Montag, 31. Januar 2011

Kinderpornographie und Lohnkürzung

Ungewöhnlich ist sie schon, die Pressemeldung des OVG Hamburg vom 31.01.2011, wonach ein beamteter Lehrer, welcher kinderpornographisches Material verbreitet habe und deshalb strafrechtlich verurteilt wurde, im Dienst belassen wird und befristet für 3 Jahre dessen Bezüge um 20 % abgesenkt werden.

Aber das Urteil (Az: 12 Bf 263/10.F) führt sehr detailluert aus, weshalb diese Entscheidung getroffen wurde.

nicht allen Ärzten geht es gut - Kurzarbeit in der Praxis

Diesen Eindruck gewinnt der Leser einer Entscheidung des Hessischen LSG vom 28.01.2011 (AZ: L 7 AL 80/0).

Ein Hautarzt aus Offenbach beantragte für Februar bis Juni 2004 die Zahlung von Kurzarbeitergeld für zwei Mitarbeiterinnen. Infolge des zum 1.1.2004 in Kraft getretenen Gesundheitsmodernisierungsgesetzes seien die Patientenzahlen massiv zurückgegangen. Hierdurch sei es zu einem Arbeitsausfall und einer verkürzten Arbeitszeit seiner Mitarbeiterinnen gekommen. Die Bundesagentur für Arbeit lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Arbeitsausfall beruhe nicht auf wirtschaftlichen Ursachen. Auch sei er nicht vorübergehend, da die Änderungen des Krankenversicherungsrechts auf eine langfristige Senkung der Gesundheitskosten gerichtet seien.

Die Richter beider Instanzen gaben der Bundesagentur Recht und wiesen die Klage ab. Bei den erforderlichen wirtschaftlichen Gründen für den Arbeitsausfall müsse es sich um konjunkturelle und strukturelle Störungen der Gesamtwirtschaftslage handeln. Nicht hierzu zählten gesetzliche Veränderungen im Gesundheitsrecht. Denn diese führten zu dauerhaften Veränderungen für die Leistungserbringung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und seien daher mit vorübergehenden konjunkturellen Schwankungen nicht vergleichbar. Außerdem seien - so die Darmstädter Richter - die sogenannten Fallzahlen in den dermatologischen Praxen lediglich im Januar 2004 signifikant zurückgegangen. Für diesen Zeitpunkt sei der Arbeitsausfall jedoch nicht angezeigt worden. Aufgrund der Entwicklung der Betriebseinnahmen des Arztes im Jahr 2004 könne ferner nicht von einem erheblichen Arbeitsausfall ausgegangen werden.

Zusammengefasst: Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld nach den §§ 169 SGB III bei erheblichem Arbeitsausfall, soweit dieser auf wirtschaftlichen Gründen beruht. Hiervon sei nicht auszugehen, wenn aufgrund gesetzlicher Änderung im Gesundheitsrecht die Patientenzahlen rückläufig seien.

Umsetzung auf niedriger bewertete Position zulässig

Eine Büroleiterin einer kleineren Verbandsgemeindeverwaltung darf ausnahmsweise auf den im Haushaltsplan niedriger bewerteten Dienstposten des Leiters der Ordnungs- und Sozialabteilung umgesetzt werden. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz am 18.01.2011 (2 A 11114/10.OVG).

Die Klägerin als Oberamtsrätin der Besoldungsgruppe A 13 nahm bei einer kleineren Verbandsgemeindeverwaltung die Stelle der Büroleitung wahr, welche als einziger Dienstposten im Stellenplan der Besoldungsgruppe A 13 zugewiesen ist. Nach grundlegenden Unstimmigkeiten mit der Bürgermeisterin wurde der Klägerin die Leitung der Ordnungs- und Sozialabteilung übertragen. Diese Stelle ist nur mit der Besoldungsgruppe A 12 bewertet. Das Verwaltungsgericht hat die Umsetzung aufgehoben. Die hiergegen von der Verbandsgemeinde eingelegte Berufung hatte Erfolg.

Die Klägerin habe keinen Anspruch, wieder mit der Stelle der Büroleitung betraut zu werden. Zwar müsse sie nach dem beamtenrechtlichen Grundsatz der amtsangemessenen Beschäftigung auf einem Dienstposten eingesetzt werden, der nach dem Stellenplan der Verbandsgemeinde ihrer Besoldungsgruppe entspreche. Dies sei bei der besoldungsmäßig niedriger bewerteten Leitung der Ordnungs- und Sozialabteilung nicht der Fall. Jedoch könne die Klägerin im vorliegenden Fall ausnahmsweise auf einen nach dem Stellenplan für sie nicht angemessenen Dienstposten umgesetzt werden. Denn wegen der geringen Größe der Verbandsgemeindeverwaltung stehe eine weitere mit ihrer Besoldungsgruppe bewertete Stelle nicht zur Verfügung. Außerdem sei die Büroleiterin die „rechte Hand“ der Bürgermeisterin. Deshalb müsse insoweit ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehen, um eine ordnungsgemäße Gemeindeverwaltung zu gewährleisten. Eine solche vertrauensvolle Zusammenarbeit sei aber nicht mehr möglich. Zudem wäre aufgrund des Aufgabenzuschnitts auch eine Bewertung der Leitung der Ordnungs- und Sozialabteilung nach A 13 noch vertretbar. Deshalb werde die Klägerin nur geringfügig unterwertig beschäftigt. Dies sei ihr im Hinblick auf die andernfalls drohende Beeinträchtigung der Gemeindeverwaltung zumutbar.

Freitag, 28. Januar 2011

Ob das gut geht oder wer hat jetzt den Ärger?

Der Südkurier berichtet am 28.01.2011 über eine Situation, die auch ich schon öfters erlebt habe vor dem Arbeitsgericht.

Ein Arbeitnehmer fehlt auffallend häufig dann arbeitsunfähig krank, wenn die Aufgaben überhand nehmen. Aufgrund der sich beschwerenden Mitarbeiter spricht der Arbeitgeber eine Kündigung wegen häufiger Kurzzeiterkrankung aus.

Der Arbeitnehmer hat -so stellt es sich im Gütetermin heraus - gute Chancen mit seiner Kündigungsschutzklage. Da sich die Streithähne vor dem Arbeitsgericht nicht auf eine Abfindungshöhe verständigen können, zieht der Arbeitgeber die Kündigung zurück.

Der Arbeitnehmer muss wieder zur Arbeit und der Arbeitgeber hat wieder einen motivierten Arbeitnehmer in der noch motivierteren Mitarbeitergruppe.

Als Anwalt stellt sich mir nun die Frage, wer jetzt den Ärger hat; der Arbeitnehmer, weil er wieder arbeiten muss, oder der Arbeitgeber, weil er die übrigen Mitarbeiter gegen sich hat?

Zeugnisüberblick

Ein Text der Zeit-Journalistin Tina Groll weist in lesenswerter Art und Weise in einem Artikel auf Probleme rund um das Arbeitszeugnis hin und zeigt beispielhaft den eigentlichen Inhalt von wohlklingenden Formulierungen.

Hickhack vor Gericht - Nichteinstellung trotz Schwangerschaft keine Diskriminierung

Eine Arbeitnehmerin war im Bereich „International Marketing“, dem der „Vicepresident“ E. vorstand, als eine von drei Abteilungsleitern beschäftigt. Im September 2005 wurde die Stelle des E. frei. Das Unternehmen besetzte diese Stelle mit einem Mann und nicht mit der damals schwangeren Arbeitnehmerin.

Diese begehrte nun vor Gericht die Zahlung einer Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts. Sie habe die Stelle wegen ihrer Schwangerschaft nicht erhalten. Bei der Bekanntgabe dieser Entscheidung sei sie auf ihre Schwangerschaft angesprochen worden. Das Unternehmen hingegen trägt vor, für die getroffene Auswahl sprächen sachliche Gründe.

Nun begann das Hickhack. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hatte sie zunächst abgewiesen. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Er hatte angenommen, die Klägerin habe Tatsachen vorgetragen, die ihre geschlechtsspezifische Benachteiligung nach § 611a Abs. 1 BGB (gültig bis 17. August 2006) vermuten lassen könnten. Bei seiner erneuten Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (12.02.2009 - 2 Sa 2070/08) nach Beweisaufnahme angenommen, dass auch die weiteren von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen keine Vermutung für eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts bei der Beförderungsentscheidung begründen. Es hat die Klage wiederum abgewiesen.

Auf die Revision der Klägerin hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 27. Januar 2011 - 8 AZR 483/09) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erneut aufgehoben und die Sache wieder zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, weil dem Landesarbeitsgericht bei der Tatsachenfeststellung und bei der Verneinung der Vermutung einer Benachteiligung der Klägerin Rechtsfehler unterlaufen sind.

Aber der Leitsatz der Pressemitteilung (11/11) ist von Interesse:

Bewirbt sich eine schwangere Arbeitnehmerin um eine Stelle und besetzt der Arbeitgeber, dem die Schwangerschaft bekannt ist, diese Stelle mit einem Mann, so hat die Arbeitnehmerin eine geschlechtsspezifische Benachteiligung dann glaubhaft gemacht, wenn sie außer der Schwangerschaft weitere Tatsachen vorträgt, welche eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen. An diesen weiteren Tatsachenvortrag sind keine strengen Anforderungen zu stellen.

Mithin führt die Nichteinstellung trotz Schwangerschaft nicht automatisch zu der Annahme einer Diskriminierung, vielmehr bedarf es weiterer Anhaltspunkte und Indizien, welche zunächst die Arbeitnehmerin vortragen muss.

Donnerstag, 27. Januar 2011

BRTV-Bau ist allgemeinverbindlich

Nachdem für den 23.03.2011 eine Verhandlung über die Frage einer wirksamen Allgemeinverbindlichkeit des BRTV-Bau angesetzt war, hat der daran zweifelnde Revisionsführer die Revision zurückgenommen, wie das Gericht am 26.01.2011 mitteilte.

Es verbleibt bei der Allgemeinverbindlichkeit.

Ach ja, es ging um Fahrtkostenerstattung.

Kunstbanausen auf der Richterbank?

Das könnte der Leser denken und liegt doch falsch. Der Schuster bleibt bei seinen Leisten - nichts anderes hat das Bundesarbeitsgericht am 27.01.2011 (2 AZR 9/10) entschieden.

Nach diesem Urteil - besser Pressemeldung - darf die Richterbank in einem Kündigungsschutzprozess eines Orchesterhornisten nicht beurteilen, ob die Entscheidung des Arbeitgebers zur Kündigung "musikalisch richtig" war.

Die zweideutige Wortwahl "musikalisch richtig" in der Pressemitteilung 12/11 zeugt von einer gewissen Ironie.

behindert oder schwerbehindert - das hat Folgen

Nach der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.01.2011 (8 AZR 580/09) können sich schwerbehinderte Menschen (und Gleichgestellte) auf die Regelungen des SGB IX berufen während zu Gunsten (nur) behinderter Menschen nicht das SGB IX, sondern das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) mit seinem Schutz gegen Diskriminierung greift.

Schade für die Klägerin in diesem Verfahren, dass sie sich nicht explizit auf das AGG berufen hat.

Mehr Rechte bei Betriebsübergang

Ein Arbeitnehmer, der nach Erhalt einer Kündigung vom früheren Arbeitgeber von einem Betriebserwerber die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses verlangt, weil dieser infolge des Betriebsübergangs sein neuer Arbeitgeber ist, hat die Fristen zu beachten, die er für einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses einzuhalten hätte.

Die Klägerin hatte seit knapp zehn Jahren ein Arbeitsverhältnis bei der V GmbH in Magdeburg. Die V GmbH führte in einem der Beklagten gehörenden Druckzentrum die „Kleinpaketfertigung“ durch, in der die Klägerin als Arbeiterin beschäftigt war. Die Beklagte kündigte die Verträge mit der V GmbH zum 31. März 2007 und übernahm ab 1. April 2007 die Kleinpaketfertigung in ihrem Druckzentrum „in Eigenregie“. Ab diesem Zeitpunkt setzte die Beklagte Mitarbeiter eines Leiharbeitsunternehmens bei der Kleinpaketfertigung ein; bei der V GmbH verbliebene Mitarbeiter erhielten zum Druckzentrum keinen Zutritt mehr. Nach Freistellung kündigte die V GmbH am 31. Juli 2007 das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristgerecht. Dagegen erhob die Klägerin drei Wochen später Kündigungsschutzklage und machte gegen die Beklagte geltend, wegen eines Betriebsübergangs am 1. April 2007 sei ihr Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt auf die Beklagte übergegangen und von dieser fortzusetzen.

Das Landesarbeitsgericht hatte dem Fortsetzungsverlangen der Klägerin entsprochen. Die Revision der Beklagten zum Bundesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg. Da zu Recht ein Betriebsteilübergang auf die Beklagte festgestellt wurde, muss diese das auf sie übergegangene Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fortsetzen. Der entsprechende Antrag der Klägerin war weder verfristet noch verwirkt. Über einen Betriebsübergang müssen Betriebsveräußerer bzw. Betriebserwerber die betroffenen Arbeitnehmer unterrichten, § 613a Abs. 5 BGB. Erfolgt eine solche Unterrichtung wie vorliegend überhaupt nicht, so beginnt weder die Monatsfrist des § 613a BGB Abs. 6 für den Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses zu laufen, noch eine Frist, binnen derer der Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegen den Betriebserwerber gerichtet werden muss. Allerdings können die entsprechenden Erklärungen unter Umständen verwirkt sein, wofür aber vorliegend keine Anhaltspunkte vorgetragen worden waren.

Karriereknick Elternzeit?

Nach einer Entscheidung des BAG vom 27.01.2011 (6 AZR 526/09) wirkt sich die Elternzeit hinsichtlich der Vergütung negativ aus, insbesondere bei Tarifverträgen mit Eingruppierung in Entgeltgruppen und Stufen, nach denen die nächsthöhere Stufe erst nach einem bestimmten Zeitablauf erreicht wird (z.B. TÖVD).

Die Klägerin begehrte eine Vergütung nach einer höheren Stufe, welche ihr jedoch verweigert wurde, da sie aufgrund des Ruhen des Arbeitsverhältnisses keine Erfahrung sammeln konnte, was der Hintergrund und Zweck der Höherstufung nach Zeitablauf sei.

Mittwoch, 26. Januar 2011

Schadensersatz für Videoüberwachung

Eine 24-jährige Arbeitnehmerin erhält Schadensersatz von ihrem Arbeitgeber, da deren Arbeitsplatz seit 2008 von einer Videokamera, welche den Eingangsbereich eines bundesweit tätigen Unternehmens überwachen sollte, erfasst hat. Die Summe beträgt 7.000,00 €. Dies entschied das LAG Hessen (26.01.2011 - 7 Sa 1586/09)

CGZP und das Folgeproblem Ausschlussfrist

Nachdem das Bundesarbeitsgericht feststellte, dass die CGZP nicht tariffähig ist, machen sich viele Leiharbeiter Hoffnung auf Nachzahlungen der Differenz zwischen der Vergütung der Leiharbeitsfirma und der Vergütung im Entleihbetrieb.

Doch regelmäßig taucht das Problem der Ausschlussfristen bzw. Verfallfristen auf. Kann ein Leiharbeiter nur die letzten 2 oder 3 Monate (oft im Tarifvertrag als Ausschlussfrist vereinbart) Vergütungsdifferenz geltend machen oder gar für die letzten drei Jahre? Im letzteren Fall kann es um Forderungen von mehreren 10.000 € gehen.

Einhellig dürfte in der Rechtsprechung die Feststellung sein, dass die Bestimmungen zu Ausschlussfristen im Tarifverträgen mit der CGZP nicht mehr anwendbar sind (aufgrund der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP und der darauf beruhenden Nichtigkeit der Tarifverträge).

Fehlt es an einer wirksamen Vereinbarung einer Ausschlussfrist im individuellen Arbeitsvertrag (mindestens 3 Monate) käme als Bestimmung einer Auschlussfrist nur noch ein Tarifvertrag im Betrieb des Entleihers in Betracht.

Dazu ist folgendes auszuführen. Der Zahlungsanspruch eines Leiharbeiters auf den gleichen Lohn wie den eines festen Mitarbeiter im Entleihbetrieb folgt aus § 10 IV AÜG.

Das LAG München hat in seiner Entscheidung vom 12.11.2009 (2 Sa 579/09) entschieden, dass der Tarifvertrag im Entleihbetrieb auch den Vergütungsanspruch des Leiharbeiters nach § 10 AÜG erfasst. Mithin soll hiernach die Ausschlussfrist im Tarifvertrag des Entleihbetriebes den Vergütungsanspruch des Leiharbeiters begrenzen. Begründet wird dies mit dem Gedanken, dass Leiharbeiter nicht besser gestellt werden dürfen wie die festen Mitarbeiter, auf welche die Ausschlussfrist Anwendung finde. Darüber hinaus sei die Ausschlussfrist eine wesentliche Vertragsbedingung im Sinne des § 10 AÜG.

Das ArbG Bielefeld (09.02.2010 - 5 Ca 2730/09) hingegen verneint die Anwendung der tarifvertraglichen Ausschlussklausel mit dem Argument, dass die Ausschlussklausel keine wesentliche Vertragsbedingung im Sinne des § 10 AÜG unter Berücksichtigung der Regelungen im § 2 I Nachweisgesetz sei (ein geschickter Schachzug des Arbeitsgerichtes). Ein Leiharbeiter würde auch nicht - entgegen der Aufassung des LAG München - bessergestellt. Vielmehr würde die Anwendung des Tarifvertrages des Entleihbetriebes mit der Ausschlussklausel zu einer Schlechterstellung führen, denn der Leiharbeiter hat regelmäßig keine Kenntnis von den Tarifbestimmungen im Entleihbetrieb und keine Veranlassung, mit Ausschlussfristen hieraus zu rechnen. Im weiteren käme ein entsprechender Schadensersatzanspruch zu Gunsten des Leiharbeitnehmers in Betracht

Nach dieser Ansicht steht einem Leiharbeiter die Vergütungsdifferenz von drei Jahren (Verjährungsfrist) zu oder noch mehr, denn die Verjährung beginnt erst mit Kenntnis.

Leiharbeiter sollten nicht vorschnell ihre Ansprüche beschränken oder gar Verzichtserklärungen abgeben, sondern genau prüfen, ob Auschlussfristen gelten und Anwendung finden, gegebenenfalls mit anwaltlichem Rat und Beistand.


Ergänzung vom 23.03.2011: Das Urteil des LAG München wurde am 23.03.2011 vom BAG aufgehoben.

Es kann nur einen Gewinner geben - Lotto lohnt sich nicht.

Lottospiel lohnt sich nur, wenn die wirklich großen Gewinne abgesahnt werden. Das gilt insbesondere für Leistungsempfänger von ALG II - Leistungen.

Das LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 13. 12. 2010 ‑ L 19 AS 77/09) entschied, dass der 500,- € Gewinn als Einkommen auf ALG II - Leistungen anzurechnen ist.

Sprich: vom Gewinn hatte der Leistungsempfänger nicht wirklich viel!

Dienstag, 25. Januar 2011

die geheime Akte bleibt zu

Das Bundesarbeitsgericht lies eine Revision eines Arbeitnehmers zu, der behauptete, dass sein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes eine "geheime Personalakte" über ihn führe. Er klagte - bislang erfolglos - auf Ergänzung der Personalakte um Schreiben des Arbeitgebers und Einsicht.

Da der Arbeitnehmer sich weiterhin für Tätigkeiten im öffentlichen Dienst bewerbe, stünden ihm die Ansprüche zu. Vor Artbeiztsgericht umnd Landesarbeitsgericht verlor der Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht lies die Revision (9 AZR 798/09) zu.

Doch nun kam am 21.01.2011 die Mitteilung, dass die Parteien sich verglichen haben. Damit bleibt die Existenz und der Inhalt der "geheimen Personalakte" geheim.

Montag, 24. Januar 2011

EUGH-Verfahren im Arbeitsrecht

Prof. Rolfs gibt auf beck.blog einen kleinen Überblick, über arbeitsrechtliche Probleme, welche der EUGH entscheiden muss.

Das will ich dem geneigten Leser und der geneigten Leserin nicht vorenthalten.

das hätte ins Auge gehen können - Kostentragung in I. Instanz vor dem Arbeitsgericht

Das Sächsische LAG entschied einen Streit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Hierbei geht es um den Grundsatz in arbeitsgerichtlichen Verfahren, dass in I. Instanz jede Partei ihre Kosten selbst trägt (§ 12 a ArbGG).

Zunächst stritten die Parteien wegen Überstunden. Im Berufungsverfahren schlossen sie einen Vergleich mit u.a. folgender Regelung:

3. Der Beklagte (=Arbeitgeber) übernimmt 1/13 der Kosten des Rechtsstreits
und der Kläger
(= Arbeitnehmer) trägt 12/13 der Kosten des
Rechtsstreits.


Somit hatte der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer einen hohen Kostenerstattungsanspruch. Doch erfasst dieser Kostenerstattungsanspruch auch die Kosten der I. Instanz?

Das Sächsische LAG meint in seiner Entscheidung vom 10.12.2010 (3 Sa 473/10), dass Parteien in einem Vergleich über die Kosten Vereinbarungenen treffen können. Hierbei können Sie auch von der gesetztlichen Regelung des § 12 a ArbGG abweichen und eine Kostenerstattung auch der Kosten in I. Instanz vereinbaren.

Jedoch bedarf es hierzu "hinreichender Deutlichkeit". Daran mangelte es in obiger Vergleichsregelung, da hieraus nicht hervorgeht, dass damit auch die Kostenerstattung für das erstinstanzliche Verfahren umfasst sein sollen.

Schlußendlich bekam der Arbeitnehmer Recht.

Sonntag, 23. Januar 2011

ein gekündigter Rabbi, der kein Rabbi war

Zum Sonntag berichtete der Kollege Reuter über ein arbeitsrechtliches Problem zwischen einer jüdischen Gemeinde und ihrem Rabbiner, oder besser beschrieben "Nicht-Rabbiner", welches zur fristlosen Kündigung führte.

Der beschriebene Sachverhalt zeigt, dass auch innerhalb religiöser Gruppen immer wieder Gerichte bemüßigt werden müssen.

Freitag, 21. Januar 2011

Die Neurodermitissalbe und die journalistische Unabhängigkeit vor dem Arbeitsgericht

Das Arbeitsgericht Köln musste eine Angelegenheit eines beim WDR angestellten Journalisten verhandeln, dem vom Arbeitgeber vorgewurfen wurde, dass dieser in eigener Sache PR mit einem Film betrieben habe und somit gegen die erforderliche journalistische Unabhängigkeit verstieß.

Der Redakteur hätte trotz bestehender Verträge mit Dritten zum Vertrieb noch einen Film zur Unterstützung einer Salbe gegen Neurodermitis und Schuppenflechte veröffentlicht und den WDR nicht darüber informiert.

Die hiermit begründete fristlose Kündigung hielt jedoch nicht vor dem Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 20.01.2011 - 6 Ca 4641/10).

ein Glimmstengel und eine fristlose Kündigung

Besteht ein Rauchverbot in einem Unternehmen, von dem der Arbeitnehmer Kenntnis hat, kann ein Verstoß hiergegen eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Auf eine Gefahrensituatuion kommt es nicht an. Auch eine vorherige Abmahnung ist nicht notwendig. Vielmehr stellt die Belehrung zum Rauchverbot die Warnfunktion einer Abmahnung dar, weshalb der rauchende Arbeitnehmer vor dem ArbG Krefeld (20.01.2011, 1 Ca 2401/10) verlor.

Zeit für ein paar Fragen zum Arbeitsrecht

Auf den Internetseiten der Wochenzeitung "Zeit" finden sich 10 interessante Fragen zu gängigen Klauseln in einem Arbeitsvertrag. Meiner Meinung nach setzt das schon einige Kenntnisses im Arbeitsrecht voraus.

Lust, das eigene Wissen zu Testen? Hier geht es zum Test.

Wer falsch liegt, sollte dringend einen Anwalt aufsuchen oder sich weiterbilden.

Donnerstag, 20. Januar 2011

Rückzahlung von Weiterbildungskosten - Arbeitnehmer verliert

Das wird Arbeitgeber freuen, die Entscheidung des BAG (19. Januar 2011 - 3 AZR 621/08).

Hiernach hält eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber übernommenen Kosten einer Weiterbildung zurückzahlen muss, wenn er auf eigenen Wunsch vor Abschluss der Weiterbildung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB regelmäßig stand, sofern die erfolgreiche Weiterbildung für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist.

Hätte er nur geschwiegen

Nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (Urteil vom 14.9.2010 - AZ 3 Sa 243/10) kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber in öffentlicher Sitzung des Kündigungsschutzverfahrens erklärt "er lüge wie gedruckt; wie er mit Menschen umgehe, da komme er - der Mitarbeiter – sich vor wie im Dritten Reich"

Stellt sich mir die Frage, ob das LAG dies auch dann mit diesem Ergebnis entschieden hätte, wenn es keine öffentliche Verhandlung gegeben hätte. Aber das ist mir im Arbeitsrecht noch nicht vorgekommen. Es verbleibt bei der Empfehlung: "Reden ist Silber und schweigen ist Gold"

Mittwoch, 19. Januar 2011

Vorsicht Ausgleichsklausel - weg war das 13. Gehalt

Ein Arbeitnehmer wehrte sich gegen eine fristlose Kündigung. Durch einen Prozessvergleich wurde das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2010 beendet. Im Vergleich heißt es auszugsweise:

„3. Die Beklagte wird – soweit noch nicht geschehen – die Arbeitsvergütung des Klägers für den Zeitraum 04.09.2009 bis 31. Januar 2010 ordnungsgemäß abrechnen unter Berücksichtigung der Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes sowie unter Berücksichtigung etwaiger Anspruchsübergänge auf Dritte gemäß § 115 SGB X und dementsprechend Zahlung an den Kläger leisten.

8. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass im übrigen beiderseits keinerlei Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis und im Zusammenhang mit diesem gleich aus welchem Rechtsgrund mehr bestehen oder geltend gemacht werden.“


Der Arbeitnehmer verlangt nun vom Arbeitgeber noch Zahlung von 1.532,02 € gemäß dem Tarifvertrag über die stufenweise Einführung eines 13. Monatseinkommens vom 2. September 2008.

Das LAG Berlin (Urteil vom 12.11.2010 - 6 Sa 1722/10) wies die Klage zurück mit dem Leitsatz: Regelt ein Prozessvergleich zur Beilegung eines Kündigungsschutzprozesses noch Ansprüche des Arbeitnehmers auf Arbeitsvergütung für die Dauer der Kündigungsfrist, wird ein in dieser Zeit fällig werdender Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung mit Mischcharakter von einer Ausgleichsklausel als negativem Schuldanerkenntnis erfasst.

privat krankenversicherte Leistungsempfänger bekommen mehr Geld

Nun gibt das Urteil des Bundessozialgericht (18. Januar 2011; B 4 AS 108/10 R) Rechtsklarheit. Die Sozialbehörden müssen Leistungsempfängern nach dem SGB II den gesamten Krankenversicherungsbeitrag bezahlen bzw. diesen übernehmen.

Alles andere wäre ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche garantierte Existenzminimum.

Für diese Klarstellung durch die Richter des Bundessozialgerichtes gehört dem klagenden Kollegen Dank.

Betroffene sollten nun handeln und gegebenenfalls für rückwirkende Zeiträume Überprüfungsanträge stellen.

mehr Urlaub für junge Menschen

Das LAG Düssseldorf (8 Sa 1274/10, Urteil vom 18.01.2011)musste über das Begehren einer 24jährigen Einzelhandelskauffrau entscheiden, welche bei einer Einzelhandelskette beschäftigt ist. Das Arbeitsverhältnis unterliegt dem Manteltarifvertrag Einzelhandel Nordrhein-Westfalen. Im Tarifvertrag ist der jährliche Urlaubsanspruch bei einer 6-Tage-Woche nach dem Lebensalter gestaffelt:

bis zum vollendeten 20. Lebensjahr 30 Urlaubstage
nach dem vollendeten 20. Lebensjahr 32 Urlaubstage
nach dem vollendeten 23. Lebensjahr 34 Urlaubstage
nach dem vollendeten 30. Lebensjahr 36 Urlaubstage


Das Landesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die Klägerin durch die tarifliche Urlaubsregelung wegen ihres Alters diskriminiert wird.

Die nach dem Alter unterscheidende Regelung ist nicht gemäß § 10 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerechtfertigt. Es fehlt an einem legitimen Ziel für diese Ungleichbehandlung. Damit stand der Einzelhandelskauffrau, der nach der tariflichen Regelung nur 34 Urlaubstage zuständen, wegen des Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung 36 Urlaubstage pro Jahr zu.

Einzelhandelskaufleute sollten also schauen, ob in den jeweiligen Tarifverträgen der Bundesländer sich gleiche Regelungen zum Urlaub finden.

Dienstag, 18. Januar 2011

Wird das eine neue Falle? Urlaubsabgeltungsansprüche und Ausgleichsquittung

Bereits mit einem Eintrag vom 19.10.2010 verwies ich auf eine interessante und bedeutende Rechtsansicht des Arbeitsgerichtes Chemnitz. Es ging um Urlaubsabgeltungsansprüche eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers und dem Verhältnis zu einer Ausgleichsquittung. Im Berufungsverfahren des Kündigungsschutzprozesses wurde ein Vergleich geschlossen mit der Klausel:

"Mit Erfüllung des vorliegenden gerichtlichen Vergleichs sind wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt,
gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt.“


Dennoch verfolgte der Arbeitnehmer in einer neuen Klage Urlaubsabgeltungsansprüche weiter unter Verweis darauf, dass eine Verfügung über Urlaubsabgeltungsansprüche nach § 13 BUrlG rechtsunwirksam sei und mithin die Vergleichsklausel die Urlaubsabgeltungsansprüche nicht umfasste.

Am 20.12.2010 erging das Urteil des Arbeitsgerichtes Chemnitz (11 Ca 2485/10) und darin findet sich folgende Ausführung zum gesetzlichen Mindesturlaub und dessen Verhältnis in einer Ausgleichsquittung:

"Aber auch der weitere Urlaubsabgeltungsanspruch, der sich aus ggf. nicht verfallenem gesetzlichem Mindesturlaub ergibt, ist durch wirksamen Verzicht erloschen.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 24. Marz 2009 (9 AZR 983/07- AP Nr. 39 zu § 7 BUrIG) die Surrogatstheorie fur den Fall der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums aufgegeben. Mit Urteil vom 04.05.2010 (9 AZR 183/09 – NZA 2010, 1011) hat das Bundesarbeitsgericht darüber hinaus betont, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als reiner Geldanspruch entsteht. Damit hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass der entstandene Urlaubsabgeltungsanspruch nicht mehr an dieselben Voraussetzungen gebunden ist wie der Urlaubsanspruch selbst. Die Unabdingbarkeit des Urlaubsanspruchs nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG ist jedoch nach bisheriger Rechtsprechung allein daraus abgeleitet worden, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch genauso zu behandeln sei wie der Urlaubsanspruch Nach Aufgabe dieser Rechtsprechung kann eine Unwirksamkeit des Verzichts jedenfalls nicht mehr daraus abgeleitet werden.

Verzichtsvereinbarungen hinsichtlich der Urlaubsabgeltung sind damit allenfalls nur dann noch unwirksam, wenn damit der Schutzzweck des § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrIG umgangen werden soll. Die Unabdingbarkeitsregelung hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs zielt darauf ab, einen Abkauf des Urlaubsanspruchs während des Arbeitsverhältnisses zu verhindern und dadurch sicherzustellen dass der Urlaub als Freistellungsanspruch erhalten bleibt.

Damit unvereinbar wäre ggf. nicht nur ein vertraglich vereinbarter Verzicht auf Teile des Urlaubsanspruchs während des Arbeitsverhältnisses, sondern auch ein bereits während des Bestands des Arbeitsverhältnisses vereinbarter Verzicht auf einen zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses künftig entstehenden Urlaubsanspruchs Da der Arbeitnehmer nicht berechtigt ist, den Urlaub ohne Erteilung durch den Arbeitgeber zu „nehmen“, hatte es der Arbeitgeber bei einer solchen Abrede im Wesentlichen in der Hand, den Urlaubsanspruch durch Nichterteilung des Urlaubs während des Laufes des Arbeitsverhältnisses zu vereiteln und gleichzeitig durch einseitiges Handeln die Bedingung für den Verzicht auf die Urlaubsabgeltung eintreten zu lassen. Ist der Urlaubsabgeltungsanspruch jedoch wegen Nichterteilung des Urlaubs im Laufe des Arbeitsverhältnisses als Geldanspruch entstanden, so kann er ohnehin nicht mehr durch tatsächliche Freistellung von der Arbeit realisiert werden. Eine Umgehung des § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrIG ist nicht mehr möglich. Entsprechend kann nach dem Entstehen des Abgeltungsanspruchs ohne weiteres darüber disponiert werden."


Derzeit überlegt der Arbeitnehmer, ob er gegen die Entscheidung in Berufung geht zum Sächsischen Landesarbeitsgericht.

Hü und Hott - zur Notwendigkeit eines Fortsetzungsantrages für SGB II - Leistungen

Leistungen nach dem SGB II werden regelmäßig nur für 6 Monate bewilligt (§ 41 SGB II). Ob für einen weiteren Leistungsbezug ein Fortsetzungsantrag gestellt werden muss und wann dieser der Leistungsbehörde vorliegen muss, hat das Bundessozialgericht nun entschieden.

Das Bundessozialgerichts (dessen 4. Senat) hat am 18. Januar 2011 (B 4 AS 99/10 R und 29/10 R) entschieden, dass für die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunter­halts nach dem SGB II nach der Beendigung des Bewilligungsabschnitts ein Fortzahlungsantrag erforderlich ist.

Die Kläger des Verfahrens (B 4 AS 99/10 R) stellten ihren Antrag auf Fortzahlung der Leistungen erst 3 1/2 Wochen nach Ablauf des vorangegangenen Bewilligungszeitraums. Die Entscheidung des Beklagten, ihnen auch erst ab dem Eingang des Fortzahlungsantrags Leistungen zur Sicherung des Lebens­unterhalts weiter zu gewähren, hat das Bundessozialgericht ‑ ebenso wie die Vorinstanzen ‑ bestätigt.

Für die 3 1/2wöchige Zwischenzeit mangelte es an einem Antrag, der im Grundsicherungs­recht für Arbeitsuchende anspruchsauslösend (§ 37 SGB II) ist. Anders als im Sozialhilferecht reicht insoweit nicht schon die bloße Kenntnis des Leistungsträgers von der Hilfebedürftigkeit. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte nicht gewährt werden. Ebenso half ein behaupteter Anspruch auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs den Klägern nicht weiter, denn der Beklagte hatte die Kläger zeitnah vor Ablauf des vorangegangenen Bewilligungszeitraums auf das Antragserfordernis hingewiesen und einen entsprechenden Antrag übersandt.

In dem Fall zum Aktenzeichen B 4 AS 29/10 R war die Ausgangssituation insoweit anders, als der Kläger, der durchgehend seit dem 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II bezog, nach dem ersten Bewilligungsabschnitt ohne einen Fortzahlungsantrag gestellt zu haben von dem Beklagten weiterhin Leistungen erhalten hatte. Der Beklagte hatte in dem Weiterbewilligungsbescheid auch nur darauf hingewiesen, dass ein Fortzahlungsantrag rechtzeitig vor Ablauf des Bewilligungsabschnitts (vier Wochen) gestellt werden müsse. Den Fortzahlungsantrag für den dritten Bewilligungszeitraum stellte der Kläger dann erst rund sechs Wochen nach Ablauf des zweiten Bewilligungszeitraums und der Beklagte gewährte Leistungen auch in diesem Fall erst ab Eingang des Fortzahlungsantrags. Das Bundessozialgericht gab hier dem Kläger Recht. Zwar mangelt es auch hier für den Zwischenzeit­raum an einem Fortzahlungsantrag, aber hier bestand ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des Klägers, weil der Beklagte es pflichtwidrig unterlassen hat, den Kläger zeitnah vor dem Ende des vorhergehenden Bewilligungsabschnitts auf die Notwen­digkeit der Weiterbeantragung von Leistungen hinzuweisen.

Diese Hinweispflicht ergibt sich aus dem Sozialrechtsverhältnis, begründet durch die Leistungsgewährung im vorhergehenden Bewil­ligungsabschnitt, sowie aus der konkreten Fallkonstellation, in der dem Kläger bereits einmal Leistun­gen ohne Fortzahlungsantrag weitergewährt worden waren.

Montag, 17. Januar 2011

kein Darlehen für Stromschulden - kein warmes Essen für Kinder

Eine Leistungsempfängerin hat bei sozialwidrigem Verhalten keinen Anspruch auf ein Darlehen zum Ausgleich von Stromschulden.

Dies entschied das LSG Rheinland-Pfalz am 27.12.2010 (L 3 AS 557/10 B ER).

Die wichtigsten Auszüge aus dem Urteil lauten dabei wie folgt:

Dabei kann es insbesondere darauf ankommen, ob sich der Leistungsberechtigte missbräuchlich verhalten hat. Dies ist im Regelfall zu bejahen, wenn der Hilfesuchende seine Energiekostenvorauszahlungen bewusst nicht leistet und sein Verhalten darauf schließen lässt, dass er auf eine darlehensweise Übernahme entstehender Schulden durch den Leistungsträger vertraut oder gar spekuliert. In einem solchen Fall wird die Notlage gezielt zu Lasten des Leistungsträgers herbeigeführt. Dies kann jedoch nicht hingenommen werden (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.06.2010, L 13 AS 147/10 B). ...

Das Verhalten der Antragstellerin zu 1) spricht dafür, dass sie die Abschläge bewusst im Vertrauen darauf nicht erbracht hat, dass diese möglicherweise später darlehensweise vom Antragsgegner übernommen werden. ...

Wie oben dargelegt, ist die Wohnung weiterhin beheizbar, auch warmes Wasser ist vorhanden. Einschränkungen bei der alltäglichen Versorgung ergeben sich im Wesentlichen wegen der fehlenden Beleuchtung, fehlender Kochmöglichkeiten und der Nutzung von Haushaltsgeräten, wie etwa einer Waschmaschine. Aber auch dies führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine ausreichende Ernährung von Kindern außerhalb des Säuglings- oder Kleinkinderalters von 9, 15 und 16 Jahre kann auch ohne warme Mahlzeiten – zumindest für eine Übergangszeit - sichergestellt werden, zumal die Antragstellerin zu 1) selbst vorgetragen hat, dass diese nicht gefährdet ist. Körperpflege und Reinigung von Kleidern und Geschirr ist ebenfalls möglich, denn warmes Wasser ist vorhanden. Erschwernisse, die sich dadurch ergeben, dass eine Wasch- und ggf. Spülmaschine nicht benutzt werden kann, sind bei der selbst herbeigeführten Notsituation hinzunehmen.

Auch Richter dürfen sich moderner Technik nicht entziehen

Nach einer Entscheidung des OLG Hamm (1 DGH 2/08) stellte es einen Verstoß gegen die richterliche Unabhängigkeit dar, wenn die Justizverwaltung sich weigerte, einem Richter - der einen Computer nicht nutzen wollte - die elektronisch eingereichten Registerinformationen in ausgedruckter Form vorzulegen.

Dem hat nun der Bundesgerichtshof mit Entscheidung vom 21.10.2010 (RiZ (R) 5/09) widersprochen. Der Richter ist nun wohl gehalten, sich dem Zauberwerk Computer zu widmen.

Freitag, 14. Januar 2011

Streik in kirchlichen Einrichtungen nicht ausnahmslos unzulässig

Es herrscht die weitverbreitete Ansicht, dass aufgrund des "Dritten Weges" mittels Arbeitskommission an kirchlichen Einrichtungen kein Streikrecht besteht.

Das LAG Hamm (8 Sa 788/10) hat am 13.01.2011 in einer Entscheidung festgestellt, dass ein solches Streikverbot nicht ausnahmslos gilt, mithin unter bestimmten Voraussetzungen auch an kirchlichen oder diakonischen Einrichtungen gestreikt werden kann.

Insbesondere dann sollte ein Streikrecht bestehen, wenn es um Aufgaben und Tätigkeiten geht, welche auch auf nichtkirchliche Einrichtungen ausgelagert werden könnten, wie z.B. Krankenhausküche und Reinigungsdienst.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Selbstbeschreibung als Verstoß gegen AGG

Die Selbstbeschreibung in einer Stellenanzeige eines Unternehmens mit "junges, erfolgreiches Team" stellt ein Indiz für einen Verstoß gegen die Vorschriften des AGG dar, mithin eine unzulässige Diskriminierung.

Dies meint zumindest das LAG Hamburg (Urteil vom 23.06.2010, 5 Sa 14/10).

Bemerkenswert ist dabei, dass sich das Gericht auch mit der Frage auseinandersetzen musste, ob es sich bei dem Arbeitnehmer um einen AGG-Hopper (der mißbräuchlich sich bewusst auf unzulässige Anzeigen bewirbt). Trotz Verdachtsgründe sprach das LAG dem Abeitnehmer Schadensersatz zu.

Zu merken ist der Leitsatz: Das Merkmal "junges Team" in einer Stellenanzeige stellt auch dann, wenn es unter der Überschrift "Wir bieten Ihnen" erfolgt, einen Verstoß gegen §§ 7, 11 AGG dar und kann wegen Altersdiskriminierung einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG auslösen.

Geld verdienen mit Kartenlegen

Dies ist doch auch mal ein Gedanke, um sich Geld zu verdienen ohne sich den Rücken wirklich krumm zu machen.

Und lukrativ muss es nach einer Pressemitteilung des BGH (05/2011) auch sein. Immerhin hat die Kartenlegerin von einem Kunden in einem Jahr mehr als 35.000 € als Lohn für ihre Dienste erhalten.

Offen lies der BGH, ob die Vereinbarung einer solchen Vergütung sittenwidrig ist.

eine temporäre Bedarfsgemeinschaft - Kinder haben Anspruch auf eigenes Zimmer ...

selbst wenn sie nur im Rahmen eines Umgangsrechtes regelmäßig über ein Wochenende im Haushalt leben.

Ein allein lebender und langzeitarbeitsloser Vater einer Tochter, mit der er regelmäßig Umgang hat(alle 14 Tage) lebt in einer 40 m² Wohnung. Da die Tochter über das Wochende meist bei ihm wohnt und es dadurch eng wurde, beantragte er die Zusicherung der Übernahme der Kosten einer 64 m² Wohnung.

Das Jobcenter lehnte dies ab, scheiterte damit aber vor dem Sozialgericht Dortmund (PM vom 12.01.2011). Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung wurde das Jobcenter zum Erlass einer Zusicherung verpflichtet.

Nach Ansicht des SG Dortmund sei der Umzug in die größere Wohnung erforderlich und die Aufwendungen für die neue Unterkunft mit einer Kaltmiete von 259,89 Euro seien angemessen. Es handele sich bei dem Antragsteller und seiner Tochter um eine temporäre Bedarfsgemeinschaft, für die eine Wohnung von 40qm zu klein sei. Dies gelte umso mehr, als es sich um einen Vater und eine elfjährige Tochter handele, die ein zumindest kleines eigenes Zimmer benötige. Die Kaltmiete der neuen Wohnung liege nur geringfügig über dem in Dortmund für eine Person angemessenen Mietzins (246,28 Euro). Der Mehrbetrag von 13,61 Euro entspreche rechnerisch einer zusätzlichen Fläche von 2,6 qm und sei angemessen, um eine dem Kindeswohl Rechnung tragende Ausgestaltung des Umgangsrechts zu gewährleisten.

Die Eilbedürftigkeit zum Erlass der einstweiligen Anordnung wurde damit begründet, dass die Zusicherung der Kostenübernahme auf ein konkretes Wohnungsangebot begrenzt sei und dieses nicht für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens aufrecht erhalten werde. Die streitgegenständliche größere Wohnung sei nur bis zum 31.12.2010 reserviert und könne ab dem 01.01.2011 gemietet werden.

führende Mitarbeiter von Mc Donalds müssen Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge leisten

Die Mitglieder des board of directors (BoD) von Mc Donalds müssen nach der Entscheidung des Bundessozialgericht vom 12.01.2011 Versicherungsbeiträge in die Renten- und Arbeitslosenversicherung bezahlen.

Die Mitglieder des board of directors meinten, dass aufgrund der Struktur und wirtschaftlichen Stärke der Gesellschaft sie sozial ebenso wenig schutzbedürftig seien wie Vorstandsmitglieder einer deutschen Aktiengesellschaft und deshalb von der Arbeitslosen- und Rentenversicherung zu befreien wären.

2 der Kläger unterlagen nach den Feststellungen des BSG als Beschäftigte der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung. Von der Versicherungspflicht sind sie auch nicht mit Rücksicht auf ihre Berufung zum Mitglied des BoD ausgenommen (der andere Kläger war das Mc Donalds-Unternehmen selbst).

keine gute Arbeit der Einigungsstelle

Wenn eine Einigungsstelle in einer Auseinandersetzung zwischen Unternehmen und Betriebsrat tätig wird, sollte diese genauestens arbeiten. Andernffalls kann es zu solchen Entscheidungen kommen, wie die des Bundesarbeitsgerichtes (PM 01/2011).

In der Sache ging es um die Unterweisung von Arbeitnehmern in Arbeits- und Gesundheitsschutz. Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt einer Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Hierbei hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsanalyse (§ 5 ArbSchG) zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann sich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen.

Dies hat die Einigungsstelle nicht beachtet, weshalb nach Entscheidung der Gerichte der Teilspruch unwirksam war.

BH ist Pflicht, lange Fingernägel aber verboten

In einer Gesamtbetriebsvereinbarung eines Unternehmens, das an
Flughäfen Fluggastkontrollen vornimmt standen einige Vorschriften zum äusseren Erscheinungsbild der Mitarbeiter. Unter anderem hieß es darin:

§ 2 Ziffer 8 "Unterwäsche"
Das Tragen von BHs, Bustiers, bzw. eines Unterhemdes ist vorgeschrieben.
Diese Unterwäsche ist in weiß oder in Hautfarbe ohne Muster/Beschriftungen/ Embleme, etc. zu tragen bzw. anders farbige Unterwäsche darf in keiner Form durchscheinen.
Unter der Bluse ist auch ein weißes T-Shirt, ebenfalls ohne Muster/Beschriftungen/ Embleme, etc. gestattet.
Zur Beinbekleidung sind Feinstrumpfhosen in neutraler Hautfarbe, dunkelblau oder schwarz zu tragen. Socken in den gleichen Farben wie die Feinstrumpfhosen sind lediglich zur Hose zu tragen.
Feinstrumpfhosen sowie Socken dürfen keinerlei Muster, Nähte oder Laufmaschen aufweisen.
Grundsätzlich sind immer Feinstrumpfhosen oder Socken als Beinbekleidung zu tragen.
§ 2 Ziffer 9 h):
"Fingernägel (Länge und Farbe) sind jederzeit gepflegt zu halten; sie sind einfarbig und in maximaler Länge von 0,5 cm über der Fingerkuppe zu tragen."
§ 3 Ziffer 7 "Unterwäsche für männliche Beschäftigte":
Ein Unterhemd ist jederzeit zu tragen.
Diese Unterwäsche ist in weiß oder in Hautfarbe ohne Muster/Beschriftungen/ Embleme, etc. zu tragen, bzw. anderfarbige Unterwäsche darf in keiner Form durchscheinen.
Es ist als Ersatz zum Unterhemd ebenfalls ein weißes T-Shirt ohne Muster und ohne Aufdruck gestattet.
Bei 1/2-Arm Diensthemden ist darauf zu achten, dass T-Shirt Ärmel nicht länger als die Hemdsärmel sind.
Grundsätzlich sind Socken (ausschließlich in den Farben schwarz oder dunkelblau ohne Muster zu tragen.
§ 3 Ziff. 9 "Frisur, Bart und Make-Up"
Grundsätzlich sind Haare immer sauber, niemals ungewaschen oder fettig wirkend zu tragen.
Eine gründliche Komplettgesichtsrasur bei Dienstantritt ist Voraussetzung; alternativ ist ein gepflegter Bart gestattet.
Bei Haarfärbungen sind lediglich natürlich wirkende Farben gestattet.
Das Tragen von künstlichen Haaren oder Einflechtungen ist grundsätzlich nicht gestattet, wenn es die Natürlichkeit der Haarpracht beeinträchtigt.


Der Betriebsrat hielt einige Bestimmungen für unwirksam wegen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts.

Das LAG Köln (Beschluss vom 18.08.2010 - 3 TaBV 15/10) folgte dem Betriebsrat hinsichtlich der Färbung der Haare in natürlichen Farben und der Einfarbigkeit der Fingernägel.

Die anderen Bestimmungen und Vorschriften waren jedoch wirksam, weil diese keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Pesönlichkeitsrecht darstellen würden.

ein Zuhälter im öffentlichen Dienst

Ein im öffentlichen Dienst einer Stadt tätiger Strassenbauarbeiter verdiente - seiner Ansicht nach - so wenig Geld, dass der Verdacht aufkam, dass er nebenbei der Zuhälterei nachging. Er wurde deswegen auch strefrechtlich verurteilt. Die Stadt wollte das nicht hinnehmen und erteilte dem Strassenbauarbeiter eine fristlose Kündigung. Der Strassenbauarbeier wehrte sich gerichtlich dagegen.

die Sache ging bis zum Bundesarbeitsgericht. Dieses wies die Kündigungsschutzklage zurück mit Entscheidung vom 28.10.2010, 2 AZR 293/09.

Zwar betrifft der Vorwurf der Zuhälterei das ausserdienstliche Verhalten des Strassenbauarbeiters, was die Kündigung nicht rechtfertigen würde, jedoch wurde durch den Strassenbauarbeiter ein Zusammenhang zum Dienstverhältnis durch sein Motiv gezogen - dem möglichen Nebenverdienst, weil die Tätigkeit für die Stadt zu wenig Geld einbrachte.

Im Urteil heißt es u.a. dazu:

Der Kläger hat die Beklagte mit seiner Tat in Beziehung gebracht. Durch seine - auch in der Presse wiedergegebenen - Äußerungen im Strafverfahren hat er eine Verbindung zwischen seiner angeblich zu geringen Vergütung durch die Beklagte und seinem Tatmotiv hergestellt. Auf diese Weise hat er die Beklagte für sein strafbares Tun „mitverantwortlich“ gemacht. Er hat damit deren Integritätsinteresse erheblich verletzt. Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der in besonderem Maße an Recht und Gesetz gebunden ist und in dieser Hinsicht einer besonders kritischen Beobachtung durch die Öffentlichkeit unterliegt, hat ein berechtigtes und gesteigertes Interesse daran, in keinerlei - und sei es auch abwegigen - Zusammenhang mit Straftaten seiner Bediensteten in Verbindung gebracht zu werden.

Dienstag, 11. Januar 2011

Was hat Urlaub mit Erbrecht zu tun?

Neuerdings gilt auch im Erbfall, dass arbeitsrechtliche Ansprüche vom Erben zu prüfen sind, denn nach einer Entscheidung des LAG Hamm vom 22.04.2010 (16 Sa 1502/09) sind Urlaubsansprüche vererbbar.

Im Leitsatz heißt es:

Aus der geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Urlaubsab-geltungsanspruch des langandauernd arbeitsunfähigen Arbeitnehmers folgt die Vererblichkeit des Abgeltungsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers.

Vertragsstrafenklausel - na dann ist ja alles sicher

... oder doch nicht?

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 23.9.2010, 8 AZR 897/08) entschied über eine Vertragsstrafenklausel mit folgendem Inhalt.

Vertragsstrafe

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, eine Vertragsstrafe in Höhe einer regelmäßigen Bruttomonatsvergütung (ohne Überstunden- und sonstige Zuschläge) zu zahlen, wenn er das Anstellungsverhältnis rechtswidrig nicht aufnimmt oder vertragswidrig vorzeitig beendet. Das gleiche gilt, wenn das Anstellungsverhältnis durch außerordentliche Kündigung durch die Firma beendet wird, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für diese Kündigung gesetzt hat. Die Firma ist berechtigt, einen weitergehenden Schadenersatzanspruch geltend zu machen.“


Klingt nicht schlecht. Aber die Klausel im Arbeitsvertrag greift nicht, denn die Vertragsstrafe mit einer Bruttomonatsvergütung ist unangemessen hoch, wenn eine Kündigung in der Probezeit innerhalb 14 Tage möglich ist. Dabei spielt es keine Rolle, wenn nach Ablauf der Probezeit die Kündigungsfrst wesentlich länger ist.

Nach den Grundsätzen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen war die gesamte Klausel unwirksam.

Arbeitgeber müssen also bei der Vertragsgestaltung aufzupassen und Arbeitnehmer sollten die Arbeitsverträge prüfen.

Freitag, 7. Januar 2011

Kündigungsfristen für Arbeitnehmer - wenn der Arbeitgeber keine Ahnung hat oder so tut

Aus einem Betrieb sind in letzter Zeit viele Arbeitnehmer ausgeschieden. Nun begehrte dies auch meine Mandantin, welche seit über 15 Jahren im Betrieb beschäftigt war und kündigte das Arbeitsverhältnis mit Monatsfrist.

Der Arbeitgeber bestellte Sie zum Personalgespräch vor und bedrang sie, das die Kündigungsfrist mindestens 5 Monate betrage und er brauche sie doch im Betrieb. Zugleich bot er ihr eine Lohnerhöhung an. Doch die Arbeitnehmerin will raus. Nun versteift sich der Arbeitgeber auf Drohung und möchte Schadensersatz usw. usf..

Es nützt alles nichts. Nach Durchsicht des Arbeitsvertrages war klar, dass die Arbeitnehmerin Recht hat. Der Verweis auf gesetzliche Kündigungsfristen verweist auf § 622 BGB.

Nach dessen Absatz 2 verlängert sich mit zunehmender Beschäftigungsdauer die Kündigungsfrist für Kündigungen, welche ein Arbeitgeber ausspricht. Für Arbeitnehmer verbleibt es bei Absatz 1 mit einer 4-wöchigen Kündigungsfrist bis zum 15. oder Ende eines Monats.

Will ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer länger an sich binden (mit entsprechenden Kostenrisiken) kann und muss dies eindeutig im Arbeitsvertrag geregelt werden.

Donnerstag, 6. Januar 2011

Mail öffnen, ansehen und dann dienstunfähig - "die Sexmail"

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf musste einen skurrilen Sachverhalt entscheiden. Schon die Leitsätze lassen es ahnen:

1. Das Öffnen einer E-Mail und eines Dateianhangs, die ihm im Dienst auf dienstlichen Computern von seinem Vorgesetzten geschickt worden war, durch einen Polizisten ist ein plötzliches, auf äußerer Einwirkung beruhendes, in zeitlicher und örtlicher Hinsicht bestimmbares Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist.

2. Eine psychische Erkrankung kann ein Körperschaden i.S.d. § 31 Absatz 1 BeamtVG sein.

3. Einzelfall, in dem das Gericht aufgrund eines Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis kam, dass bei dem Beamten durch eine ihm durch seinen Vorgesetzten zugesandte E-Mail mit Dateinanhang sexuellen Inhalts, die in einer abstoßenden Bilddarstellung weiblicher Geschlechtsorgane gipfelte, eine Zwangsstörung mit vorwiegend Zwangsgedanken (ICD 10: F 42.0) wesentlich verursacht worden ist.

Neugier geweckt. Dann gibt es hier das Urteil zum selber lesen und Gedanken machen.

Grobe Fahrlässigkeit mittels einfachem Brief?

Nach einer Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29. Oktober 2010, Aktenzeichen: L 1 AL 49/09) haben Leistungsempfänger auch dann eine Chance gegen Rückforderungsbescheide, wenn Meldungen oder Veränderungsanzeigen nicht in der Behördenakte liegen.

Grundsätzlich sind Empfänger von Sozialleistungen verpflichtet, leistungsrelevante Änderungen den Ämtern anzuzeigen. In dem vom Landessozialgericht zu entscheidenden Fall, hatte ein Empfänger per einfachen Postbrief der Behörde mitgeteilt, dass wieder ein Umzug in den Haushalt der Eltern erfolgte. Die Tatsache des Umzuges führte nach dem Gesetz zum Wegfall der Leistungen. Weil die Behörde das Schreiben des Empfängers nicht erhalten hat und erst später vom Umzug erfuhr, forderte sie zwischenzeitlich ausgezahlte Leistungen zurück.

Die Übersendung der Veränderungsmitteilung sei grob fahrlässig nur per einfachem Brief erfolgt, weshalb die Rückforderung rechtmäßig sei.

Das LSG widersprach dem: Die Übersendung von Veränderungsmitteilungen mit einfachem Brief ist grundsätzlich nicht grob fahrlässig.

Eine rückwirkende Aufhebung wäre im konkreten Fall nur rechtmäßig gewesen, wenn eine Mitteilungspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden wäre (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Da keine gesetzliche Verpflichtung zur Übersendung per Einschreiben oder in ähnlich gesicherter Weise bestand und auch die Behörde regelmäßig Bescheide mit einfachem Brief übersandte, konnte eine grobe Fahrlässigkeit nicht festgestellt werden. Auch eine Pflicht zur Erkundigung, ob bestimmte Schreiben angekommen sind, besteht nicht generell, sondern nur wenn besondere Umstände des Einzelfalles dies gebieten (etwa wenn Anhaltspunkte für den fehlenden Zugang bestehen oder die Behörde zur Übersendung in einer bestimmten Form aufforderte).

Dienstag, 4. Januar 2011

Was sucht die Stasi in der Bettenwelt?

In der Firma Bettenwelt in Homberg/Efze fand eine Überwachungsmaßnahme durch den Arbeitgeber statt, was der Betriebsrat mit Stasi-Methoden verglich.

Dieser Vergleich mit der Stasi wurmte den Arbeitgeber und er sah einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung der Betriebsratsmitglieder. Die Betroffenen legten Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht ein.

Das zuständige Arbeitsgericht in Kassel hat im Dezember 2010 das vierte Kündigungsschutzverfahren abgeschlossen. Alle endeten mit der Feststellung, dass die Kündigungen unwirksam sind. Klar, dass der Arbeitgeber sich damit nicht zufrieden zeigt und ankündigt, hiergegen Rechtsmittel einzulegen.

Abhörsicherer Betriebsrat

Ein Betriebsrat hat weder einen Anspruch auf ein Festnetztelefon noch auf einen abhörsicheren Raum, wie das Arbeitsgericht Frankfurt/Main am 29.12.2010 (Aktenzeichen: 7 BVGa 637/10) entschied.

Soweit einem Betriebsrat Mobiltelefone zur Verfügung stehen, sind sie erreichbar und haben keinen Anspruch auf ein Festnetztelefon.

Auch abhörsicheres Büro sind keine Selbstsverständlichkeit, so die Richter. Sie wiesen damit im Eilverfahren den Antrag eines Betriebsrates gegen ein Sicherheitsunternehmen am Frankfurter Flughafen zurück.

Den Betriebsrat störte, dass es in dem ihm zugewiesenen Büro nur ein Mobiltelefon gab. Außerdem sei der Raum zu klein für Sitzungen des Betriebsrates. Das Zimmer sei zudem nicht bei den Arbeitnehmern vor Ort, sondern in der Firmenzentrale in der Stadt. Vor Gericht verlangte der Betriebsrat darüber hinaus abhörsichere Räume.

Die Richter lehnten das mit folgender Begründung ab. Das Büro sei für die Arbeitnehmer mit der S-Bahn zu erreichen, ebenso der Betriebsratsvorsitzende auf seinem Mobiltelefon. Warum der Raum auch noch abhörsicher sein sollte, sei nicht ausreichend begründet worden.

Montag, 3. Januar 2011

wie schwer ist eine Anwaltsakte im Durchschnitt?

Nach dem Vortrag einer Berliner Anwaltskanzlei in einem Gerichtsverfahren wohl 10 kg.

Mit Verweis auf dieses durchschnittliche Gewicht wollte sich die Kanzlei ein erleichtertes Parken vor Gerichtsgebäuden erstreiten, scheiterte damit jedoch am VG Berlin (Pressemeldung 61/2010).

Es ist davcon auszugehen, dass es nur die Gewichtsklasse der Akten bei Amts- und Landgerichtsverfahren betrifft. Welches durchschnitliche Gewicht Akten in Arbeitsgerichtsverfahren haben ist noch zu ermitteln.

Mißbrauch von Bonuspunkten - Abmahnung vor Kündigung erforderlich?

Ein seit ca. 2 Jahren in einem Tankstellenbetrieb beschäftigter Arbeitnehmer hat Bonusregelungen nicht beachtet. Der Tankstellenbetrieb nahm an einem EDV-unterstützten Punkteprogramm teil, das es Kunden ermöglichte, für ihren Benzineinkauf Punkte auf ihrer Kundenkarte zu sammeln. Der Arbeitnehmer verbuchte während einer Schicht in drei Fällen Umsätze von Kunden, die getankt und nicht an dem Programm teilgenommen hatten, in Höhe insgesamt ca. € 230,00 auf die Kundenkarte eines seiner Kollegen.

Nachdem der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erlangt hatte, sprach er eine fristlose hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Der Mitarbeiter erhob daraufhin Kündigungsschutzklage und vertrat die Ansicht, er habe aus Unkenntnis allenfalls einen Fehler gemacht, nicht aber in Kenntnis eines Verbotes sich über dasselbige hinweggesetzt. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass zu Zeiten des Bonussystems in Gestalt der Klebemarken diese jederzeit an Dritte weitergegeben werden konnten.

Das Verfahren landete vor den Hesseischen Arbeitsgerichten. Das Arbeitsgericht Frankfurt/Main gab dem klagenden Arbeitnehmer recht. Das Hessische Landesarbeitsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil mit Entscheidung vom 04.08.2010 (2 Sa 422/10).

Zwar sei der Mißbrauch des Bonussystems ein Bruch des Arbeitsvertrages durch den Arbeitnehmer, allerdings bedurfte es einer Abmahnung, bevor eine Kündigung berechtigt gewesen wäre. Der Hinweis auf ein dem Arbeitnehmer überlassenes mehr als 30-seitigen Bedienerhandbuch stelle keinen ausreichenden Hinweis dar und ersetzte mithin nicht eine Abmahnung.

Nch Ansicht des Landesarbeitsgerichtes wäre es dem Arbeitgeber ein leichtes gewesen, jedem Mitarbeiter auf einem Merkblatt eindeutig auf die Unzulässigkeit der Buchung fremder Kundengeschäfte hinzuweisen. Wäre dies erfolgt, hätte es keiner Abmahnung bedurft und die Kündigung hätte gehalten.

Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verfassungsgemäß

Mit der Einführung der SGB II - Regelungen lief mit Ende 2004 auch das Recht auf Arbeitslosenhilfe aus. Da diese Arbeitslosenhilfe anders berechnet und an andere Voraussetzungen geknüpft war als die gegenwärtige Regelungen, verschlechterte sich für einige die Rechtsposition.

Nun musste das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verfassungsgemäß war. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigte dies mit Beschluss vom 07.12.2010 (Pressemeldung 120/10).

Samstag, 1. Januar 2011

Verstoß gegen Menschenrechte mittels Kündigung ...

... ohne vorherige Anhörung des Arbeitnehmers. Das meint zumindest die 2. Kammer des Arbeitsgerichtes Gelsenkirchen.

In einer Entscheidung vom 17.03.2010 (Az: 2 Ca 319/10) entschied das Arbeitgericht, dass vor Ausspruch einer Kündigung zwingend der betroffene Arbeitnehmer anzuhören ist. Erfolgt eine Anhörung nicht, handele es sich bei einer Kündigung um eine "einsame Entscheidung" des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer würde im Ergebnis zum bloßen Träger seiner Arbeitskraft reduziert. Dies wiederum würde die menschliche Würde des Arbeitnehmers sowie sein Recht auf Persönlichkeitsentfaltung missachten.

Hervorzuheben ist, dass nach dieser vereinzelt gebliebenen Rechtsauslegung eine vorherige Anhörung bei jeder Kündigung notwendig sei, egal auf welchen Gründen die Kündigung beruht.