Donnerstag, 31. Januar 2013

Arbeitnehmer soll Arbeitgeber "gewisse Verwaltungsgebühr" zahlen

In einer laufenden arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung kommt mir doch ein Schreiben eines Arbeitgebers unter, was nur Verwunderung hinterläßt.

In dem Schreiben heißt es in Fettdruck:

"Die Übersicht zu den Überstunden und den aktuellen Stand Nachtstunden zum Zusatzurlaub sind im Büro einzusehen." 

OK - das ist noch nachvollziehbar. Doch gleich danach folgen 5 Worte in halb so kleiner Schrift:

"Eine gewisse Verwaltungsgebühr wird erhoben!"

Moment. Ein Arbeitnehmer will in die Stundenaufzeichnungen seines Arbeitgebers zu seinen Arbeitszeiten Einblick nehmen und soll dafür eine "gewisse Verwaltungsgebühr" zahlen.

Das dürfte sich mit der gesetzlichen Regelung in § 16 ArbZG wenig vertragen und ist zu unbestimmt. Der Arbeitnehmer weiß ja gar nicht, in welcher Höhe er eine Gebühr bezahlen soll.

Dienstag, 29. Januar 2013

Ob das Freude bringt? - zurück auf Los

Ein Arbeitnehmer wurde auf der Grundlage eines im Jahr 1990 geschlossenen Arbeitsvertrages nach Tarifvertrag beschäftigt und vergütet. Offensichtlich hat er einen guten Eindruck gemacht, denn seit dem Jahr 2002 war er auf der Grundlage eines weiteren Vertrages als Direktor des Unternehmensbereichs Omnibus tätig; während dieser Zeit sollte der zunächst abgeschlossene Arbeitsvertrag aus 1990 ruhen.

In der Direktorenstelllung hat der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber - die BVG - wohl nicht so recht auf Dauer überzeugen können, denn diese(r) kündigte die Arbeitsverhältnisse im September 2010 außerordentlich fristlos und vorsorglich ordentlich zum 31. März 2011 wegen angeblicher Managementfehler. Der Arbeitnehmer, der dem Vorstand der BVG direkt unterstellt war, sei seiner Führungsverantwortung nicht gerecht geworden. Er trage die Verantwortung für gravierende Mängel im Unternehmensbereich Omnibus.

Der Arbeitnehmer hält die Vorwürfe für unberechtigt und hat gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Arbeitgeber hat daraufhin vorsorglich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung durch gerichtliche Entscheidung beantragt nach § 9, 14 II KSchG.

Zwar erkannte das Gericht zunächst mit einem Teilurteil aus 2011 die fristlose Kündigung als unwirksam an - auch die ordentlichen Kündigungen waren unwirksam, dennoch löste es den Arbeitsvertrag über die Direktorentätigkeit gegen Zahlung einer Abfindung auf. Weil der Arbeitnehmer als leitender Angestellter mit Kündigungsbefugnis anzusehen war, bedurfte es für den Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 14 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) keiner inhaltlichen Begründung.

Für die Auflösung des ruhenden Arbeitsverhältnisses lagen demgegenüber keine Gründe vor; es besteht daher fort. Mithin ist der Arbeitnehmer wieder auf Basis des Arbeitsvertrages von 1990 zu beschäftigen und zu vergüten nach Tarif.

Ob ihm das Freude bereitet bzw. bereiten wird, ergibt sich nicht aus den Pressemeldungen.

Montag, 28. Januar 2013

Ergänzung zu § 23 KSchG erforderlich

Der § 23 KSchG spielt eine wesentliche Rolle im Arbeitsrecht in Deutschland. Hierin finden sich Regelungen, welche bestimmen, wann das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung findet und wann nicht.

Im 1. Absatz wird dabei auf die Betriebsgröße abgestellt, welche sich nach der Anzahl der Arbeitnehmer richtet. Meist ist auf die Anzahl von 10 abzustellen. Sind in einem Betrieb regelmäßig nur 10 Arbeitnehmer oder weniger beschäftigt, findet das KSchG keine Anwendung. Eine Kündigung durch den Arbeitgeber kann dann etwas einfacher erfolgen.

Doch was ist, wenn in einem Betrieb neben den fest angestellten Arbeitnehmern (nicht mehr als 10) noch regelmäßig Leiharbeiter beschäftigt werden. Würden diese mitgezählt, wären mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Aber die Leiharbeiter sind doch nicht über den Betrieb angestellt (sondern nur (nach AÜG zum "vorübergehenden" Zweck) entliehen).

Das Bundesarbeitsgericht (PM 6/13) war mit folgendem Sachverhalt konfrontiert:

Ein Arbeitnehmer war seit Juli 2007 beschäftigt. Der Arbeitgeber beschäftigte einschließlich des Klägers zehn eigene Arbeitnehmer. Im November 2009 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht. Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Arbeitnehmer geltend gemacht, bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer seien auch die vom Arbeitgeber eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen.

Das Bundesarbeitsgericht ist nun der Auffassung, dass der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern nicht entgegensteht, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes soll der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belastet. Dies rechtfertigt keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruht.

Deshalb: Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies gebietet eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der gesetzlichen Bestimmung.

der diskriminierte Anwalt

Ist der Anwalt nun besonders findig oder doch nur ein "AGG-Hopper" oder auf Entschädigungszahlungen angewiesen? So richtig klar wird es nicht?

Auf Juve wird auf mehrere Verfahren des Anwaltes hingewiesen, in denen er aufgrund "vorgetragener" Diskriminierung eine Entschädigungszahlung nach dem AGG verlangt. Hier entsteht der Eindruck, dass es sich um einen AGG-Hopper handeln könnte.

Auch am Bundesarbeitsgericht ist der "diskriminierte" Anwalt schon bekannt. Sein Vorgehen? - Er bewirbt sich auf ausgesuchte Stellenanzeigen und klagt bei Ablehnung seiner Bewerbung.

So bewabr er sich z.B. (auch) bei der Evangelische Zusatzversorgungskasse Darmstadt. Das Verfahren wurde ebenso am 24.01.2013 vor dem BAG (Az.  8 AZR 828/11) verhandelt wie das Verfahren gegen die Charité - Universitätsmedizin Berlin (Az: 8 AZR 429/11).

Die Berliner Universitätsklinik beschloss zur Deckung ihres künftigen Bedarfs an Nachwuchsführungskräften in der Verwaltung ein "Trainee-Programm" für Hochschulabsolventen und "Young Professionals", das für Berufsanfänger vorgesehen war. Sie schrieb im April 2009 in mehreren Zeitungsanzeigen zwei Stellen aus. Abschließend hieß es in der Ausschreibung:
    "Die Charité - Universitätsmedizin Berlin - trifft ihre Personalentscheidungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. (…). Außerdem streben wir eine Erhöhung des Anteils von Frauen an und fordern Frauen nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bei gleichwertiger Qualifikation werden Frauen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten vorrangig berücksichtigt."
Der 36-jährige als Anwalt tätige Kläger bewarb sich auf die Stelle. Von den 310 Bewerberinnen und Bewerbern, die in getrennten Listen nach ihrem Geschlecht erfasst wurden und von denen 2/3 weiblich waren, wurden insgesamt 29 zu einem Assessment-Center eingeladen, davon 18 Frauen und 11 Männer. Die Universitätsklinik stellte schließlich eine Frau und einen Mann ein.

Der kagende Anwalt/Bewerber meint, die Benachteiligung wegen des Geschlechts ergebe sich bereits aus den getrennten Listen. Ein männlicher Bewerber habe im Auswahlverfahren zudem mehr Punkte erzielt als die eingestellte Bewerberin. Die Klinik meinte hingegen, sie habe in der Stellenausschreibung nur auf ihre gesetzlichen Pflichten hingewiesen. Die Ausschreibung habe sich zulässigerweise nur an Absolventen ohne Berufserfahrung gerichtet. Das notwendige Fachwissen werde erst im Krankenhausbetrieb erworben.

Das Bundesarbeitsgericht führt nun in seiner Pressemitteilung (5/13) aus:

"Sucht ein öffentlicher Arbeitgeber in einer an „Berufsanfänger“ gerichteten Stellenanzeige für ein Traineeprogramm „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ und lehnt er einen 36jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtschutzversicherung und als Rechtsanwalt ab, so ist dies ein Indiz für eine Benachteiligung dieses Bewerbers wegen seines Alters. Der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast dafür, dass ein solcher Verstoß nicht vorgelegen hat. Er darf sich darauf berufen, dass der Bewerber aufgrund seiner im Vergleich zu den Mitbewerbern schlechteren Examensnoten nicht in die eigentliche Bewerberauswahl einbezogen worden ist."

Ob das Bewerbungsverfahren korrekt verlief, muss dass Landesarbeitsgericht prüfen. Insoweit hat der klagende Anwalt zumindest zunächst einen Erfolg erzielt.

Für Arbeitgeber heißt dies: In Bewerbungsverfahren und Stellengesuchen ist höchst Vorsicht angebracht, um sich nicht Schadensersatzansprüchen wegen Diskriminierung ausgesetzt zu sehen.

 

Donnerstag, 24. Januar 2013

neuer Mindestlohn Abfallwirtschaft und Übersicht

Ab Februar 2013 gilt in der Abfallwirtschaft ein neuer Mindestlohn von 8,68 € brutto/h. Dieser gilt auch für Strassenreinigung und Winterdienst.

Wir nehmen - wie unter anderem auch juris - zum Anlass, auf aktuelle Mindestlohnregelungen hinzuweisen. Hier geht es zur Übersicht.

Dienstag, 22. Januar 2013

eine kurze Zusammenfassung

zur aktuellen Vorlage eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes gab es auf ndr - Vorsicht Satire!

Etwas ernster geht es zu auf den Hinweisen zu Presseartikeln auf lto.de hier und hier.




Mittwoch, 16. Januar 2013

Urlaub auch an Feiertagen

Ein Arbeitnehmer ist  seit 1995 als Arbeiter in der Abteilung Bodenverkehrsdienst im Schichtdienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst  Anwendung. Die Dienstpläne des Arbeitgebers verteilen die Arbeitszeit auch auf Sonntage und auf gesetzliche Feiertage.

Ist der Arbeitnehmer für einen Feiertag dienstplanmäßig eingeteilt und fällt dieser Tag in seinen Erholungsurlaub, rechnet der Arbeitgeber diesen Tag als gewährten Urlaubstag ab.

Der Arbeitnehmer macht gerichtlich geltend, dass der Arbeitnehmer gesetzliche Feiertage, an denen er ohne Urlaubsgewährung zur Arbeit verpflichtet wäre, nicht auf seinen Jahresurlaubsanspruch anrechnen dürfe.

Vor den Gerichten hat der Arbeitnehmer keinen Erfolg. Bereits die Berufungsinstanz (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10. März 2011 - 16 Sa 1677/10) wies sein Begehren zurück - nun auch das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 15. Januar 2013 - 9 AZR 430/11)

Ein Arbeitgeber erfüllt den Anspruch auf Erholungsurlaub, indem er den Arbeitnehmer durch Freistellungserklärung zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit. Dies ist auch an den gesetzlichen Feiertagen möglich und notwendig, an denen der Arbeitnehmer ansonsten dienstplanmäßig zur Arbeit verpflichtet wäre.

Donnerstag, 10. Januar 2013

Arbeitgeber haftet für Messerstiche von Angestellten

Eine in einem Hotel beschäftigte Reinigungskraft hielt zwei spät von einer Weihnachtsfeier alkoholisiert heimkehrende Hotelgäste für Einbrecher und verletzte diese mit einem Küchenmesser schwer und einen Gast tödlich.

Der überlebende Gast selbst erlitt mehrere  Stichverletzungen und Prellungen, für die er von den Hotelinhabern Schadensersatz begehrt. Diese meinten, ihnen sei keine Pflichtverletzung vorzuwerfen und die vorsätzliche Gewalttat der Reinigungskraft ihnen nicht zuzurechnen. Der Hotelmitarbeiter wurde nach der Tat wegen Körperverletzung mit Todesfolge strafrechtlich verurteilt.

Die Richter des OLG Hamm sprachen dem klagenden Gast nun ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.500 € zu. Die Hotelinhaber hätten ihre vertraglichen Pflichten gegenüber ihren Gästen verletzt, weil sie die Reinigungskraft nicht ausreichend über die zu erwartende Rückkehr der Gäste unterrichtet und sie insoweit zutreffend angewiesen hätten.

Auch sei ihnen die vorsätzliche Gewalttat der Reinigungskraft zuzurechnen, da ihre Pflichtverletzung die Gefahr einer in einem gewaltsamen Streit endenden Auseinandersetzung zwischen der Reinigungskraft und den Gästen gesteigert habe, was auch voraussehbar gewesen sei. Die Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten der Reinigungskraft seien den Hotelinhabern bekannt gewesen.

Praktikum oder vergütungspflichtige Beschäftigung

Eine angehende Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Ausbildung absolvierte in einem Psychatrischen Klinikum ihre einjährige  praktische Tätigkeit, welche vor Zulassung vorgesehen ist.

Die Klinik war der Auffassung, dass sie für diesen festen Ausbildungsbestandteil eine Vergütung oder Aufwandsentschädigung nicht zahlen muss, und beschäftigte die junge Frau ohne Bezahlung.

Dass sah die Frau anders und verlangte Vergütung vor dem Gericht. Das LAG Hamm (Urteil vom 29.11.2012, Aktenzeichen: 11 Sa 74/12) sprach ihr nun eine monatliche Vergütung von 1.000,00 € brutto zu. Das Gericht hat den Tatbestand der Sitten­wiedrigkeit als erfüllt angesehen, wie der Kollege Kneller mitteilt.

Das Gericht hat jedoch die Revision zugelassen.

Bis dahin ist das Urteil des Landesarbeitsgerichtes Hamm der Präzedenzfall, auf den sich alle Psychotherapeuten in Ausbildung berufen können. Auch wenn die praktische Tätigkeit bereits läng­er zurückliegt oder die Ausbildung bereits abgeschlossen ist, können Ansprüche immer noch geltend ge­macht werden. Übrigens hatte in einem ähnlichen Fall das Arbeitsgericht Hamburg (Az. 21 Ca 43/12) eine Vergütung in Höhe von 33.460,20 € (“normales Psychologengehalt”) zuge­sprochen.

Mittwoch, 9. Januar 2013

neue Chancen für Leiharbeiter

Ein Konzernunternehmen betreibt Krankenhäuser und setzt als Krankenpflegepersonal bei einem konzerneigenen Verleihunternehmen beschäftigtes Personal ein (Arbeitnehmerüberlassung). Die Beschäftigung erfolgt auf Dauerarbeitsplätzen, für die keine eigenen Stammarbeitnehmer vorhanden sind.

Das Verleihunternehmen besitzt eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Leiharbeiter vertrate nun die Auffassung, dass nach dem Gesetzeswortlaut (§ 1 Abs. 1 AÜG) eine Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend erfolgend darf. Da aber Dauerarbeitsplätze besetzt wurden, sei die Arbeitnehmerüberlassung nicht von der Erlaubnis gedeckt, was wiederum nach § 10 Abs. 1 AÜG zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher (Krankenhausunternehmen) und Leiharbeitnehmer (Krankenpflegepersonal) führe.

Im Gesetz ist nicht näher geregelt, wann ein vorübergehender Einsatz anzunehmen ist und welche Rechtsfolgen bei einer nicht nur vorübergehenden Leiharbeit eintreten.


Das LArbG Berlin-Brandenburg ist geteilter Auffassung. Die 15. Kammer (Urteil vom 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12) meint, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer besteht. Die Kammer hat dabei angenommen, eine auf Dauer angelegte Arbeitnehmerüberlassung sei von der erteilten Erlaubnis nicht gedeckt; es komme daher ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer zustande. Es stelle einen „institutionellen Rechtsmissbrauch“ dar, wenn das konzerneigene Verleihunternehmen nicht am Markt werbend tätig sei und seine Beauftragung nur dazu diene, Lohnkosten zu senken oder kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen.

Hingegen hatte die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12) in einem Parallelverfahren das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer verneint.

Beide Kammern liesen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu. Leiharbeiter in vergleichbarer Situation sollten die Rechtsprechungsentwicklung beobachten.

gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Dieses Motto vertraten Schichtleiter eines Arbeitgebers, welche im Unterschied zu anderen Schichtleitern weniger Vergütung erhielten aufgrund Eingruppierung in eine geringere Vergütunmgsgruppe. Da der Arbeitgeber nicht bereit war, ihnen die höhere Vergütung zu zahlen, klagten die Arbeitnehmer.

Vor dem Arbeitsgericht Lörrach befragt, worin die Unterschiede in den Tätigkeiten liegen, welche eine unterschiedliche Vergütung rechtfertigen würden, meinte der Arbeitgeber zwar, dass es solche Unterschiede. Auf weitere Nachfrage konnte er diese jedoch nicht präzise benennen.

Also versucht der Arbeitgeber den nächsten Rettungsanker zu bekommen und vertritt die Auffassung, dass alle Schichtleiter die Entlohnung der niedrigeren Vergütungsgruppe. Problem hierbei, die meisten Schichtleiter erhielten die höhere Vergütungsgruppe.

Deshalb kam das Gericht nach der Meldung des Südkuriers zu der Auffassung, dass der Arbeitgeber  den klagenden Arbeitnehmern ebenfalls die höhere Gehaltsstufe zu zahlen hat, da die größere Zahl der vergleichbaren Arbeitnehmer in der höheren Stufe eingruppiert ist.



Dienstag, 8. Januar 2013

Strategiewechsel erforderlich

In vielen Kündigungsschutzverfahren vor den Arbeitsgerichten sehen sich Arbeitgeber dem - nicht unerheblichen - Risiko des Annahmeverzuges ausgesetzt. Dauert ein Kündigungsschutzverfahren über die Dauer der Kündigungsfrist hinaus fort, was bei kurzen Kündigungsfristen oft der Fall ist, besteht das Risiko, dass dem Arbeitnehmer im Obsiegenssfall der vertragsgemäße Lohn nachzuzahlen ist, ohne dass der Arbeitnehmer hierfür eine Leistung erbracht hat.

Um dies zu vermeiden griffen Arbeitgeber zu den Möglichkeiten einer etwaig vertraglich oder tariflich vereinbarten Asschluss- bzw. Verfallklauseln (der Arbeitnehmer muss innerhalb vereinbarter Fristen Lohnansprüche beziffert geltend machen)  und dem Anbieten eines Prozessarbeitsverhältnisses (Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens).

Beides führt nach einer Entscheidung des BAG vom  19.09.2012 (5 AZR 627/11) nicht mehr zur Risikominimierung für den Arbeitgeber.

Unter Bezug auf die Entscheidung des BVerfG vom 1.12.2010 (1 BvR 1682/07) stellte das  Bundesarbeitsgericht fest, dass "Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung vorsehen, ... verfassungskonform dahingehend auszulegen (sind), dass die vom Erfolg einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche bereits mit der Klage in der Bestandsstreitigkeit gerichtlich geltend gemacht sind." Unabhängig von einer Erhebung einer Klage auf bezifferte Lohn innerhalb Verfallfristen. Das heisst, bereits die Erhebung einer Kündigungsschutzklage bzw. Entfristungsklage wahrt die Verfallfristen bezüglich Lohnansprüche für den Fall der Klageerfolges, egal wann dieser Erfolg (rechtskräftig) eintritt.

Auch das Angebot eines Prozessarbeitsverhältnisses lässt die Annahme von Annahmeverzugslohnansprüchen nicht entfallen. Das Bundesarbeitsgericht führt hierzu (Rz 30) aus:

"Das Angebot der Prozessbeschäftigung beendete den Annahmeverzug nicht. Zur Beendigung des Annahmeverzugs muss der Arbeitgeber die Arbeitsleistung als Erfüllung des mit dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrags annehmen. Nicht ausreichend ist hingegen, dass er dem Arbeitnehmer vorsorglich einen für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits befristeten neuen Arbeitsvertrag zu den bisherigen Bedingungen oder eine durch die rechtskräftige Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auflösend bedingte Fortsetzung des Vertrags anbietet. Der Arbeitgeber muss vielmehr bei der Annahme unmissverständlich klarstellen, dass er zu Unrecht gekündigt bzw. zu Unrecht auf der Wirksamkeit der Befristung beharrt habe."

Auch eine Arbeitsunfähigkeit von bis zu 6 Wochen lässt den Annahmeverzugslohn nicht entfallen, vielmehr tritt an dessen Stelle der Entgeltfortzahlungsanspruch.

Arbeitgeber und deren Vertreter tun gut daran, sich  neue Strategien auszudenken.

teure Übernachtung bei der Freundin mit Arbeitsunfall

Lieben sich zwei Menschen, versuchen Sie oft beieinander zu sein. So auch ein Arbeitnehmer, der - trotz einer eigenen Wohnung in einer Entfernung zur Arbeitssteller von ca. 6,5 km - besuchsweise bei seiner Verlobten, welche rund 55 km von seiner Arbeitsstelle entfernt war, übernachtete und am nächsten Morgen zur Arbeit fuhr.

Auf dem Weg zur Arbeit erlitt er einen Verkehrsunfall mit Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule.

Die gesetzliche Unfallkasse lehnte die Anerkennung eines Wegeunfalls ab, weil der längere Weg zur Arbeit nicht durch eine betriebliche Tätigkeit geprägt sei. Das Sozialgericht Koblenz sah dies anders, da aufgrund der häufigen Übernachtungen bei der Freundin und Verlobten auch der Weg von einem anderen Ort als der eigenen Wohnung Ausgangpunkt eines versicherten Weges sein könne. Es sei in einem solchen Fall von einer "gespaltenen Wohnung" auszugehen.

Dem wiederum folgte das LSG Mainz (L 4 U 225/10) nicht. Es wies das Begehren des verufallten Arbeitehmers ab- Nach durchgeführter Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die Wohnung der Freundin nicht wie eine eigene Wohnung genutzt habe, sondern sich vielmehr dort nur zu Besuch aufgehalten habe. Die Differenz zwischen dem Arbeitsweg von der eigenen Wohnung bzw. dem von der Wohnung der Verlobten sei unverhältnismäßig, so dass nicht von einem versicherten Arbeitsweg auszugehen sei.

Bleibt die Frage offen, welcher Weg für Verliebte unverhältnismäßig ist? 

Schneeball trifft Auge - Arbeitsunfall?

Ein Lehrer lies sich nach dem Verlassen von Unterrichtsräumen noch auf dem Schulgelände von seinen Schülern in eine Schneeballschlacht auf dem Schulgelände verwickeln. Rund 15 Schülern seiner Klasse haben ihn mit Schneeballwürfen empfangen. Der Lehrer ist zunächst mit schützend vor das Gesicht gehaltener Mappe auf die Schüler zugerannt, habe versucht, den nahestehenden Werfern die Schneebälle aus der Hand zu schlagen, und rief ihnen zu, sie sollten aufhören, weil es unfair sei, wenn alle auf ihn werfen. Daraufhin sei eine allgemeine Schneeballschlacht entbrannt, bei der alle auf alle geworden hätten, woran er sich dann mit eigenen Würfen beteiligt habe. Ein Schneeball traf ihn im Auge.

Nach der Operation seines Auges war er einen Monat lang dienstunfähig krankgeschrieben.

Sein Antrag auf Anerkennung als Arbeits-/Dienstunfall wurde abgelehnt, weil der natürliche Zusammenhang mit seinen eigentlichen Dienstaufgaben fehle. Er habe sogar den Interessen des Dienstherrn zuwidergehandelt, da nach der Schulordnung das Schneeballwerfen ausdrücklich verboten gewesen sei.

Auf die Klage des Lehrers hin gab das VG Freiburg (Entscheidung vom 04.12.2012, 5 K 1220/11) dem Lehrer Recht.

Der Unfall während der Schneeballschlacht habe sich noch "in Ausübung des Dienstes", nämlich am Dienstort auf dem Schulgelände und auch noch während der Dienstzeit ereignet. Der Lehrer  habe plausibel dargelegt, dass er wegen seines guten Verhältnisses zu den Schülern ihren Schneeballangriff nicht als böswillig, sondern als Ausdruck der Lebensfreude und für sich als Herausforderung begriffen habe und dass er sich mit einer bloßen Aufforderung aufzuhören und einem teilnahmslosen Verlassen des Handlungsortes auch als Pädagoge lächerlich gemacht hätte.

Es kommt - wie fast immer - auf die Begründung an.

Donnerstag, 3. Januar 2013

Böller im Dixiklo

Ja, auf Baustellen geht es schon manchmal etwas grob zu unter den Kollegen. Und das nicht nur Sylvester. Da herrscht unter den Bauarbeitern eben die Meinung, dass derbe Scherze die Stimmung aufhellen. Doch was zu weit geht, findet kein gutes Ende.

Ein Arbeitnehmer musste seinem dringenden Bedürfnis nachgehen und suchte die Dixi-Toillette auf der Baustelle auf. Ein anderer Arbeitnehmer (Vorarbeiter auf der Baustelle) wollte - nach seinen Ausführungen - sich einen Scherz erlauben und brachte  wohl einen Sylvesterböller (am 07. August eines Jahres !) an der Tür des Klos an. Jedenfalls gelangte der Böller in die Kabine und explodierte.

Der in der Toilette befindliche Kollege des Arbeitnehmers zog sich aufgrund der Explosion Verbrennungen am Oberschenkel, im Genitalbereich und an der Leiste zu und war in der Folge drei Wochen arbeitsunfähig.

Aufgrund dieses Vorfalls wurden dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt.

Der Arbeitnehmer erhob hiergegen eine Kündigungsschutzklage und vertrat die Ansicht, dass keine so schwerwiegende Pflichtverletzung vorliege, dass dies unmittelbar die fristlose Kündigung rechtfertige. Der kollegiale Umgang auf Gerüstbaustellen sei auch schon mal etwas ruppiger. Scherze seien durchaus üblich, dabei sei in der Vergangenheit auch öfter bereits mit Feuerwerkskörpern gescherzt worden. Derartiges habe im Kollegenkreis als Stimmungsaufheller gegolten. So sei es auch an dem fraglichen Tag geplant gewesen. Die Herbeiführung von Verletzungen bei dem Arbeitskollegen sei nie beabsichtigt gewesen.

Das Gericht (Arbeitsgericht Krefeld vom 30.11.2012, Az.:2 Ca 2010/12)  war hiervon nicht überzeugt und wies die Klage ab. Die fristlose Kündigung war gerechtfertigt.  Es lag ein tätlicher Angriff auf einen Arbeitskollegen vor, bei dem mit erheblichen Verletzungen des Kollegen zu rechnen war. Bereits darin liege ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dass der nicht sachgerechte Umgang mit Feuerwerkskörpern zu schweren Verletzungen führen kann, sei allgemein bekannt. Das gelte erst recht, wenn wie hier in einer Weise damit hantiert wird, dass dem Betroffenen keinerlei Reaktions- und Fluchtmöglichkeit eröffnet ist. Einer vorhergehenden Abmahnung bedurfte es angesichts der Umstände des Falles nicht. Trotz der bereits langen Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren war der Beklagten hier auch nicht einmal mehr die Einhaltung einer Kündigungsfrist zuzumuten. Dabei war zum einen die Schwere der Pflichtverletzung ausschlaggebend und zum anderen auch der Umstand, dass der Arbeitnehmer als Vorarbeiter gerade gehalten gewesen wäre, solches Fehlverhalten zu unterbinden.