Freitag, 28. September 2012

jüngere Beamte möglich - Altergrenzen fallen

Zwei Steuerhauptsekretärinnen in der Finanzverwaltung des Saarlandes war die Zulassung zum Aufstieg für besondere Verwendungen für Steuerbeamte verweigert worden, weil sie noch nicht 40 Jahre alt waren.

Ihre hiergegen gerichteten Klagen waren zunächst erfolglos. Die Gerichte hielten die maßgebliche Mindestaltersregelung mit höherrangigem Recht vereinbar. Der Verordnungsgeber bewege sich mit der Annahme, dass Lebensältere im Sinne von "gestandenen" Männern und Frauen mit einer verfestigten Persönlichkeit eher als Vorgesetzte akzeptiert würden als Lebensjüngere, im Rahmen seines Gestaltungsspielraums.

Das BVerwG sah dies nicht so und gab den Klägerinnen Recht. Trotz Ihres Alters unter 40 Lebenjahren können Sie nun "karrieremäßig" aufsteigen.

Das BVerwG (Urteile vom 26. September 2012) stellte auf Art. 33 II des Grundgesetzes (GG) ab, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift unterfallen auch Auswahlentscheidungen im Vorfeld der Verleihung eines öffentlichen Amtes wie hier die Zulassung zu einer Ausbildung für einen Laufbahnaufstieg.

Ein Bewerber kann bei einer solchen Auswahlentscheidung nur dann wegen seines zu geringen Alters abgelehnt werden, wenn deswegen eine Beurteilung seiner Bewährung (noch) nicht möglich ist. Vom Lebensalter sind grundsätzlich keine Rückschlüsse auf die Eignung für das angestrebte Amt möglich.

Ebenfalls unzulässig sind längere (als zur Beurteilung der Bewährung des Bewerbers nötige) Mindestwartezeiten, die der Bewerber im Beamtenverhältnis oder in seinem bisherigen Amt verbracht haben muss; auch diese zielen darauf, ältere Bewerber den jüngeren ohne Rücksicht darauf vorzuziehen, wer der bessere ist.

Die Nichteinbeziehung der Klägerinnen in die Auswahl aus Altersgründen verstieß zudem gegen die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

Freitag, 21. September 2012

weniger Arbeit, weniger Lohn?

In vielen Arbeitsverträgen finden sich Bestimmungen einer Wochenarbeitszeit und eines monatlichen Festlohnes. In vielen Branchen schwankt die Auftragslage je nach Saison. Mehrstunden in einem Monat werden mit Minderstunden aus einem anderen Monat verrechnet. Doch was passiert, wenn keine vertragliche Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto besteht?

Der Fall:
Ein Arbeitgeber erstellt einen Jahresdienstplan, der unter Berücksichtigung der im Verlauf des Jahres unterschiedlichen Nachfrage bzw. des unterschiedlichen Angebots ihrer Dienstleistungen geringere Arbeitszeiten in den Wintermonaten und erhöhte Arbeitszeiten in den Sommermonaten vorsieht. Die Dienstpläne für den betreffenden Monat werden jeweils einen Monat im Voraus erstellt. In den Kalendermonaten Januar, Februar, März und April sieht der Dienstplan vor, dass der betreffende Mitarbeiter an manchen Tagen acht Stunden und an manchen Tagen überhaupt nicht arbeitet. Es werden sog. Minusstunden verbucht, wenn in den betreffenden Monaten weniger als die regelmäßige Arbeitszeit gearbeitet wird. Während der Hochsaison in den Monaten Mai bis September werden die Arbeitnehmer so eingesetzt, dass auch mit den in den verbleibenden Monaten Oktober bis Dezember zu verbuchenden Minusstunden, die sich aufgrund der wetter-/temperaturbedingten Nachfragesituation ergeben, eine gleichmäßige Arbeitsbelastung während eines Kalenderjahres entsteht. Für jeden Monat des Kalenderjahres wird die Vergütung in gleicher und vereinbarter Höhe bezahlt. Diese betriebliche Regelung war der Arbeitnehmerin bekannt.

Nach dem Ausscheiden zum 15. Mai 2010 erhielt die Arbeitnehmerin Abrechnungen für die Monate April und Mai 2010, wonach der Arbeitgeber von der Arbeitsvergütung 1.372,75 € brutto für 118,75 Minusstunden einbehielt, die sich auf dem Arbeitszeitkonto der Arbeitnehmerin aufgrund ihrer dienstplanmäßigen Arbeitseinteilung ergeben hatten. Hiergegen wandte sich die Arbeitnehmerin und klagte.

Die Entscheidung
Das LArbG Mainz entschied, dass der Arbeitgeber zu dem vorgenommenen Lohneinbehalt im Wege einer Verrechnung von 118,75 Minusstunden nicht berechtigt war. Liegt die Verantwortung für die Arbeitszuweisung und -einteilung allein beim Arbeitgeber, gerät dieser nach § 296 Satz 1 BGB in Annahmeverzug, wenn er den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen nicht im Umfang der vereinbarten Arbeitszeit einsetzen kann, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleistung bedarf. Kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Arbeitnehmer nach § 615 Satz 1 BGB für die infolge des Annahmeverzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Nach dem Arbeitsvertrag war die Arbeitnehmerin nicht zur Nachleistung der aus betrieblichen Gründen ausgefallenen Arbeitszeiten verpflichtet.

Einer Verrechnung steht zudem entgegen, dass der Arbeitgeber nicht nachweisen konnte, dass eine entsrechende Möglichkeit der Verrechnung vertraglich vereinbart wurde.

TIPP:
Arbeitgeber sollten Ihre Verträge prüfen und gegebenenfalls anpasssen. Arbeitnehmer sollten etwaige Verütungseinbehalte auf Rechtswirksamkeit prüfen lassen.

Donnerstag, 20. September 2012

Gewerkschaft oder Prozesskostenhilfe

Im Arbeitsrecht gibt es ja einige Besonderheiten. Eine hiervon ist, dass die Kosten einer rechtlichen Vertretung in I. Instanz nicht erstattet werden. Jeder Anwalt muss seine Mandantschaft hierauf hinweisen. Im Zuge dessen wird meist auch geklärt, ob eine Rechtsschutzversicherung die Kosten übernimmt.

Ebenso zu fragen ist auch, ob der Mandant evtl. Gewerkschaftmitglied ist. Ist letzteres der Fall, kann er sich von der Gewerkschaft rechtlich beraten und vertreten lassen. Dies ist mit dem Mitgliedsbeitrag abgegolten.

Natürlich darf ein Gewerkschaftsmitglied sich auch dafür entscheiden, sich einen Anwalt zu nehmen und sich nicht von der Gewerkschaft vor einem Arbeitsgericht vertreten zu lassen. Hierfür kann es unterschiedliche Gründe geben. Doch dies ist dann aus eigener Tasche zu zahlen, denn Prozesskostenhilfe gibt es - im Regelfall - nicht.

Dies entschied das Hessische LAG am 28.06.2012 (Az.: 16 Ta 206/12). Es führte aus: "Gewährt eine Gewerkschaft - für die DGB Rechtsschutz GmbH gilt nichts anderes - Rechtsschutz, ist darin regelmäßig eine verwertbare Forderung zu sehen, die die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unmöglich macht. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes in Gestalt der Vertretung durch den konkreten Gewerkschaftsvertreter oder aus generellen Gründen ausnahmsweise im Einzelfall unzumutbar ist. Dies kann bei einer erheblichen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Antragsteller und dem sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten des Verbandes der Fall sein."

Fazit: Nun heißt es also für Mandant (Kosten) und Anwalt (Haftung wegen unterlassenem Hinweis) Obacht walten zu lassen, wenn eine Gewerkschaftsmitgliedschaft besteht und dennoch ein Anwalt auf Prozesskostenhilfebasis tätigen werden soll.

Religion im Mietrecht

Der Vermieter eines Mehrfamilienhauses ist katholisch. Eines Tages stellt er eine Madonna-Figur im Treppenhaus auf. Ein Mieter protestantischer Glaubensrichtung sah sich durch diese Madonnafigur erheblich gestört und begründete eine erstrebte Mietminderung mit einem „besonderen Schock“, dem ihm die Figur zugefügt habe. Das Amtsgericht Münster (Urteil vom 22.07.2003, AZ 3 C 2122/03) musste über disen Sachverhalt entscheiden. Nach ihrer Ansicht ist eine Madonna-Figur im Treppenhaus in keinster Weise ein Grund, der die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung einschränkt. In der persönlichen Überempfindlichkeit des Mieters liegt kein Recht begründet, die Miete zu mindern. Ganz allgemein seien solche subjektive Überempfindlichkeiten bei der Bewertung von Minderungsrechten nicht zu berücksichtigen. Als grundsätzliche Feststellung wurde sodann noch festgehalten: "Da ja auch für einen Protestanten gilt, dass Jesus von Maria geboren wurde, könne man beim Anblick einer Madonna-Figur nicht von einem Schock sprechen, egal, welcher christlichen Konfession man angehört."

Mittwoch, 19. September 2012

betriebliche Altersvorsorge und Insolvenz

Eine Direktversicherung ist ein gern und oft gewähltes Mittel der betrieblichen Altersvorsorge. Doch in der betrieblichen Altersvorsorge gelten besondere Regeln, so z.B., dass ein Bezugsrecht des Arbeitnehmers in den ersten Jahren nur widerruflich besteht. D.h., dass der Arbeitgeber das Bezugsrecht widerrufen kann.

In einem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hat der Insolvenzverwalter des ehemaligen Arbeitgebers das Bezugsrecht widerrufen gegenüber der Versicherung. Der vom Dezember 1998 bis Dezember 2005 beschäftigte Arbeitnehmer hielt dies für unwirksam und verlangte Schadensersatz. Er berief sch auf die Zusage der betrieblichen Altersvorsorge vom 30.08.1999. Er klagte auf Übertragung der Versicherung auf sich.

Hintergedanke war hierbei, dass der Arbeitnehmer mit Beiträgen in die Versicherung einzahlte und bei Widerruf er nichts erhalte. Bei einer Übertragung der Versicherung könnte er die Versicherung fortführen und von seinen früheren Beiträgen profitieren.

Sollte kein Anspruch auf Übertragung bestehen, verlangte der Arbeitnehmer hilfsweise die Erstattung der an die Versicherung gezahlten Beiträge, zumindest aber Zahlung des Rückkaufswerts der Versicherung.

Der Arbeitnehmer hatte keinen Erfolg.

Das BAG (Urteil vom 18. September 2012 - 3 AZR 176/10) entschied, dass der Widerruf des Bezugsrechts durch den Insolvenzverwalter wirksam ist, da die Unverfallbarkeitsfrist nach § 1b iVm. § 30f Abs. 1 BetrAVG im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht abgelaufen war.

Der Insolvenzverwalter ist nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer im Wege des Schadensersatzes die Beiträge für die Direktversicherung oder den Rückkaufswert der Versicherung zu erstatten.

Den Ersatz eines Versorgungsschadens hat der Arbeitnehmer nicht verlangt. Deshalb war auch nicht zu entscheiden, ob der Insolvenzverwalter im Verhältnis zum Arbeitnehmer berechtigt war, das Bezugsrecht zu widerrufen, noch kommt es darauf an, ob ein Schadensersatzanspruch wegen eines zu Unrecht erklärten Widerrufs des Bezugsrechts eine Insolvenzforderung oder eine Masseforderung ist.

Offen bleibt somit de Frage, was passiert wäre, wenn der Arbeitnehmer den Versorgungsschaden geltend gemacht hätte, mithin die Differenz aus seiner nun zu erwarteten Rente im Vergleich zur Rente + der betrieblichen Altersvorsorge mittels Direktversicherung.

Dienstag, 18. September 2012

Wo klagen Pfarrer?

Als erstes kommen sicherlich die kirchlichen Gerichte in Betracht. Doch wenn diese dem Begehren des Pfarres nicht folgen, stellt sich die Frage, ob auch vor einem staatlichen Gericht geklagt werden kann. Dies geht - aber nur ausnahmsweise. Eine solche Ausnahme liegt nach einer Entscheidung des OVG Münster vom 18.09.2012 im folgenden Sachverhalt vor.

Nach Studium, Vikariat und Hilfsdienstzeit hatte der klagende Pfarrer bei der Evangelischen Kirche im Rheinland als ordinierter Theologe keine Pfarrstelle gefunden. Die Kirche (als Institution) hatte ihn deshalb zweimal für je fünf Jahre als Pastor im Sonderdienst in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis auf Zeit berufen. Eine weitere Verlängerung war nach dem einschlägigen Kirchengesetz nicht möglich. Der Pfarrer sah hierin eine Verletzung des rechtlich gebotenen sozialen Mindestschutzes und klagte gegen die Beendigung seines Kirchenbeamtenverhältnisses, zunächst vor den Kirchengerichten. Die Klagen blieben ohne Erfolg.

Das anschließend von ihm angerufene Verwaltungsgericht wies die Klage als unzulässig ab, weil der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht eröffnet sei. Dagegen legte der Pfarrer Berufung zum OVG Münster ein.

Der entscheidende Senat hält den Rechtsweg zu den staatlichen Verwaltungsgerichten - in Kenntnis entgegenstehender höchstrichterlicher Rechtsprechung - (auch) bei Statusklagen kirchlicher Bediensteter für gegeben, soweit die Verletzung staatlichen Rechts gerügt werde. Maßnahmen von Religionsgesellschaften auf dem Gebiet des kirchlichen öffentlichen Dienstrechts seien Akte öffentlicher Gewalt, weil die mit dem Körperschaftsstatus verbundene Dienstherrenfähigkeit der Religionsgesellschaften durch staatliche Übertragung vermittelt werde. Bei der Ausübung der Dienstherrenbefugnisse seien die Religionsgesellschaften deshalb grundsätzlich an die Grundrechte als "für alle geltende Gesetze" gebunden. Der Wechselwirkung zwischen kirchlicher Autonomie einerseits und Gesetzesbindung andererseits sei durch eine Güterabwägung unter Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Kirche und der besonderen Schutzwürdigkeit der Ämterverleihung in Religionsgesellschaften Rechnung zu tragen.

Nach Ansicht des OVG Münster (PM vom 18.09.2012) ist dem klagenden Pfarrer zwar keine Festanstellung zuzuerkennen, jedoch stehe ihm ein Übergangsgeld zu in Anlehnung an den Grundsätzen des staatlichen Beamtenrechts und den allgemeinen Regelungen des Arbeitsrechts.

Verhandlungsmeisterin mit Anlaufschwierigkeiten

Eine Mandantin wendet sich an mich und hat Fragen zu einem vom Arbeitgeber vorgelegten Änderungsvertrag. Eine Rechtsschutzversicherung hat sie nicht. Nach Hinweis auf die Anwaltskosten nach RVG und dem Angebot einer darunter liegenden Vergütung für Beratung und schriftliche Zusammenfassung, schwang die Fragestellerin das Zepter, dann auf die Beratung zu verzichten. Gleichwohl führte Sie auf, zu welchem Betrag sie eine Beratung in Anspruch nehmen würde. Nach einigem Hin und Her einigten wir uns.

Nach diesen Einstiegsverhandlungen wunderte es mich am Ende des Beratungsgespräches schon, dass Sie selbst nicht auf die Idee kam, mit ihrem Arbeitgeber zu verhandeln. Der Arbeitgeber will doch was von ihr - die Unterschrift. Hierzu kann sie nicht gezwungen werden. Die Unterschriftleistung kann sie sich also "abkaufen" lassen. Über den "Kaufpreis" muss sie aber mit dem Arbeitgeber verhandeln.

Liebe Arbeitnehmer - ein Änderungsvertrag vom Arbeitgeber muss nicht unterschrieben werden. Zunächst bietet es sich an, den Vertrag zu prüfen und sodann evtl. nachzuverhandeln. Lassen Sie sich nicht "ins Bockshorn jagen".