Donnerstag, 9. Juni 2016

Befristungen an Hochschulen und deren (Un)Wirksamkeit

An den Hochschulen des Landes gibt es unzählige befristete Arbeitsverhältnisse. Viele davon werden oft über Jahre hin befristet verlängert. Doch nach der Rechtsprechung gibt es Grenzen für die Befristungen. Nun musste das Bundesarbeitsgericht über einen vom Sächsischen Landesarbeitsgericht entschiedenen Fall entscheiden (oder doch nicht?).

Eine Arbeitnehmerin war vom 1. September 1989 bis zum 31. Oktober 2011 durchgehend an der Universität Leipzig beschäftigt, zunächst bis Februar 1996 auf der Grundlage von vier befristeten Arbeitsverträgen, die auch dem Abschluss der Promotion und dem Erwerb der Habilitation dienten. Anschließend war sie im Zeitraum vom 1. März 1996 bis zum 24. April 2007 als wissenschaftliche Assistentin im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Zeit tätig. Danach schlossen sich für die Zeit vom 25. April 2007 bis zum 31. Oktober 2011 zwei auf den Sachgrund der Drittmittelfinanzierung gestützte befristete Arbeitsverträge an.

Das Arbeitsgericht Leipzig hat die Klage, mit der die Unwirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung zum 31. Oktober 2011 festgestellt werden sollte, abgewiesen. Das Sächsische Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Die Revision des Freistaates Sachsen als Arbeitgeber hatte vor dem Siebten Senat des Bundearbeitsgerichts Erfolg (PM 29/16). Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts war die letzte Befristung nicht rechtsmissbräuchlich, da ein erheblicher Zeitraum der befristeten Beschäftigung der wissenschaftlichen Qualifizierung der Arbeitnehmerin diente.

Das BAG konnte den Rechtsstreit allerdings nicht abschließend entscheiden, da aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden kann, ob die Befristung durch den Sachgrund der Drittmittelfinanzierung oder durch einen anderen Sachgrund gerechtfertigt ist. Die Sache wurde deshalb zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Dienstag, 1. Dezember 2015

Vom Wert eines Formularbuches



In der anwaltlichen und notariellen Praxis spielen Formularbücher eine erhebliche Rolle. Besteht ein Auftrag zur Vertragserstellung oder Überprüfung und Überarbeitung hilft ein Blick ins Formularbuch, schnell passgenaue Musterformulierungen zu finden und zu übernehmen. Im besten Falle (aber nicht immer) sind diese Musterklauseln an die aktuelle Rechtslage angepasst und entfalten dann auch ihre gewünschte Wirksamkeit.

Während einer Prüfung einer Wettbewerbsverbotsklausel mit 2-jähriger Bindungsdauer in einem Arbeitsvertrag traf ich auf eine solche Musterklausel und hatte auch das Buch mit eben diesem Muster in Handreichweite liegen. Der Textvergleich ergab, dass aus der Musterformulierung die weltweite Geltung des Wettbewerbsverbotes gestrichen wurde (wurden doch in den Erläuterungen zum Muster auf Bedenken diesbezüglich hingewiesen). Ansonsten war die Klausel unverändert.

Nur der letzte Satz, der fand sich nicht im Muster, und lautete sinngemäß, dass der Arbeitgeber jederzeit auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes verzichten könne mit der Folge, dass der Arbeitgeber von der Karenzzahlung frei werden würde.

Nun, es ist verständlich, dass der Arbeitgeber nicht unbedingt jemanden bezahlen will, nachdem dieser keine aktive Leistung mehr für den Arbeitgeber erbringt. Schöner ist es da, wenn der Arbeitgeber sagen kann, ich möchte nicht (mehr) zahlen, der Arbeitnehmer kann nun ruhig Wettbewerb ausüben. 

Doch diese Regelung steht im Widerspruch zum gesetzlichen Leitbild des § 75 a HGB und führt – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Bedingungsfeindlichkeit einer Wettbewerbsverbotsklausel – zur Unverbindlichkeit der Klausel.

Nun kann der Arbeitgeber gem. § 75 d HGB die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes nicht gegenüber dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer erzwingen. Der Arbeitnehmer kann jedoch frei entscheiden, ob er sich gegen Zahlung der Karenzentschädigung an das Wettbewerbsverbot halten möchte oder, ohne eine Entschädigung zu erhalten, Konkurrenz betreiben will.

Fazit: Die Ergänzung einer Musterformulierung um einen Satz führt nicht immer zum gewünschten Ziel (des Arbeitgebers).

Freitag, 20. November 2015

Probezeit und Praktikum

In vielen (nicht allen) Arbeitsverträgen finden sich Regelungen zu einer Probezeit. Vorteil der Probezeitvereinbarung liegt in der kürzeren Kündigungsfrist und der leichteren Kündigungsmöglichkeit. Doch es stellt sich gar manches Mal die Frage, ob nicht eine Vorbeschäftigung auf eine Probezeit anzurechnen ist. Zumindest für Ausbildungsverhältnisse, in denen eine Probezeit nach § 20 BBiG zwingend ist, hat nun das Bundesarbeitsgericht eine Entscheidung getroffen.

Ein ausbildungsinteressierter Mensch bewarb sich im Frühjahr 2013 um eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel. Der Ausbildungsbetrieb versprach ihm die Aufnahme der Ausbildung zum 01.08.2013. Zur Überbrückung schlossen die Parteien einen "Praktikantenvertrag" mit einer Laufzeit bis zum 31.07.2013.

Nach dem gesonderten Berufsausbildungsvertrag begann anschließend die Ausbildung mit einer Probezeit von drei Monaten.

Mit Schreiben vom 29.10.2013, welches dem Azubi am gleichen Tag zuging, kündigte der Ausbildungsbetrieb das Berufsausbildungsverhältnis zum 29.10.2013. Der Azubi hält die Kündigung für unwirksam. Sie sei erst nach Ablauf der Probezeit erklärt worden. Das dem Berufsausbildungsverhältnis vorausgegangene Praktikum sei auf die Probezeit anzurechnen. Der Ausbildungsbetrieb habe sich schließlich bereits während des Praktikums ein vollständiges Bild über ihn machen können.

Seine Klagen gegen die Kündigung hatten kein Erfolg.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes (vom 19.11.2015 -6 AZR 844/14) kann ein Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit gemäß § 22 Abs. 1 BBiG ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Die Tätigkeit des Azubis vor dem 01.08.2013 sei nicht zu berücksichtigen. Dasselbe würde auch dann gelten, wenn es sich hierbei nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hätte (vgl. BAG, Urt. v. 16.12.2004 - 6 AZR 127/04).

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Urlaub nach Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses

Grundsätzlich bestehen nach dem Bundesurlaubsgesetz aus einem Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer Urlaubsansprüche zu. Sind Arbeitsverhältnisse unterbrochen, stellt sich die Frage, ob dann ein (unterbrochenes) Arbeitsverhältnis besteht oder zwei nebeneinander bestehende Arbeitsverhältnisse mit jeweils eigenen Urlaubsansprüchen.

Klingt das Problem abstrakt, so hilft folgender realer Fall zum Verständnis.

Ein Arbeitnehmer war seit dem 01.01.2009 beschäftigt. Arbeitsvertraglich standen dem Arbeitnehmer jährlich 26 Arbeitstage Urlaub in einer 5-Tage-Woche zu. Der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2012.  Am 21.06.2012 schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 02.07.2012 (Montag) einen neuen Arbeitsvertrag. Dieses Arbeitsverhältnis endete später aufgrund fristloser Kündigung des Arbeitgebers am 12.10.2012.

Wieviel Urlaub steht dem Arbeitnehmer nun für 2012 zu?

Wird davon ausgegangen, dass zwei Arbeitsverhältnisse bestanden, ist nach § 5 I c BUrlG für das erste Arbeitsverhältnis (bis zum 30.06.2012 = erste Jahreshälfte) nur ein Teilurlaubsanspruch von (26 Tage Urlaub durch 12 Monate mal 6 Monate) 13 Tagen entstanden. Für das zweite Arbeitsverhältnis entstanden (26 Urlaubstage durch 12 Monate x 3 volle Monate) 6,5 Tage, was wegen § 5 II BUrlG aufzurunden ist auf 7 Urlaubstage. In dieser Variante stehen dem Arbeitnehmer mithin 20 Tage Urlaub zu.

Wird hingegen unterstellt, dass das für einen Tag unterbrochene Arbeitsverhältnis wie ein Arbeitsverhältnis zu bewerten ist, steht (wegen Umkehrschluss aus § 5 I c BUrlG - wenn bei Ausscheiden im ersten Halbjahr nur ein Teilurlaubsanspruch entsteht, muss bei Ausscheiden in der 2. Jahreshälfte ein voller Urlaubsanspruch bestehen) dem Arbeitnehmer für 2012 ein Urlaubsanspruch von 26 Urlaubstagen zu.

Je nach Alternative geht es also um 20 oder 26 Urlaubstage.

Das Bundesarbeitsgericht vertritt grundsätzlich die Auffassung der 2 bestehenden Arbeitsverhältnisse, doch in vorliegendem Sachverhalt räumt es eine Ausahmesituation ein. In den Fällen, in denen aufgrund vereinbarter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bereits vor Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses feststeht, dass es nur für eine kurze Zeit unterbrochen wird, entsteht ein Anspruch auf ungekürzten Vollurlaub, wenn das zweite Arbeitsverhältnis nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres endet (BAG vom 20.10.2015 - 9 AZR 224/14).

Nach dieser Entscheidung steht dem Arbeitnehmer ein Urlaubsanspruch von 26 Tagen für 2012 zu.


Donnerstag, 3. September 2015

Gericht bestätigt Existenz von Hexen - (k)eine Satire

Es war einmal vor gar nicht langer Zeit, da war das Erzgebirge schon lange nicht mehr Miriquidi genannt, da sprach ein Richter ein Urteil.

Ein wackerer Bursche besuchte am 30. Tage des Monats April - der Walpurgisnacht - ein Hexenfeuerfest. Zu fortgeschrittener Stunde - noch vor Mitternacht - kam er nach Erledigung eines dringenden Bedürfnisses zu Sturz und verletzte sich.

Zum Glück kam die gute Fee namens "Krankenkasse" für die Kosten seiner Heilbehandlung auf und auf die Idee, diese Kosten als Ersatz vomVeranstalter des Hexenfeuers einzufordern.

So wurde es dem Richter zum Amtsgericht Aue - Zweigstelle Stollberg - zugetragen und zur Entscheidung vorgelegt (Az: Z 8 251/14). Nach Anhörung der Parteien kam der Richter zu folgendem Schluß (Unterstreichung durch Verfasser):

"Der Sturz .. ist nicht auf eine Verletzung einer Verkehrsicherungspflicht .... zurückzuführen. Bei der Art von Veranstaltung kann man nicht erwarten, dass die genannten Örtlichkeiten durch Flutlicht taghell erleuchtet werden. Im Übrigen muss beim Hexenfeuer mit Dunkelheit und dämmrigen Zustand gerechnet werden, da sonst die Hexen nicht kommen. ... Möglicherweise ist der Verletzte durch die herumfliegenden Hexen abgelenkt oder durch das vor ihm befindliche Hexenfeuer geblendet worden, damit muss man als Besucher eines Hexenfeuers aber rechnen." 

Na dann ist es bis zur Hexenjagd nicht mehr weit, oder?


 

Donnerstag, 23. Juli 2015

2 x derselbe Fehler = Diskriminierung

Schwangere Frauen  haben - dass weiß jedes Kind (aber wohl nicht jeder Anwalt) - einen besonderen Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG. Vor der Kündigung bedarf es der Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde. Liegt die Zustimmung nicht vor, ist die Kündigung unwirksam.

Eine Anwaltskanzlei kündigte eine Arbeitnehmerin. Diese legte sogleich einen Mutterpass vor und wies den Arbeitgeber auf die bestehende Schwangerschaft hin. Auf die folgende Kündigungsschutzklage hin, entschied das ArbG Berlin, dass die Kündigung unwirksam ist.

Einige Monate später kündigte die Anwaltskanzlei erneut der Arbeitnehmerin - wieder ohne die erforderliche Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde.

Nicht nur, dass auch diese Kündigung unwirksam ist. Nun stellte das ArbG Berlin fest, dass dies auch eine Diskriminierung darstellt  und deshalb die Anwaltskanzlei der Arbeitnehmerin Entschädigung zu zahlen hat.

Im übrigen: die Schreibweise "der selbe" ist ein häufiger Schreibfehler, aber er führt auch im Wiederholungsfall nur zu "Unwohlsein" und nicht zur Diskriminierung, oder ;) 

Montag, 20. Juli 2015

es kommt auf jedes Wort an - die mißglückte Klausel

Arbeitsrechtsanwälte empfehlen aus verschiedensten Gründen die Aufnahme von Klauseln in Arbeitsverträge, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb bestimmter Zeiträume verfallen - also untergehen  - sollen. Dies sind sogenannte Verfalls- bzw. Ausschlusklauseln.

Eine solche Klausel war wohl auch in einem Arbeitsvertrag für ein Lebensmittelgeschäft vorgesehen, welche da lautete:

§ 21 Verwirkung von Ansprüchen
Gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlussfrist von mindestens drei Monaten seit Fälligkeit des Anspruches schriftlich geltend zu machen.



Na, habt Ihr schon erkannt, weshalb die Klausel nicht hält, was sie bezwecken sollte. Das Wort "mindestens" passt nicht. So sah es auch das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 16.12.2014, 9 AZR 295/13).