Donnerstag, 14. August 2014

das Gerechtigkeitsgefühl muss zurücktreten!

Ein gängiger Spruch lautet: "Drum prüfe, wer sich bindet!". In leichter Abänderung "Drum prüfe, wer sich löst!" gilt dies auch. Es kann nicht oft und eindringlich genug gewarnt werden vor dem Abschluß von Aufhebungsverträgen oder Abwicklungsverträgen. Erst Recht, wenn diese von demjenigen gestellt werden, der sich vom Arbeitsverhältnis lösen will (meist - aber nicht immer - der Arbeitger).

Häufig treffe ich dann auf Regelungen zu einem Klageverzicht. Dies ist grundsätzlich möglich. Doch zu beachten ist, dass das Bundesarbeitsgericht regelmäßig eine Kompensationsleistung für den Klageverzicht des Arbeitnehmers fordert (vgl. BAG, Urteil vom 06.09.2007, 2 AZR 722/06).

Doch was ist eine Kompensation für einen Klageverzicht. Eine Abfindung? Wie hoch muss sie sein? Reicht auch die Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses mit der Bewertung "gut"?

Das LAG Niedersachsen führte in seiner Entscheidung vom 27.03.2014, 5 Sa 1099/13, hierzu aus:

"Nach der ... Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der reine Klageverzicht gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation unangemessen. Weil die Absprache „Klageverzicht gegen Kompensation“ Hauptgegenstand der Vereinbarung ist, ist eine Inhaltskontrolle von Leistung und Gegenleistung ausgeschlossen. Dies gilt unabhängig davon, wie hoch die Gegenleistung ausfällt. Die Arbeitsgerichte dürfen nicht aufgrund von § 307 BGB in die Verhandlungsparität der Vertragspartner eingreifen. ... Die Art der arbeitgeberseitigen Kompensation sei in diesem Zusammenhang nicht mehr relevant. 

Von diesem Grundsatz ist sicherlich dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Arbeitgeber erkennbar diese Rechtsprechung umgehen will, um mit einem Entgegenkommen, welches begrifflich schon nicht mehr die Bezeichnung „Gegenleistung“ verdient, seine Ziele durchzusetzen will. Bei einer Abfindungszahlung von beispielsweise 10,00 € wäre diese Grenze deutlich überschritten. Bei einer Abfindungsleistung von 250,00 € lässt sich die Kompensation begrifflich nicht verneinen, mag auch der Rechtsanwender das ungute Gefühl einer Ungerechtigkeit haben. Dieses allgemeine Gerechtigkeitsgefühl muss hinter der klaren gesetzlichen Dogmatik zurücktreten, die gebietet, dass im Rahmen des Rechtes der allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB Leistung und Gegenleistung nicht auf Angemessenheit überprüft werden. Das BGB, welches auch im dritten Jahrtausend immer noch die Grundlage für die Beurteilung rechtsgeschäftlichen Handelns ist, geht zu Recht davon aus, dass die Vertragspartner gleichwertig einander gegenüberstehen und selbst über den Wert von Leistung und Gegenleistung entscheiden. Ohne näheren gesetzlichen Anhaltspunkt darf ein Gericht dort nicht eingreifen.

Gemessen an oben dargestellten Rechtsgrundsätzen ist die Erteilung eines guten Zeugnisses (mit der Note gut) eine substantiierte Gegenleistung, welches zur Wirksamkeit des Klageverzichtes führt."

Dienstag, 12. August 2014

fristlose Kündigung in Freistellungsphase (Altersteilzeit)

Viele Altersteilszeitverträge sehen das Blockmodell vor. In diesem arbeitet der Arbeitmehmer zunächst eine Zeitspanne voll weiter (Aktivphase) und geht dann in die Passivphase, in der er die vereinbarte Vergütung ohne Arbeitsleistung erhält. Darf in dieser Passivphase - auch Freistellungsohase genannt - eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden? Ist diese wirksam?

Ein Arbeitnehmer war über 30 Jahre für die Stadt Wilhelmshaven tätig; zuletzt leitete er einen städtischen Eigenbetrieb. Daneben war er Geschäftsführer einer gemeinnützigen GmbH, auf die die Stadt ihr Krankenhaus ausgegliedert hatte.

Zum 30.09.2011 schied der Kläger aus dem aktiven Dienst bei der beklagten Stadt und auch bei der gGmbH aus.  Die Parteien vereinbarten einen Altersteilzeitvertrag, der eine fünfjährige Altersteilzeit im Blockmodell und eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2014 im Anschluss an eine am 01.10.2011 beginnende Passivphase vorsah.

Die Stadt wirft dem Arbeitnehmer vor, er habe sie und die gGmbH über seine Berechtigung, durch wirksamen Altersteilzeitvertrag vorzeitig ausscheiden zu können, getäuscht. Auch habe er seine Pflichten als Leiter des Eigenbetriebs und als Geschäftsführer der gGmbH durch Kompetenzüberschreitungen, nicht bestimmungsgemäße Verwendung von Krediten und vom Stadtrat nicht genehmigte Überziehungen sowie mangelnde Dokumentation der Zahlungsflüsse verletzt und damit das Vertrauen zerstört. Deshalb kündigte die Stadt fristlos.


Der Arbeitnehmer erhob hiergen  Kündigungsschutzklage. Während das Arbeitsgericht die Klage abwies, war seine Berufung erfolgreich. Das LAG Hannover stellte fest, dass die fristlosen Kündigungen unwirksam sind.

Grundsätzlich sei eine fristlose Kündigung auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit möglich, so das Landesarbeitsgericht. Auch eine Kündigung wegen früherer Vorfälle, die erst in der Freistellungsphase bekannt werden und das Vertrauensverhältnis zerstören, könne gerechtfertigt sein.

Stets sei jedoch eine Interessenabwägung erforderlich. Das Landesarbeitsgericht habe zwar angenommen, dass dem Arbeitnehmer als Leiter des Eigenbetriebs und auch als Geschäftsführer der gGmbH erhebliche Pflichtverletzungen vorzuwerfen seien, die auch das Vertrauensverhältnis der Parteien berührten. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen habe es jedoch den Arbeitnehmer als schutzwürdiger angesehen, zumal dieser bereits freigestellt sei und nicht mehr in den Betrieb zurückkehren werde. Selbst wenn der fünfjährige Altersteilzeitvertrag rückdatiert und dies der Gesellschafterversammlung der gGmbH nicht offen gelegt worden sein sollte, rechtfertige dies nicht die fristlose Kündigung in der Freistellungsphase.


Donnerstag, 7. August 2014

Zeugnisse sind vollstreckbar

Arbeitnehmer benötigen für Bewerbungen oftmals Zeugnisse früherer Arbeitgeber. Schon mit Erhalt einer Kündigung z.B. soll(t)en sich Arbeitnehmer um einen neuen Job kümmern. Deshalb begehren Sie oft - solange die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist - ein Zwischenzeugnis. Wird ein solches nicht ausgestellt vom Abeitgeber, kann ein Arbeitnehmer dies einklagen. Gewinnt der Arbeitnehmer erstinstanzlich, kann der (Zwischen-)Zeugnisanspruch auch vollstreckt werden - trotz Fortsetzung des Verfahrens in der Berufung oder gar Revision..

Manche Arbeitgber wehren sich hiergegen und meinen, aufgrund der Haftung bei unzutreffenden Zeugnisangaben ggü. neuen Arbeitgebern entstünden Ihnen ein Nachteil, weshalb die Vollstreckung vor Rechtskrafteintritt unzulässig sei.

Das Landesarbeitsgericht Mainz hat hierüber eine Entscheidung gefällt (5 Sa 357/14) und ausgeführt,
dass der Arbeitgeber nicht glaubhaft gemacht habe, dass die Vollstreckung ihm einen über eine Vorwegnahme des Prozessergebnisses hinausgehenden, nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Dies sei jedoch erforderlich, da der Umstand allein, dass die Vollstreckung das Prozessergebnis vorwegnimmt, dem Sinn und Zweck der vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht und für sich allein keinen unersetzlichen Nachteil darstellt. 

Weiter heißt es im Urteil:

"Wenn sich im Berufungsverfahren herausstellen sollte, dass das Arbeitsgericht die Beklagte zu Unrecht zur Abänderung des Zwischenzeugnisses verurteilt haben sollte, kann die Wirkung der Vollstreckung dadurch beseitigt werden, dass das berichtigte Zwischenzeugnis wieder an die Beklagte herausgegeben wird. Der bloße Einwand der materiellen Unrichtigkeit des Urteils - wegen des behaupteten Verstoßes gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit - stellt keinen nicht ersetzbaren Nachteil dar.

Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass sie sich schadensersatzpflichtig machen könnte, wenn sich die Klägerin - was sie nach ihrem Vorbringen beabsichtigt - mit dem Zwischenzeugnis bei anderen Arbeitgebern bewirbt, wäre dies ein Nachteil der finanziell ausgeglichen werden könnte. Dass die Klägerin hierzu nicht in der Lage wäre, wird von der Beklagten nicht einmal behauptet."


Mittwoch, 6. August 2014

Arbeitgeber müssen nicht auf gesetzliche Ansprüche hinweisen

Die betriebliche Altersvorsorge ist seit  Jahren ein Dauerthema in den Medien. Arbeitnehmer haben nach § 1 a BetrAVG - wenn dessen Voraussetzungen vorliegen - einen Anspruch auf Entgeltumwandlung. Von interessierter Seite wurde oft kolportiert, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer auf diesen Entgeltumwandlungsanspruch nachweislich hinweisen müssen, andernfalls sie sich schadensersatzpflichtig machen könnten. Ein unterlassener Hinweis würde eine Verletzung der Fürsorgepflicht darstellen.

Ist das zutreffend?

Nun, der Anspruch auf Entgeltumwandlung ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§ 1 a BetrAVG).

Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichtes (Urteil vom 21.1.2014, 3 AZR 807/11) ist ein Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer von sich aus auf den Anspruch auf Entgeltumwandlung hinzuweisen. Eine solche Hinweispflicht ergibt sich weder aus dem Gesetz und einer Fürsorgepflicht. Grundsätzlich hat jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen und sich Klarheit über die Folgen ihres Handelns zu verschaffen.

Anderes könnte sich nur ergeben, wenn ein Arbeitgeber unvollständige oder fehlerhaften Auskünfte erteilt.

Dienstag, 5. August 2014

Fernfahrer geniessen Vorteile aus Spesen

Viele Fernfahrer schlafen in den Pausen ihrer Fahrten in den Schlafkabinen im LKW. Sie versorgen sich oftmals mit selbst mitgetrachten Schnitten und Getränken. Und sie erhalten oft Spesen und Auslagenersatz.

Welcher "Vorteil"  sich hieraus nach einem Unfall und Bezug einer Unfallrente von der Berufsgenossenschaft ergeben kann, zeigt sich auf sozialrecht-chemnitz.blogspot.de

Arbeitgeber muss auch ohne Urlaubsantrag von sich aus Urlaub gewähren

Nach dem bisherigen Urlaubsrecht war es so, dass ein Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers grundsätzlich mit Jahresende verfällt, wenn er vom Arbeitnehmer nicht genommen wurde. In den letzten Jahren gab es viel Unsicherheit hinsichtlich Urlaubsabgeltungsansprüchen, welche ein Arbeitnehmer geltend machen kann, wenn er seinen Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht nehmen konnte. Dabei werden oft auch etwaige Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr miteinberechnet, wenn nicht der Arbeitgeber darauf hinweist, dass diese Urlaubsansprüche verfallen sind, weil der Arbeitnehmer sie nicht geltend genacht hat.

Nun hatte das LAG Berlin-Brandenburg die Frage auf den Tisch, wer die Folgen zu tragen hat, wenn ein Arbeitnehmer keinen Urlaub beansprucht und ob dieser Urlaubsanspruch verfällt, sich in einen Schadensersatzanspruch wandelt und einer Urlaubsabgeltung unterliegt?

Der Arbeitnehmer hat mit seiner Klage nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses u.a. die Abgeltung seines Urlaubs für das Jahr 2012 gefordert, den der Arbeitgeber nicht gewährt, der Arbeitnehmer aber auch zuvor nicht geltend gemacht hatte.

Das LArbG Berlin-Brandenburg (21 Sa 221/14) hat den Arbeitgeber zur geforderten Urlaubsabgeltung verurteilt.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber seine Verpflichtung, den Urlaub zu erteilen, schuldhaft verletzt und muss daher Schadensersatz leisten. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach und verfällt der Urlaubsanspruch deshalb nach Ablauf des Übertragungszeitraums, habe der Arbeitgeber ggf. Schadensersatz in Form eines Ersatzurlaubs zu leisten bzw. diesen Ersatzurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten. Der Anspruch hänge entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 15.09.2011 - 8 AZR 846/09) nicht davon ab, ob der Arbeitnehmer vor dem Verfall des ursprünglichen Urlaubsanspruchs rechtzeitig Urlaub beantragt und dadurch den Arbeitgeber in Verzug gesetzt hatte.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das BAG zugelassen.