kein Arbeitslosengeld.

Wegen drei verschenkter Schrauben ...

... zu Lasten eines Arbeitgebers ist eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt.

Ein Betriebsratsmitglied wollte einem ehemaligen Kollegen helfen und schenkte diesem 3 Schrauben im Wert von je 0,28 €. Als der Arbeitgeber dies erfuhr, wollte der das Betriebsratsmitglied fristlos kündigen. Der Arbeitgeber wandte sich an den Betriebsrat, um die - hier erforderliche - Zustimmung (nicht nur Anhörung) zur Kündigung zu erhalten. Der Betriebsrat verweigerte dies.

Der Arbeitgeber zog vor das Arbeitsgericht und wollte die Zustimmung erstreiten. Das Arbeitsgericht Bonn lehnte dies jedoch ab unter Berücksichtung des Eingeständnisses des betroffenen Arbeitnehmers, dessen langjähriger Beschäftigung und des geringfügigen Schadens. Das ist ein Urteil als Folge der Emmely-Entscheidung.

Montag, 25. Oktober 2010

Keine Freibeträge auf Krankengeld während ALG II - Bezug!

Während des ALG II - Bezug erhaltenes Krankengeld ist als Einkommen anzurechnen. Da Krankengeld allerdings nicht aus einer Erwersbtätigkeit stammt, erfolgt kein Abzug von Freibeträgen. Dies entschied das LSG Baden-Würtemberg.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Rückstellung vom Wehrdienst und duales Studium

Ein Wehrpflichtiger kann nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) nur dann wegen eines Studiums mit studienbegleitender betrieblicher Ausbildung (dualer Bildungsgang) vom Grundwehrdienst zurückgestellt werden, wenn der duale Bildungsgang zum Zeitpunkt des vorgesehenen Diensteintritts bereits begonnen hat.

Es reicht nicht aus, dass der Wehrpflichtige einen Vertrag über eine Berufsausbildung geschlossen hat, die den praktischen Teil des Studiums bildet.

Das kleine Wort "soll" und dessen Auswirkungen

In einem Flächentarifvertrag (gilt für Unternehmen in einem bestimmten geografischen Gebiet) findet sich eine Öffnungsklausel. Hiernach können bei Vorliegen bestimmter - im Tarifvertrag benannter Voraussetzungen - Betriebe von Tarifvereinbarungen im Rahmen betrieblicher Bündnisse abweichen, z.B. zu Absenkung von Leistungen. Der Tarifvertrag bestimmte, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen der Abweichung die Zustimmung erteilt werden "soll".

Im vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschiedenen Fall hat die Gewerkschaft einer vom Tarifvertrag abweichenden Vereinbarung nicht zugestimmt, obwohl die Voraussetzungen hierfür gegeben waren. Die Gewerkschaft berief sich auf einen ihr zustehenden Ermessensspielraum.

Dieser Argumentation schob - nach Mitteilung des BAG - das Wort "soll" im Tarifvertrag einen Riegel vor. Die „Soll“-Bestimmung führt nach der Pressemitteilung (77/10) des BAG zu einer Zustimmungspflicht, wenn die Kriterien für die Betriebsvereinbarung eingehalten sind und der die Zustimmung verweigernden Tarifvertragspartei keine gewichtigen Gründe für ihre Weigerung zur Verfügung stehen.

Für den Fall, dass dabei die hierzu weiter ergangenen tariflichen Bestimmungen eingehalten werden (ua. Begründung der Notwendigkeit anhand nachvollziehbarer Kriterien, beschäftigungssichernder und wettbewerbsverbessernder Zweck der Veränderung), bestimmte der Tarifvertrag, dass die Zustimmung erteilt werden „soll“.

Zwangsurlaub (unbezahlt) wegen Übergewicht

Weil 2 übergewichtige Busfahrer keine Diät machen wollten, schickte ein Busunternehmen in Großbritannien sie in den unbezahlten Zwangsurlaub, wie Spiegel online meldete.

Interessant ist auch, dass die 2 Busfahrer 160 kg gewogen haben sollen. Stellt sich nur die Frage, ob je ein Busfahrer oder beide gemeinsam soviel wogen.

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Alter Wein in neuen Schläuchen - Freistellung führt zu Beschäftigungslosigkeit?

Aus der aktuellen Neuen Zeitschrift zum Arbeitsrecht (NZA) entnahm ich die Meldung, dass die Spitzenverbände der Krankenversicherungen, Rentenversicherung und Agentur für Arbeit erneut darüber nachdenken, dass eine Freistellung von der Erbringung der Arbeitsleistung zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses führe, spätestens nach einen Monat.

Das Beschäftigungsverhältnis ist begrifflich von einem Arbeitsverhältnis zu trennen. Das Beschäftigungsverhältnis ist Anknüpfungspunkt für Sozialversicherungsleistungen.

Die Spitzenverbände beziehen hierbei auf die seit 2009 bestehende Regelung des § 7 I a SGB VI.

Es ist mithin anzuraten, betroffene Arbeitnehmer auf die Risiken einer Freistellung, welche länger als einen Monat dauen solle, hinzuweisen.

Die frühere Rechtsprechung zu diesem Problemkreis durch das BSG vom 24.09.2008 soll nach Auffassung der Spitzenverbände nicht greifen, da die Rechtslage sich eben in 2009 geändert habe.

Zu spät ... 3 Wochenfrist für Schwerbehindertenmeldung

Zu spät für eine erfolgreiche Verteidigung gegen eine Kündigung ist es, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung dem diesbezüglich unwissenden Arbeitgeber über die Schwerbehinderteneigenschaft oder die laufende Antragsstellung hierzu in Kenntnis setzt. Dies entschied das LAG Schleswig-Holstein.

Schwerbehinderte genießen einen Sonderkündigungsschutz (§ 85 SGB IX). Danach ist u.a. eine Kündigung abhängig von einer vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Liegt diese nicht vor, ist die Kündigung unwirksam.

Eine solche Zustimmung kann ein Arbeitgeber natürlich nur einholen, wenn er Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft eines Arbeitnehmers hat. Verfügt er über diese Kenntnis nicht und ist die Schwerbehinderung auch nicht offensichtlich, muss ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber hierüber in Kenntnis setzen. Dies geht nur bis zu 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung. Diese Frist ist an § 4 KSchG angelehnt.

Das Urteil des LAG Schleswig Holstein im Kündigungsschutzverfahren ist nicht rechtskräftig, da hiergegen ein Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht anhängig ist unter dem Az.: 2 AZR 463/10

Dienstag, 19. Oktober 2010

Wer ist auf dem Holzweg - Urlaubsabgeltung und Ausgleichsquittung

Bis zum Gütetermin hielt ich die Sache eigentlich schon für gelaufen. Aber damit befand ich mich auf dem Holzweg.

Ich habe in 2.Instanz für einen Arbeitnehmer in einem Kündigungsschutzprozess nach langer Arbeitsunfähigkeit einen Abfindungsvergleich ausgehandelt, wonach auch finanzielle Ansprüche abgegolten sein sollen (nach Einholung des Einverständnisses des Mandanten). Nun geht es um Urlaubsabgeltungsansprüche für mehrere Jahre. Nach der Rechtsprechung ist ein Verzicht auf Urlaubsabgeltungsansprüche im Rahmen einer Ausgleichsquittung oder eines gerichtlichen Vergleiches wegen § 13 II Satz 3 BUrlG nicht wirksam möglich.

Doch der Richter überrascht mich. Nach der neueren Rechtsprechung hat sich das Bundesarbeitsgericht (unter Druck der EUGH-Rechtssprechung) von der Surrogatstheorie verabschiedet mit der Folge, dass Urlaubsansprüche nicht mehr bei langandauernder Arbeitsunfähigkeit verfallen. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei vielmehr nur noch ein reiner Geldanspruch (so u.a. BAG vom 04.05.2010) Soweit so gut wie richtig.

Doch nun meint er, dass mit Aufgabe der Surrogatstheorie der Verfall von und Verzicht auf Urlaubsabgeltungsansprüche möglch ist und hier durch den Abfindungsvergleich der Kläger seine Ansprüche verloren hätte. Ich gebe zu, für einen Moment war ich sprachlos.

Nach Recherche und Durchsicht der einschlägigen Urteile und Literatur vertrete ich jedoch weiterhin die Auffassung, dass ein Verzicht des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltungsansprüche weder in einer Ausgleichsquittung noch in einem gerichtlichen Vergleich möglich ist. Der § 13 I Satz 3 BUrlG steht nun einmal und die Rechtsprechung hierzu wurde meines Wissens nach noch nicht aufgehoben. Die Aufgabe der Surrogatstheorie führt lediglich dazu, dass Urlaubsansprüche nicht mehr bei Arbeitsunfähigkeit verfallen, beseitigt jedoch nicht das in § 13 I Satz 3 BUrlG enthaltene Verfügungsgebot.

Nun ja, ich habe dies jetzt dem Arbeitsgericht mitgeteilt. Nun heißt es auf die Entscheidung zu warten. Dann weiß ich, wer auf dem Holzweg war.

Zu welcher Krankenkasse gehört ein ALG II - Leistungsempfänger?

Ein selbständig Tätiger sollte sich von Anfang seiner Erwerbstätigkeit bewusst machen, welche Folgen die Entscheidung für oder gegen eine Krankenversicherung hat.

Einen besonderen Fall hatte nun das LSG NRW zu entscheiden, wie auf http://sozialrecht-chemnitz.blogspot.com/ veröffentlicht.

Dabei geht es um die Frage, ob mit Eintritt in den Leistungsbezug von ALG II automatisch die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung auflebt, wenn die ursprünglich bestandene selbständige Erwebstätigkeit und private Krankenversicherung vor Leistungsbezug beendet wurden.

Montag, 18. Oktober 2010

Der tiefe Fall eines Pfarrers ...

kann auch zu rechtlich interessanten Sachverhalten führen.

Aufgrund der Sparbemühunghen der Kirche und dem damit u.a. verbundenen Personalausdünnung (1 Pfarrer und viele Gemeinden) hat ein bereits in Rente befindlicher Pfarrer vertretungsweise einen Gottesdienst am Karfreitag gehalten.

Auf dem Aufgang zur Orgelempore stürzte er und brach sich das Bein.

Nun war zu klären, wer für die Krankenbehandlung aufkommen muss.

Nach einem Urteil des SG Frankfurt/Main muss nicht die Berufsgenossenschaft, sondern die Kirche für die Heilbehandlungskosten aufkommen. Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Rentner in einem Dienstverhältnis zur Kirche stand und nicht in einem Arbeitsverhältnis.

Dem Ansehen der Polizei schaden

kann auch eine Polizeibeamtin nach dem Urteil des OVG NRW (11.10.2010 - 6 B 1057/10).

Eine Polizistin darf während der ärztlich festgestelllten Dienstunfähigkeit nicht der - ursprünglich genehmigten - Nebentätigkeit als Sängerin einer Band mit Erwerbserzielungsabsicht nachgehen, da dies dem Ansehen der Polizei schade.

Ob es mit den Qualitäten als Sängerin zusammenhängt oder mit der Dienstunfähigkeit?

Ist Zeckenbiss ein Dienstunfall?

Diese Frage ist grundsätzlich zu bejahen, wenn eindeutig nachgewiesen wird, dass der Zeckenbiss während einer Dienstverrichtung mit entsprechendem Risiko erfolgte, vgl. den Fall "Biss im Morgengrauen".

Einen solchen Nachweis konnte ein Beamter in Nordrhein-Westfalen nicht erbringen, weshalb er mit seinem Begehren auf Anerkennung einer Borrelioseerkrankung als Dienstunfall scheiterte vor dem Oberverwaltungsgericht (13.10.2010 - 1 A 3299/08).

Um Ansprüche zu wahren kommt es deshalb für Arbeitnehmer und Beamte darauf an, von Anfang an eine lückenlose Beweiskette aufweisen zu können, dass der Zeckenbiss während der Arbeits- bzw. Dienstzeit erfolgte.

OSSI - Fall beendet

Die Frage, ob Ostdeutsche eine eigene Ethnie bilden und deshalb eine Bewerberin aus den "neuen" Bundesländern benachteiligt wurden ist durch die Ablehnung ihrer Bewerbung mit der Randnotiz "(-) Ossi" wird nun nicht mehr richterlich geklärt.

Die Parteien haben sich verglichen, wie das Landesarbeitsgericht mitteilte. Sie haben sich auf eine Vergleichszahhlung geeinigt, wobei zur Höhe und den Modalitäten nichts ausgeführt wurde aufgrund eines Stillhalteabkommens.

Damit ging ein pressewirksamer Rechtsstreit um eine Diskriminierung zu Ende. Zum Verfahren siehe auch diese Meldung.

Sonntag, 17. Oktober 2010

Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus betrieblicher Altersrente können verfassungswidrig sein.

Das Bundesverfassungsgericht hatte über 2 ähnliche Sachverhalte zu entscheiden. Trotz der Ähnlichkeiten kam es zu unterschiedlichen Entscheidungen.

Sachverhalt 1
Für Rentner Beispiel wurde von seinem Arbeitgeber eine Betriebsrente im Wege einer Direktversicherung abgeschlossen und Beiträge zur Versicherung bezahlt. Die Versicherungsbeiträge wurden direkt aus dem sozialversicherungspflichtigen Gehalt des damals noch arbeitenden Beispiel gezahlt. Nachdem Herr Beispiel aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, führte er die Zahlung der Versicherungsbeiträge fort. Der Arbeitgeber blieb jedoch weiterhin Versicherungsnehmer. Nach Bezug der Rente wurden durch die Krankenkasse Beiträge gefordert. Hiergegen klagte der Rentner Beispiel erfolglos.

Sachverhalt 2
Für Rentner Muster wurde ebenfalls von seinem Arbeitgeber eine Betriebsrente im Wege einer Direktversicherung abgeschlossen und Beiträge zur Versicherung bezahlt. Die Versicherungsbeiträge wurden hier jedoch nicht direkt aus dem sozialversicherungspflichtigen Gehalt des damals noch arbeitenden Muster gezahlt. Nachdem Herr Muster aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, führte er die Zahlung der Versicherungsbeiträge fort. Der Arbeitgeber übertrug den Status als Versicherungsnehmer auf Herrn Muster. Auch hier erhob die Krankenkasse auf den Bezug der Rente Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Auch Muster klagte hiergegen erfolglos.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass der Kläger (vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerdeführer) Beispiel die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bezahlen muss, während der Kläger Beispiel diese nur zu dem Teil tragen muss, der den Anteilen entspricht, auf die der ehemalige Arbeitgeber Versicherungsbeiträge zahlte.

Die Entscheidungen begründete das Bundesverfassungsgericht mit folgenden Erwägungen.

Der Grundsatz der Beitragserhebung auch auf Kapitalleistungen aus betrieblichen Direktversicherungen nach § 229 I Satz 3 SGB V ist verfassungskonform und stellt auch keine Verletzung gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Grundgesetz dar.

Jedoch kann die Beitragserhebung auf Beiträge, die durch einen Arbeitnehmer als eigener Versicherungsnehmer in Fortführung der Direktversicherung – hier Rentner Muster – gezahlt wurden, die Unterscheidung zwischen betrieblicher und privater Altersvorsorge unzulässig verwischen. Dies würde zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung führen.

Mit der Übertragung des Versicherungsnehmerstatus vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer führt mithin dazu, dass bei Versicherungsbeitragsfortführung der betriebliche Bezug entfällt und von einem Privatversicherungsverhältnis auszugehen ist.

Mithin ist bei der Kapitalauszahlung aus der Direktversicherung zu unterscheiden zwischen den Kapitalerträgen, welche noch aus den Beiträgen des Arbeitgebers stammen, und den Erträgen aus den Beitragszahlungen des Arbeitnehmers. Erstere unterliegen der Kranken- und Pflegeversicherung, während letztere Erträge dieser nicht unterliegen.

Freitag, 15. Oktober 2010

wegen Auto kein BAFÖG!

Hat ein BAFöG-Empfänger bzw. Antragsteller ein Auto von einigem Wert, kann dieses als Vermögen angerechnet werden und zum Wegfall des BAFÖG-Anspruches führen.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschied den Fall eines Berufsoberschülers aus Ingolstadt. Dieser erwarb für 40.000 DM einen Pkw Marke Audi A 3 (was anderes geht ja wohl nicht in Ingolstadt, oder?).

Nach der Entscheidung ist ein Pkw kein Haushaltsgegenstand, sondern ein Vermögensgegenstand. Deshalb ist der Geldwert des Pkws zwingend beim BAföG-Antrag anzugeben. Soweit der Geldwert des Fahrzeuges, ggf. auch mit anderem Vermögen, den Freibetrag überschreitet, kann dies zu Kürzungen und zum Entfall des BAföG-Anspruchs führen.

Dienstag, 12. Oktober 2010

Automatische Beendigung des Arbeitsvertrages bei Renteneintritt nicht diskriminierend!

Nach einer Entscheidung des EUGH vom 12.10.2010 ist die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Eintritt in das Rentenalter nicht notwendigerweise diskriminierend.

Eine Reinigungskraft war beruflich 39 Jahre lang mit Tätigkeiten der Gebäudereinigung befasst. Ihr Arbeitsverhältnis endet im Einklang mit dem geltenden Tarifvertrag für das Gebäudereinigungsgewerbe mit Ablauf des Kalendermonats, in dem sie Anspruch auf eine Altersrente hat, spätestens mit Ablauf des Kalendermonats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollendet. Solche Regelungen finden sich in vielzähligen Tarif- und Arbeitsverträgen.

Mit Erreichen des Rentenalters wurde ihr vom Arbeitgeber mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis damit ende. Hiergegen erhob Frau Rosenbladt Klage vor dem Arbeitsgericht Hamburg, das den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersucht hat. Sie fühlt sich unzulässigerweise diskriminiert wegen ihres Alters.

Der EUGH stellt zunächst klar, dass eine Klausel, nach der das Arbeitsverhältnis automatisch endet, wenn der Beschäftigte das Rentenalter erreicht, eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung darstellt. Jedoch kann diese Ungleichbehandlung als gerechtfertigt angesehen werden.

Hinsichtlich des mit der Regelung verfolgten Ziels geht es um einen Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen.

Nach dem EUGH ist eine Klausel zur automatischen Beendigung des Arbeisverhältnisses mit Renteneintritt geeignet, dieser Abwägung zwischen den Interessen gerecht zu werden. Unter Berücksichtigung der Regelungen in Deutschland der EUGH zu dem Ergebnis, dass das europäische Recht einer Klausel über die automatische Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Erreichen des Rentenalters des Beschäftigten, wie sie in Deutschland der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vorsieht, nicht entgegensteht.

Kippt nun die deutsche Rechtsprechung zum Abfindungsausschluss rentennaher Jahrgänge?

Nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung in Deutschland können in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen Regelungen zulässig sein, welche rentennahe Arbeitnehmer von der Zahlung einer Abfindung ausschließen oder deren Abfindungshöhe beschränken.

Nun könnte ein EUGH-Urteil vom 12.10.2010 Bewegung in diese Rechtsprechung bringen.

In dem entschiedenen Fall ging es zwar um dänisches Recht, jedoch können die vom EUGH aufgestellten Grundsätze auch auf Regelungen in Deutschland übertragen werden.

Danach ist es mit europäischem Recht vereinbar, wenn der Abfindungsanspruch von Arbeitnehmern mit Rentenbezug ausgeschlossen bzw. eingeschränkt wird. Eine solche Regelung ist aber dann unverhältnismäßig und unwirksam, wenn der Ausschluss/die Beschränkung der Abfindungszahlung allein davon abhängig ist, ob ein Arbeitnehmer Rente beziehen könnte.

Nach dem EUGH-Urteil soll durch eine Entlassungsabfindungen das sozialpolitische Ziel erreicht werden, den Übergang in eine andere Beschäftigung zu ermöglichen. Das ist auch zulässig. Meist gehen nun Arbeitnehmer mit der entsprechenden Möglichkeit in Rente, so dass bei ihnen das sozialpolitische Ziel der Entlassungsbfindung nicht greift. Dies unterstellt knüpfen viele Tarif- und Betriebsvereinbarungsregelungen daran an, ob Arbeitnehmer bereits Rente beziehen könnten (u.U. auch mit Abschlägen) ohne dass es darauf ankommt, ob die Arbeitnehmer dies auch wünschen.

Soweit ein Arbeitnehmer mit Rentebezugsmöglichkeit eben noch nicht in Rente möchte, sondern seine berufliche Laufbahn weiterverfolgen möchte, verstößt die Anknüpfung der Beschränkung der Abfindung an die Möglichkeit des Rentenbzuges nach EUGH-Rechtsprechung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Fazit:
Nach diesem Urteil ist davon auszugehen, dass Arbeitnehmern, welche noch nicht Rente beziehen wollen trotz bestehender Bezugsmöglichkeit Anspruch auf die Zahlung einer Entlassungsentschädigung haben, auch wenn Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung es anders regeln.

keine Weiterbeschäftigung trotz Unkündbarkeit

Ein langjährig beschäftigter Geschäftsführer (Direktor und Intendant der Bonner Kunsthalle) einer GmbH war aufgrund vertraglicher Vereinbarung der Geltung eines Tarifbertrages nach den Tarifbestimmungen ordentlich unkündbar.

Die Gesellschafter haben den Geschäftsführer abberufen und den Geschäftsführeranstellungsvertrag unter Einhaltung einer Frist gekündigt. Hiergegen wehrte sich der Geschäftsführer und wollte als Geschäftsführer weiterbeschäftigt werden. Dies wurde ihm rechtskräftig versagt. Jedoch hat das Oberlandesgericht in der Berufung die GmbH verurteilt, den (ehemaligen) Geschäftsführer in ähnlich leitender Tätigkeit weiterzubeschäftigen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dieses Urteil aufgehoben. Der (ehemalige) Geschäftsführer ist nicht weiterzubeschäftigen. Einen Anspruch des Geschäftsführers einer GmbH auf Beschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion wird vom BGH (II. Zivilsenat) grundsätzlich abgelehnt. Der Anstellungsvertrag hat regelmäßig nur die Beschäftigung als Geschäftsführer zum Inhalt. Eine Tätigkeit unterhalb der Organebene ist typischerweise nicht vereinbart und der abberufene Geschäftsführer kann sie daher auch nicht verlangen.

Etwas anderes kann gelten, wenn der Anstellungsvertrag die Möglichkeit einer anderen Beschäftigung vorsieht. Dies war im Streitfall jedoch nicht gegeben.

Zu der Schwierigkeit des Kündigungsschutzes bei Geschäftsführern siehe auch Kündigungsschutz für Geschäftsführer.

Montag, 11. Oktober 2010

Keine Haft für störrische Arbeitgeber

Verweigert ein Arbeitgeber die Einhaltung und Umsetzung einer Betriebsvereinbarung und wurde er gerichtlich hierzu unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 10.000 € verpflichtet, so ist auch bei Nichtzahlung keine Ordnungshaft durchzuführen.

Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes steht einer Ordnungshaft der § 23 Abs. 3 BetrVG entgegen, der nur ein Ordnungsgeld, jedoch keine Ordnungshaft vorsieht.

Ist die GKH tariffähig und welche Auswirkungen hat das?

Das Bundesarbeitsgericht musste auf Antrag der IG Metall über die Tariffähigeit der Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe- und Holzverarbeitung im Christlichen Gewerkschaftsbund (GKH).

Seit langem besteht Streit, ob Vereinigungen einen Status als Gewerkschaften haben oder nicht. Insbesondere tobt ein Streit zwischen etablierten Gewerkschaften und jüngeren Gründungen.

In dem hier besprochen Fall hatte die IG Metall in allen vorherigen Instanzen verloren.

Das Bundesarbeitsgericht konnte nicht darüber entscheiden und hat das Verfahren zurückverwiesen an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Aufklärung. Der Presseerklärung des BAG ist jedoch zu entnehmen, dass erhebliche Zweifel an der Tariffähigkeit der Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe- und Holzverarbeitung im Christlichen Gewerkschaftsbund (GKH)bestehen, unter anderem war unbekannt, wieviele Mitglieder in ihr organisiert sind und wie leistungsfähig die Organisation ist. Die erforderliche Durchsetzungsfähigkeit sei bislang nicht dargelegt oder gar erwiesen.

Sollte sich bestätigen, dass die Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe- und Holzverarbeitung im Christlichen Gewerkschaftsbund (GKH)nicht tariffähig ist, sind mit ihr bestehende Tarifverträge unwirksam. Arbeitnehmer sollten dann prüfen, ob nicht Ansprüche bestehen, welche durch zu restkritive "Tarifreglungen" vorher nicht bestanden.

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Diesmal eine nicht diskriminierende betriebliche Altersversorgungsregelung

Nach einem Urteil des LAG Baden-Württemberg stellt es keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar, wenn eine Versorgungsordnung die anrechenbare Dienstzeit auf maximal 40 Dienstjahre beschränkt und hierdurch Arbeitnehmer, die vor dem 25. Lebensjahr in das Unternehmen eingetreten sind, im Falle ihres vorzeitigen Ausscheidens eine geringere Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung erwerben, als diejenigen Arbeitnehmer, die ab dem 25. Lebensjahr eingetreten sind.

Dienstag, 5. Oktober 2010

Arbeitsplatzab- und/oder -umbau bei Fusion

Fusionieren zwei Unternehmen, verfolgen diese meist das Ziel, zusammen mehr Gewinn bei geringeren Kosten zu erzielen. Das ist bei Krankenkassen nicht anders und geht oft zu Lasten von Arbeitnehmern. Nun traf einen Datenschutzbeauftragten.

Nach Fusionierung gab es zwei Datenschutzbeauftragte, weshalb einer von seiner Tätigkeit entbunden und ihm neue Tätigkeiten zugewiesen wurde. Hiergegen wehrte er sich.

Vor dem Bundesarbeitsgericht war er hinsichtlich der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter nicht erfolgreich. Das Amt des Datenschutzbeauftragten endete mit Auflösung der Krankenversicherung. Diese Tätigkeit ist nur für die Dauer der Übertragung des Amtes Bestandteil des Anstellungsvertrags. Ein Anspruch auf Beschäftigung gegen die neugegründete Krankenversicherung besteht deshalb nicht.

Das Ringen um einen Arbeitnehmerstatus

Viele arbeitende Menschen scheuen sich vor der Zahlung von Sozialversicherungs- und insbesondere Rentenbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung aus den unterschiedlichsten Gründen, so auch ein Bundesligaringer.

Der Bundesligaringer hat neben seiner Ausbildung für einen Kampfsportverein vertraglich Wettkämpfe in der Bundesliga bestritten und an Werbeauftritten teilgenommen und hieraus Einnahmen erzielt. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) verlangte nun vom Kampfsportverein die Entrichtung von Rentenbeiträgen aus den Einnahmen des Ringers und ging von einer Arbeitnehmerstelllung (Scheinselbsständigkeit) aus. Der Verein wehrte sich hiergegen mit Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht.

Das Sozialgericht Dortmund entschied nun, dass der Ringer nicht auf Grund einer abhängigen Beschäftigung sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Die Möglichkeit, auch andere Wettkämpfe, Werbe- und Sponsorenauftritte zu absolvieren, unabhängig vom Kampfsportverein, spricht für eine Selbstbestimmtheit der sportlichen Betätigung des Ringers. Eine Pflicht zur Annahme einzelner Aufträge habe nicht bestanden. Auch die Trainingszeiten waren für den Ringer frei gestaltbar.

Der Ringer habe ein unternehmerisches Risiko getragen hinsichtlich Kampf- und Siegprämie.

Deshalb hatte das Ringen mit der DRV vor dem Gericht Erfolg.

Freitag, 1. Oktober 2010

Leichenwagen = Dienstwagen

Als vertraglich zugesagten Dienstwagen einen Leichenwagen zu bekommen, ist schon eine makabere Idee, aber im Bestattungsgewerbe wohl naheliegend. Nur das Landesarbeitsgericht Köln war mit den Kläger einig, dass ein Leichenwagen als Dienstwagen nicht geht (fährt).

Donnerstag, 30. September 2010

Ruhegehalt trotz erheblicher Dienstvergehen

Trotz erheblicher Dienstvergehen eines Bürgermeisters erhält dieser weiter sein Ruhegehalt. Diese darf ihm nach einem Urteil des OVG Koblenz nicht aberkannt werden.

Dabei stützte sich das Gericht auf die festgestellte mögliche Schuldunfähigkeit des Bürgermeisters.

Können Väter stillen?

Diese Frage müsste nach einem Urteil des EUGH vom 30.09.2010 bejaht werden. Vorliegend beantragte ein spanischer Arbeitnehmer sogenannten "Stillurlaub".

Er hat diesen nicht erhalten, weil seine Frau selbständig tätig war und keinen Arbeitnehmerstatus aufwies. Hiergegen erhob er Klage auf Gewährung des "Stillurlaubs". Das Gericht legte die Rechtsfrage dem EUGH vor, der dem Arbeitnehmer nun den "Stillurlaub" zugestand.

Zur Begründung verwies der EUGH darauf, dass Mütter diesen Urlaub gewährt wird, unabhängig vom Arbeitnehmestatus des Vaters. Deshalb dürfte er Vätern nicht versagt werden, obwohl die Mutter keine Arbeitnehmerin ist.

Mittwoch, 29. September 2010

Verfahrensdauer vor Sozialgerichten kann verfassungswidrig sein

Wie das Bundesverfassungsgericht am 29.09.2010 mitteilte, kann sich der Staat mit dem Argument der Überlastung nicht gegen den Vorwurf der überlangen Dauer von Sozialgerichtsverfahren wehren. Die ausreichende Stellenbesetzung ist Aufgabe des Staates.

Im Fall hatte ein einfacher Sachverhalt vorgelegen und war erst nach 4 Jahren entschieden.

Dienstag, 28. September 2010

Uniformpflicht trotz Freistellung

In einigen Berufen gehört das tragen einer Uniform während der Tätigkeit dazu, so unter anderem bei Soldaten. Ist ein Soldat aufgrund seiner Vollzeittätigkeit in der Personalvertretung vom Dienst freigestellt, hat er dennoch die Uniform zu tragen. Dies entschied das Bundesverwaltungsericht.

100.000 € (Hunderttausend) Insolvenzgeld

Ein ehemaliger Wertpapierhändler - bitte keine Vorurteile - war bei einer Bank beschäftigt und erhielt für seine Geschäfte Tantieme. Nach Anordnung von Aufsichtsbehörden musste die Bank ihre Geschäft einstellen und der Wertpapierhändler beantragte Insolvenzgeld. Die Agentur für Arbeit gewährte zunächst ca. 31.000 € Insolvenzgeld, lehnte jedoch weitergehende Zahlungen ab. Der Wertpapierhändler vertrat die Auffassung, dass die Tantieme, welche er ohne dem Insolvenzereignis erwirtschaftet hätte, müssten zur Berechnung des Insolvenzgeldes herangezogen werden.

Damit hatte der Wertpapierhändler Recht. Das Landessozialgericht Hessen entschied, dass das Insolvenzgeld sich nach dem Vergütungsanspruch richte. Dies umfasse auch Tantieme. Deren durchschnittliche Höhe war zu schätzen. In der Folge wurde dem Wertpapierhändler ein Insolvenzgeld in Höhe von ca. 100.000 € zuerkannt.

Heute ist dies nicht mehr möglich, da seit 2004 die Höhe des Insolvenzgeldes an die Beitragsbemessungsgrenze gebunden wurde (§ 185 SGB III).

Dr.-Titel futsch?

Das Verwaltungsgericht Freiburg musste über eine nachträgliche Entziehung eines Titels "Doktor der Naturwissenschaften" entscheiden.

Hintergrund
Der Kläger erwarb aufgrund seiner Dissertation an der Universität Konstanz den Grad eines Doktors der Naturwissenschaften. In seiner weiteren internationalen Tätigkeit beteiligte der Kläger sich an vielzähligen wissenschaftlichen, teilweise aufsehenerregenden Publikationen. Nach Vorwürfen von Datenfälschungen kam eine Untersuchungskommission der Universität Konstanz zu der Auffassung, dass dem Kläger Datenmanipulation, Präsentation von Daten in falschem Zusammenhang und künstliche Erzeugung von Daten nachgewiesen werden können, zwar nicht bei seiner Dissertation, jedoch bei seinen späteren wissenschaftlichen Publikationen. Der Kläger hat nach Meiinung der Uni Konstanz sich deshalb der Führung des Doktorgrades als unwürdig erwiesen, weshalb ihm dieser entzogen wurde. Hiergegen erhob der Kläger mit Erfolg Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg.

Eine Unwürdigkeit setzt voraus, dass eine von der Allgemeinheit besonders missbilligte, ehrenrührige Straftat vorliegt, die ein die Durchschnittsstraftat übersteigendes Unwerturteil enthalte und zu einer tiefgreifenden Abwertung der Persönlichkeit führt. Jede darüber hinaus gehende Auslegung könnte unwirksam sein aufgrund des schwerwiegenden Grundrechtseingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, seine Wissenschaftsfreiheit und seine Berufsfreiheit.

Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Berufung wurde zugelassen.

Montag, 27. September 2010

Kündigungsschutz und Abfindung für Geschäftsführer

Im monatlichen Infobrief für September 2010 verweise ich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes, wonach Geschäftsführer die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes trotz ihrer Stellung als Organ der Gesellschaft wirksam vereinbaren können.

Dies kann im Fall einer Kündigung erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen, bis hin zur Zahlung einer Abfindung.

Donnerstag, 23. September 2010

Kündigung wegen Ehebruchs Verstoß gegen Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte zwei ähnlich gelagerte Sachverhalte zu entscheiden.

1. Sachverhalt
Ein Kläger wuchs als Mormone auf und heiratete 1980 diesem Glauben entsprechend. Nach einer Reihe von Tätigkeiten in der Mormonenkirche wurde er 1986 deren Gebietsdirektor Öffentlichkeitsarbeit für Europa. Anfang Dezember 1993 wandte er sich mit der Bitte um Rat an seinen zuständigen Seelsorger und vertraute ihm an, dass es mit seiner Ehe seit Jahren bergab gehe und er ein außereheliches Verhältnis mit einer anderen Frau gehabt habe; dem Rat des Seelsorgers folgend sprach er schließlich mit seinem Dienstvorgesetzten über die Angelegenheit. Dieser informierte ihn wenige Tage später über seine fristlose Kündigung. Der Kläger wurde später in einem internen Disziplinarverfahren exkommuniziert. Er klagte in Deutschland vergeblich gegen die Kündigung vor Arbeitsgerichten und Bundesverfassungsgerichten.

Der EGMR fand, dass die deutschen Arbeitsgericht gute Arbeit leisteten und unter Abwägung aller Gesichtspunkte zutreffend entschieden. Aufgrund der herausgehobenen Stellung des Klägers als Gebietsleiter und seiner langjährigen Tätigkeit musste ihm bewusst sein, welche Folgen ein Ehebruch für das Arbeitsverhältnis nach sich ziehen kann. Die Kündigung war wirksam.

2. Sachverhalt
Der Kläger war seit Mitte der 1980er Jahre bei einer katholischen Pfarrgemeinde als Organist und Chorleiter angestellt, als er sich 1994 von seiner Frau trennte. Von 1995 an lebte er mit seiner neuen Partnerin zusammen. Nachdem seine Kinder im Kindergarten davon gesprochen hatten, dass ihr Vater erneut Vater werden würde, führte der Dekan der Gemeinde im Juli 1997 zunächst ein Gespräch mit ihm. Wenige Tage später sprach die Gemeinde seine Kündigung mit Wirkung ab April 1998 aus, da er gegen die Grundordnung der Katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse verstoßen habe. Indem er außerhalb der von ihm geschlossenen Ehe mit einer anderen Frau zusammenlebte, die von ihm ein Kind erwartete, habe er nicht nur Ehebruch begangen, sondern sich auch der Bigamie schuldig gemacht. Auch dieser Kläger scheiterte vor den deutschen Arbeitsgerichten und dem Bundesverfassungsgericht.

Der EGMR bescheinigte hier den deutschen Gerichten eine fehlerhafte Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers. Die Tätigkeit als Organist einer Kirchgemeinde sei nicht von einer so herausgehobenen Art, dass dies die Kündigung wie bei Seelsorgern etc. rechtfertigen würde. Zudem haben die deutschen Gerichte nicht den Schutz der Familie mit in die erforderliche Interessenabwägung einbezogen.

Hier bestätigte der EGMR einen Verstoß gegen Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und verwies darauf, dass über eine Entschädigung noch verhandelt werden müsse.