Donnerstag, 30. Juni 2011

Das ist eine Frage des Einzelfalls

"Es kommt darauf an ..." Diese beliebte Antwort von Anwälten auf Fragen hätte sich ein Betriebsrat zu Herzen nehmen sollen.

Die Betriebsräte wollten festgestellt wissen vom Gericht, das Betriebsratsmitglieder sich bei Aufnahme einer Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit nicht abmelden müssen beim Arbeitgeber.

Da haben Sie zuviel auf einmal gewollt. Das Bundesarbeitsgericht (Pressemeldung 54/11) bestätigt die Vorinstanzen und sagt: "Es kommt darauf an ..."

Verzicht auf Urlaubsabgeltung möglich? - Urteilsbegründung liegt vor

Nach den wegweisenden Urteilen des EUGH und BAG hinsichtlich des Verfalls von Urlaubsansprüchen während Langzeiterkrankungen - wir berichteten - wurde durch das Bundesarbeitsgericht die Surrogatstheorie aufgegeben und der Urlaubsabgeltungsanspruch als ein reiner finanzieller Geldanspruch angesehen.

Dies nahm das Arbeitsgericht Chemnitz zum Anlasss, eine in gerichtlichen Vergleichen typische Abgeltungsklausel dahin auszulegen, dass der Anspruchsinhaber mit einer solchen Erklärung auch auf Urlaubsabgeltungsansprüche verzichtet habe. Damit wurde eine Klage auf Zahlung der Urlaubsabgeltung nach vergleichsweiser Beendigung eines längjährigen Kündigungsschutzverfahrens abgewiesen.

Auf die Berufung zum Sächsischen Landesarbeitsgericht hin, wurde das Urteil des Arbeitsgerichtes Chemnitz aufgehoben und dem Klagebegehren teilweise stattgegeben. Der Kläger kann nach der - bislang nicht rechtskräftigen - Entscheidung des Sächs. LAG vom 26.05.2011 (9 Sa 86/11) nicht wirksam auf die ihm zustehende Urlaubsabgeltung aus dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch verzichten.

Die bislang unveröffentliche Entscheidung finden Sie hier.

Mittwoch, 29. Juni 2011

Wie berechnet sich eine Mietminderung bei Betriebskostenabrechnung?

Diese Frage wird unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 13.04.2011 (VIII ZR 223/10) anhand eines Beispiels beantwortet auf mietrecht-chemnitz.blogspot.com. Nun können auch Juralaien mit Grundlagenwissen in Mathematik die korrekte Berücksichtung einer Mietminderung berechnen.

Einige Arbeitsgerichtsurteile zum CGZP-Tarifvertrag

Auf Entscheidungen des Arbeitsgerichtes Krefeld (19.04.2011 - Az. 4 Ca 3047/10), des Arbeitsgerichtes Herford (04.05.2011 - Az. 2 Ca 144/11) und des Arbeitsgerichtes Münster (13.05.2011 - Az. 4 Ca 2557/10) weist die Leipziger Anwaltskollegin Christiane Rieger hin.

Montag, 27. Juni 2011

Hitzefrei?

Der Kollege Felser weist zu Recht am Siebenschläfer-Tag auf die Hitze hin und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben können. Wir wollen dies unseren Lesern nicht vorenthalten.

Keine Schonung des Schonvermögens

Ein Schonvermögen eines Sozialleistungsberechtigten wird bei dessen Erben nicht mehr als Schonvermögen berücksichtigt. Deshalb können Erben zur Rückzahlung von Sozialleistungen, welche der Erblasser zu Recht erhalten hat, wirksam aufgefordert werden. Auf die Entscheidung des SG Berlin vom 24.05.2011 verweist sozialrecht-chemnitz.blogspot.com.

Freitag, 24. Juni 2011

Arzt im Glück? - (k)ein Märchen

An einem kalten Wintertage in Bayernlanden
Ein Arzt auf Anruf soll zum Krankenhaus gelangen

Das Gefährt rutscht in den Wegesrand
Ohje, ein Schaden an der Kutsche entstand

Der Arzt fordert Ersatz
für seinen kaputten Untersatz

Zwei Richter sagen nein
Das darf doch nicht sein

Das oberste Gericht
sagt nun mit einigem Gewicht

Weil der Unfall auf dem Weg zur Arbeit geschehen
Könnte dem Arzt doch ein Anspruch zustehen

Das Arbeitsgericht Regensburg und das Landesarbeitsgericht München lehnten den Anspruch eines Arztes auf Schadensersatz für einen auf dem Weg zur Arbeit (Rufbereitschaft) erfolgten Unfall mit dem Privat-PKW ab. Das Bundesarbeitsgericht meint, dass ein solcher Schadensersatzanspruch doch bestehen könnte und verweist das Verfahren zur weiteren Aufklärung zurück.

Donnerstag, 23. Juni 2011

Drei Richter, drei (unterschiedliche) Urteile und der Blaustift

Ein Arbeitnehmer ist bei einem Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes, als Flugsicherungskraft am Flughafen Köln/Bonn beschäftigt. Im Formulararbeitsvertrag findet sich zur Arbeitszeit folgende Regelung:

„Der Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten …“

Der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2005 sieht für Vollzeitbeschäftigte eine Mindestarbeitszeit von 160 Stunden im Monat vor.

Der Arbeitnehmer hat in der Vergangenheit durchschnittlich 188 Stunden im Monat gearbeitet und begehrte die Feststellung, dass seine monatliche Regelarbeitszeit dem tatsächlichen Beschäftigungsumfang von 188 h im Monat entspricht, hilfsweise verlangt er von seinem Arbeitgeber, seine regelmäßige Arbeitszeit auf 160 h/Monat (siehe Tarifvertrag) zu erhöhen.

Das Arbeitsgericht Köln hat einen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers von 188 Stunden festgestellt, da die gesamte vertragliche Arbeitszeitregelung unter AGB-Gesichtspunkten gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei. An dessen Stelle trete das gelebte Arbeitsverhältnis mit der in der Vergangenheit erreichten durchschnittlichen Stundenzahl von 188 h/Monat. Damit fiel der Hilfsantrag dem Arbeitsgericht zur beantragten Arbeitszeiterhöhung nicht zur Entscheidung an.

Das LAG Köln (201.2010 - 2 Sa 996/09) hielt die Klausel im Arbeitsvertrag für teilbar nach dem Blaustifttest (blue pencil Test) und deshalb wirksam. Auf das Arbeitszeiterhöhungsverlangen des Arbeitnehmers (Hilfsantrag) muss dessen Arbeitszeit jedoch erhöht werden.

Der Blaustifttest ergäbe bei Streichung der unklaren Regelung weiterhin eine sinnvolle Klausel, also wie folgt:

"Der Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten ..."

oder auch

"Der Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten ..."

Das Bundesarbeitsgericht (21. Juni 2011 - 9 AZR 236/10) wiederum ist der Auffassung, dass auch bei fiktiver Streichung (Blaustifttest) die Vertragsklausel weiterhin unwirksam bleibt. Es sei für den Arbeitnehmer nicht klar, innerhalb welchen Zeitraums der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit durchschnittlich 150 Stunden im Monat beschäftigen muss. Mit anderen Worten: Muss sich der Durchschnittswert von 150 h aus einem Quartal, Halb- oder Ganzjahreszeitraum ergeben? Die Klausel ist deshalb unwirksam. Das sah auch das Arbeitsgericht Köln so.

Doch nach dem Bundesarbeitsgericht ist die Folge der unwirksamen Klausel, dass die tarifvertragliche Bestimmung (Mindestarbeitszeit 160 h/Monat)gilt. Eine weitergehende Erhöhung der Arbeitszeit scheitert daran, dass der Arbeitnehmer nicht teilzeitbeschäftigt war (§ 9 TzBfG).

Nach jedem Urteil ein anderes Ergebnis - ob das das Vertrauen in den Rechtsstaat stärkt?

Mittwoch, 22. Juni 2011

Die Frage nach dem Gesundheitszustand im Vorstellungsgespräch

Reflexartig würden wohl die meisten juristisch nicht bewanderten Menschen die Auffassung vertreten, dass eine Frage nach dem Gesundheitszustand im Bewerbungsgespräch unzulässig sei. Dies dachte sich auch ein behinderter Bewerber für eine Beamtenlaufbahn.

Da er nicht erfolgreich war mit seiner Bewerbung meinter er nun, dass ihm Schadensersatz wegen Diskriminierung nach dem AGG zustünde.

Nach dem AGG ist ein Arbeitgeber zur Entschädigungsleistung von bis zu 3 Monatsgehältern verpflichtet, wenn ihm ein Verstoß gegen das im Gesetz niedergelegte Verbot, eine Person wegen ihrer Behinderung zu benachteiligen, vorgeworfen werden kann. Der Bewerber sah einen solchen Verstoß in den - nach seiner Ansicht - unzulässigen Fragen nach seinem Gesundheitszustand im Vorstellungsgespräch.

Das Verwaltungsgericht Neustadt (Urteil vom 25. Mai 2011 – 1 K 1158/10.NW –) sah dies anders. Für eine Einstellung als Beamter ist die gesundheitliche Eignung des Bewerbers zwingend erforderlich, weshalb es dem Dienstherrn erlaubt sein muss, sich darüber im Vorstellungsgespräch ein Bild zu machen und erforderlichenfalls auch nachzufragen. Ergäben sich aus dem Verhalten und den Angaben des Bewerbers nachvollziehbare Zweifel an seiner Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit, weil er selbst u.a. geäußert habe, er sei oft müde und ohne Elan, sei die Ablehnungsentscheidung nicht willkürlich erfolgt. Er werde in einem solchen Fall nicht wegen seiner Behinderung im Vergleich zu anderen Bewerbern benachteiligt.

Lufthansa zahlt alles

"Die Lufthansa zahlt alles" - dieser Eindruck könnte gewonnen werden, wenn die Zeitungsmeldung den Sachverhalt zutreffend wiedergibt.

Eine Arbeitnehmerin fingierte Aufträge an ihren Lebensgefährten für die Erstellung von Werbe- und Imagefilmen. Da ging es über die Jahre nicht nur um ein paar Tausend Euro, sondern gleichmal um 2,4 Millionen.

Nachdem die Lufthansa dem Geschäftsgebahren der eigenen Angestellten auf die Schliche kam, forderte die Lufthansa das Geld vor dem Arbeitsgericht Frankfurt/Main zurück - von der Angestellten und deren Lebensgefährten. Letzteres ist schon ungewöhnlich, bestand doch zwischen Lufthansa und dem Filmschaffenden kein Arbeitsverhältnis.

Erhebend ist auch das von der Zeitung dem Richter in den Mund gelegte Zitat der "merkwürdigen" Rechnungsabwicklung bei der Lufthansa.

Dienstag, 21. Juni 2011

Flug verpasst - Flughafenzubringer muss zahlen

Das Amtsgericht Stollberg hatte folgenden Sachverhalt zur Entscheidung vorliegen. Reiseteilnehmer buchten über ein Reisebüro einen Flughafentransfer. Es kam wie so oft, die Autobahn zum Flughafen war verstopft und der Flug wurde nicht rechttzeitig erreicht. Es wurde auf einen Flug am Folgetag von anderem Ort mit entsprechenden Mehrkosten umgebucht. Diese Mehrkosten verlangrten die Reiseteilnehmer vom Flughafentransfer.

Nun finden sich viel Urteile, die einen Schadensersatzanspruch in einer solchen Konstellation unter Hinweis auf höhere Gewalt ablehnen, doch vorliegend gab es eine Besonderheit. Der Fahrer des Flughafenzubringers hat während der Erledigung des Auftrages weder Verkehrsfunk gehört noch das Navigationsgerät mit TMC genutzt. Die Stauwarnungen im Radio gab es bereits vor Abholung der Reiseteilnehmer. Das Amtsgericht Stollberg sah in diesem Fall eine Pflichtverletzung als gegeben an und regte eine Vergleichslösung an. Die Parteien nahmen den Vorschlag des Gerichtes an.

Ergo: Trotz geringer Erfolgsaussichten bei einer nur oberflächlichen Prüfung eines Sachverhaltes findet sich bei genauer Analyse manchmal ein Korn, der doch noch zum Erfolg führt.

Mittwoch, 1. Juni 2011

Tagelöhner in Deutschlands Hauptstadt

Aus Märchen und dem Geschichtsunterricht kennen wir in Deutschland noch den Tagelöhner, der jeden Tag neu einen Arbeitsvertrag erfüllt. Doch es gibt es noch heute. Mitten in der Hauptstadt Berlin.

Die Berliner Stadtreinigung (BSR) stellte in den Wintermonaten Arbeitskräfte ein, indem diese - nach einem Bericht der Berliner Morgenpost - für jeden Tag einen separaten befristeten Tagesarbeitsvertrag abschlossen. Ob dieses Vorgehen mit dem Teilzeit und Befristungsgesetz vereinbar ist, wird nun das Berliner Arbeitsgericht zu prüfen haben.

Soweit ich es dem Zeitungsbericht entnehmen kann, dürfte schon die gesetzliche Begrenzung auf eine dreimalige Verlängerung einer sachgrundlosen Befristung nicht beachtet sein mit der Folge, dass die Entfristungsklage erfolgreich sein dürfte. Andernfalls muss die BSR für jeden befristeten Vertrag einen Sachgrund benennen können, was an Tagen ohne Räumdienst schwierig sein dürfte.