Montag, 30. September 2013

Wer Kollegen bewirft haftet!

Ein Auszubildender war in seinem Ausbildungsbetrieb, einer Kfz-Werkstatt, mit dem Auswuchten von Autoreifen beschäftigt.

Er warf ohne Vorwarnung ein etwa 10 g schweres Wuchtgewicht aus Aluminium in Richtung eines anderen Auszubildenden und traf ihn am linken Auge, am Augenlid und an der linken Schläfe.

Das Opfer dieser Attacke trug eine Hornhautverletzung und eine Oberlidrandverletzung davon. Er wurde mehrfach operiert. Ihm wurde eine künstliche Augenlinse eingesetzt. Wegen der verbliebenen Hornhautnarbe leidet das Opfer an einer dauerhaften Sehverschlechterung und dem Verlust des räumlichen Sehvermögens. Der so Getroffene hat den werfenden Azubi deshalb auf Schmerzensgeld und die Feststellung in Anspruch genommen, dass dieser auch zukünftig jeden Schaden aus dem Ereignis ersetzen muss.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage insoweit stattgegeben, als es zur Zahlung eines Schmerzensgelds von 25.000 Euro verurteilte.

Das LArbG Frankfurt am Main hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts wurde das Opfer fahrlässig an dessen Gesundheit geschädigt. Der Werfer hätte wissen können und müssen, dass ein kraftvoller Wurf mit einem Wuchtgewicht eine solche Verletzung hervorrufen könne.

Eine Haftunsbefreiung greift nicht, weil es sich bei dem Wurf gerade nicht um eine betriebliche Tätigkeit im Rechtssinne gehandelt habe, bei der für Personenschäden nur für Vorsatz, nicht aber für Fahrlässigkeit gehaftet wird. Das Herumwerfen von Wuchtgewichten in einem Kfz-Betrieb sei vielmehr dem persönlich-privaten Bereich zuzuordnen, für den ein Arbeitnehmer in vollem Umfang hafte.

Bei der Höhe des Schmerzensgeldes habe sich Landesarbeitsgericht insbesondere von den erlittenen Schmerzen, der dauerhaften Beeinträchtigung der Lebensführung des Opfers und dem Risiko weiterer Verschlechterungen des Augenlichts leiten lassen.

Dienstag, 24. September 2013

Totenkopfbild mit Polizeimütze

Die Freie Hansestadt Hamburg wirft einem Angestellten im Polizeidienst vor, auf seiner persönlichen Facebookseite das Foto eines Totenschädels mit Polizeimütze veröffentlicht zu haben, das im Postencontainer vor dem Schutzobjekt einer Schule der Jüdischen Gemeinde in Hamburg aufgenommen wurde. Der Arbeitnehmer war dort als Objektschützer eingesetzt. 

Gegen die fristlose Kündigung wehrt sich Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht.

Er hat die Anfertigung und das Einstellen des Fotos auf seiner Facebookseite eingeräumt und angeführt, es habe sich um ein Scherz-Foto gehandelt. Er habe zu keiner Zeit den Totenkopf als Symbol der SS-Totenkopfverbände benutzt oder verstanden. Er bedaure, dass er seinerzeit nicht erkannt habe, dass es unangemessen ist, ein solches Foto vor einer jüdischen Einrichtung aufzunehmen. Sollte er damit Gefühle von Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde verletzt haben, tue ihm dies aufrichtig leid und er entschuldige sich dafür ausdrücklich. Er sei weder in verfassungsfeindlichen Organisationen politisch aktiv noch hege er ein nationalsozialistisches oder rechtsradikales Gedankengut.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat festgestellt, dass die Kündigung unwirksam ist, weil die Polizei nicht dargelegt und nachgewiesen hat, dass der Arbeitnehmer das Foto aufgrund einer rechtsradikalen Gesinnung aufgenommen und in das Internet gestellt hat. Maßgeblich sei, dass der fotografierte Totenschädel nicht zwangsläufig Ausdruck einer rechtsradikalen Gesinnung ist, sondern dass der Totenschädel vielfach auch in anderen Zusammenhängen, etwa bei einem Fußballverein, als Symbol verwendet werde. Auch sei nicht ersichtlich, dass es einen Zusammenhang mit dem Totenschädel und der nur im Hintergrund zu sehenden Schule gäbe, die auf dem Foto nur Ortskundige erkennen könnten.

Montag, 16. September 2013

Werkvertragsgestaltung unterliegen vor Arbeitsgerichten

Ein Arbeitnehmer ist bei einem Unternehmen für Besucherservice angestellt und wurde bei der Heinrich-Böll-Stiftung seit mehreren Jahren für Umbauarbeiten zu Vorbereitung von Veranstaltungen in ihrem Konferenzzentrum eingesetzt. Der Arbeitnehmer vertritt die Auffassung, er sei Arbeitnehmer der Heinrich - Böll-Stiftung.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hatte hingegen geltend gemacht, der Arbeitnehmer sei aufgrund eines mit dem Unternehmen für Besucherservice geschlossenen Werkvertrages bei ihr eingesetzt worden.

Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage stattgegeben.

Das Arbeitsgericht hat entschieden, dass das Unternehmen für Besucherservice aufgrund der von der Heinrich-Böll-Stiftung im Rahmen der Auftragsvergabe erstellten Leistungsbeschreibung und den tatsächlichen Umständen lediglich die Auswahl und Zurverfügungstellung von Personal für den Besucher- und Veranstaltungsservice, nicht jedoch weitergehend auch dessen Durchführung in eigener Verantwortung erbringe. Deshalb handele es sich bei dem zustande gekommenen Vertragsverhältnis nicht um einen Werk- oder Dienstvertrag, sondern um einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Da das Unternehmen für Besucherservice nicht über eine Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung verfüge, bestehe an Stelle des nach § 9 Nr. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) unwirksamen Arbeitsvertrages des Arbeitnehmers mit dem Unternehmen für Besucherservice aufgrund des § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit der Heinrich-Böll-Stiftung.

Freitag, 13. September 2013

Befristeter Arbeitsvertrag mit "Optionskommune" unwirksam

Landkreise und Kommunen können als "Optionskommunen" die Befristung von Arbeitsverträgen mit ihren Arbeitnehmern nicht allein mit der "Experimentierklausel" des § 6a SGB II rechtfertigen.

§ 6a SGB II eröffnete bundesweit kommunalen Trägern, den sog. Optionskommunen, die Möglichkeit, auf Antrag anstelle der Bundesagentur für Arbeit als Träger der Leistungen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugelassen zu werden. Das Optionsmodell war zunächst auf die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2010 begrenzt. Im August 2010 wurden die Zulassungen unter bestimmten Voraussetzungen über den 31.12.2010 hinaus unbefristet verlängert.

Eine Arbeitnehmerin war bei einem Landkreis, einer der Optionskommunen, aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages vom 21.10.2005 in der Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2010 zuletzt als Sachbearbeiterin in der Arbeitsvermittlung beschäftigt. Der Landkreis berief sich gegenüber der Arbeitnehmerin – anders als bei zahlreichen Arbeitnehmern, die er nach dem 31.12.2010 unbefristet übernahm – auf die Befristung. Er begründete dies damit, dass das – von ihm fortgeführte – Optionsmodell zur Zeit des Vertragsschlusses befristet gewesen sei.

Vor dem Landesarbeitsgericht hatte die Befristungskontrollklage keinen Erfolg. Gegen das Urteil legte die Arbeitnehmerin erfolgreich Revision zum BAG ein.

Nach dem TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages grundsätzlich zu ihrer Wirksamkeit eines sachlichen Grundes. Ein solcher sei nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gegeben, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend bestehe. Hierzu müsse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr bestehe. Hierüber habe der Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages eine entsprechende Prognose zu erstellen. Diese sei nicht bereits dann begründet, wenn dem Arbeitgeber dauerhaft anfallende sozialstaatliche Aufgaben nur zeitweise übertragen seien. Es reiche nicht aus, dass eine Aufgabe beim Arbeitgeber möglicherweise entfalle. Die zunächst bestehende Ungewissheit über die Fortführung des Optionsmodells rechtfertige daher keine Befristung eines Arbeitsvertrages.

Beschäftigung in Callcentern an Sonn- und Feiertagen in Hessen unzulässig

Der VGH Kassel hat einige Bestimmungen der Verordnung der hessischen Landesregierung über die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen (Bedarfsgewerbeverordnung) vom 12.10.2011 für unwirksam erklärt.

Die aufgrund von Normenkontrollanträgen der Gewerkschaft ver.di und zweier südhessischer Dekanate der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ergangene Entscheidung betrifft vor allem die Beschäftigung von Personal in so genannten Callcentern, zum Beispiel im Versandhandel, beim Online-Banking oder im Reisegewerbe. Für diese Bereiche war in der Bedarfsgewerbeverordnung die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen ganzjährig für jeweils bis zu acht Stunden zugelassen worden.

Die Ungültigkeit dieser Ausnahmebestimmung beruhe auf dem Fehlen einer ausreichenden Verordnungsermächtigung durch den zuständigen Bundesgesetzgeber im Arbeitszeitgesetz vom 06.06.1994, so der VGH Kassel. Zwar enthalte dieses seither mehrfach geänderte Gesetz eine gestaffelte Verordnungsermächtigung für Ausnahmeregelungen der Bundesregierung und der Landesregierungen. Jedoch müsse nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG bei Eingriffen in Grundrechte der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Grundentscheidungen selbst treffen und dürfe diese nicht der Exekutive überlassen. Deshalb lasse die Verordnungsermächtigung im Arbeitszeitgesetz so tief greifende Ausnahmen vom Gebot der Sonn- und Feiertagsruhe nicht zu. Dieses im Grundgesetz und in der Verfassung des Landes Hessen verankerte Gebot diene nicht nur dem Schutz des Grundrechts auf Religionsfreiheit, sondern auch der Gewährleistung anderer Grundrechte wie etwa der Koalitionsfreiheit, auf die sich die Gewerkschaften berufen könnten.

Als dem Gesetzgeber vorbehaltene Grundentscheidungen in diesem Sinne hat der VGH Kassel auch die Ausnahmen vom Arbeitsverbot an Sonn- und Feiertagen für Brauereien und andere Betriebe der Getränkewirtschaft sowie für Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis angesehen. Für diese Gewerbezweige und entsprechende Großhandelsbetriebe hatte die Landesregierung in der Bedarfsgewerbeverordnung für die Sommerhalbjahre die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an diesen geschützten Tagen jeweils bis zu acht Stunden zugelassen.

Die ebenfalls für unwirksam erklärten Ausnahmeregelungen für Videotheken und Bibliotheken in kommunaler oder kirchlicher Trägerschaft (ganzjährig ab 13 Uhr für jeweils bis zu sechs Stunden) sowie für Lotto- und Totogesellschaften mit der elektronischen Geschäftsabwicklung (ohne Annahmestellen ganzjährig für bis zu acht Stunden) hat der Verwaltungsgerichtshof zwar wegen ihrer geringen Auswirkungen nicht als dem Gesetzgeber vorbehaltene Grundentscheidungen angesehen, so dass hier eine Regelung durch Rechtverordnung verfassungsrechtlich zulässig gewesen sei.

Die Verordnungsermächtigung durch den Bundesgesetzgeber setze aber voraus, dass weitere Ausnahmen zum Schutzgebot für Sonn- und Feiertage "zur Vermeidung erheblicher Schäden" erforderlich sind. Dies sei weder bei Videotheken bzw. Büchereien noch bei Toto- und Lottogesellschaften der Fall, denn die mit der Einhaltung des Arbeitsverbots an Sonn- und Feiertagen verbundene Verlagerung der Arbeiten auf Werktage habe für die betroffenen Einrichtungen und ihre Kunden nur geringfügige Nachteile zur Folge.

Auch die Ausnahmeregelung für "im Buchmachergewerbe zur Annahme von Wetten für Veranstaltungen für bis zu sechs Stunden" hat der VGH Kassel für unwirksam erklärt, da nicht hinreichend bestimmt normiert sei, für welche Art von Veranstaltungen die Ausnahmeregelung greifen solle.

Der VGH Kassel hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Über ein solches Rechtsmittel hätte das BVerwG zu entscheiden.

Dienstag, 3. September 2013

Ich hätte doch ins Ausland gewollt! ... zumindest überlegt

Ein Unternehmen der Textilindustrie mit Sitz in Nordrhein-Westfalen unterhält seit geraumer Zeit in der Tschechischen Republik eine Betriebsstätte, in der sie Verbandsstoffe herstellt. Die "Endfertigung" der Stoffe erfolgte in einem am Sitz des Unternehmens in Deutschland gelegenen Betrieb. In diesem war eine Arbeitnehmerin seit 1984 als Textilarbeiterin tätig.

Im Juni 2011 beschloss das Unternehmen , die gesamte Produktion in der tschechischen Betriebsstätte zu konzentrieren. In Deutschland sollte lediglich die Verwaltung nebst "kaufmännischem Bereich" bestehen bleiben. Mit Blick hierauf erklärte das Unternehmen gegenüber den an ihrem Sitz beschäftigten Produktionsmitarbeitern eine ordentliche Beendigungskündigung.

Eine Arbeitnehmerin vertrat die Auffassung, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Das Unternehmen habe ihr - vor Ausspruch der Beendigungskündigung - durch eine Änderungskündigung die Möglichkeit geben müssen, über einen Umzug zumindest nachzudenken.

Die von ihr erhobene Kündigungsschutzklage blieb – wie in den Vorinstanzen – vor dem BAG erfolglos. Die aus § 1 Abs. 2 KSchG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung – ggf. im Wege der Änderungskündigung – eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch zu erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzubieten, bezieht sich grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers.

Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes sei gemäß § 23 KSchG nur auf Betriebe anzuwenden, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. In diesem Sinne müsse auch der Betriebsbegriff in § 1 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 KSchG verstanden werden. Ob dies der Berücksichtigung von Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland entgegensteht, falls der Arbeitgeber seinen Betrieb als Ganzen oder einen Betriebsteil unter Wahrung der Identität verlagert, war nicht zu entscheiden.
Aufgrund der Verlagerung der "Endfertigung" in die – mehrere hundert Kilometer von ihrem Sitz entfernte – tschechische Betriebsstätte hatte das Unternehmen im vorliegenden Fall keine Möglichkeit mehr, die Arbeitmehmerin in einem inländischen Betrieb weiterzubeschäftigen. Umstände, unter denen ausnahmsweise eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu erwägen wäre, Arbeitnehmer im Ausland weiterzubeschäftigen, lagen nicht vor.